Börse Investoren rechnen fest mit Griechen-Pleite

Die ungelöste Schuldenkrise beherrscht die Finanzmärkte. Der Dax wird im Minus erwartet. Die Rendite zweijähriger Griechen-Anleihen springt in absurde Höhen. Börsianer halten einen Schuldenschnitt für unvermeidlich.

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Ein Wertpapierhändler an der Börse in Frankfurt: Mit einer Rettung Griechenlands rechnet kaum noch einer. Quelle: handelsblatt.com

Nach dem Zwischenhoch des Vortages geht es für den Dax am Mittwoch wieder abwärts. Der Leitindex verlor in den ersten Handelsminuten ein Prozent bei 5.113 Punkten.

Marktteilnehmer nannten als Grund Äußerungen des chinesischen Regierungschefs Wen Jiabao. Sein Land sei zwar weiter zu Investitionen in Europa bereit, sagte Wen. Allerdings erwarte die Volksrepublik ein ernsthaftes Bemühen bei der Schuldenbekämpfung.

Viele Politiker versuchen noch mit aller Macht, Griechenland vor einer Staatspleite zu bewahren. Doch die Börsianer haben ihr Urteil längst gefällt: Die Insolvenz und damit der Schuldenschnitt sind unvermeidlich. Anders lassen sich die Kursentwicklungen an den wichtigen Finanzmärkten während der vergangenen Handelstage nicht erklären – auch wenn insbesondere die Aktienmärkte am Dienstag eine Stabilisierung probten. Der Deutsche Aktienindex (Dax) kletterte im Tagesverlauf um 1,9 Prozent auf 5.166 Zähler.

Der Dow-Jones-Index der Standardwerte ging zwar mit einem Plus von 0,4 Prozent bei 11.106 Punkten aus dem Handel. Am Morgen lag der Future auf den Dow Jones allerdings ein Prozent im Minus. In Tokio gab der Nikkei 1,1 Prozent nach.

Ohne Hilfe der EZB geht nichts

 Die Ereignisse an den Anleihemärkten stellten das Geschehen an den Aktienbörsen allerdings in den Schatten. Spektakulär war die Eskalation am Markt für griechische Titel. Die Rendite zweijähriger Staatsbonds schoss zeitweise auf über 90 Prozent nach oben. Das war eine klare Botschaft: Investoren halten einen Schuldenschnitt praktisch für unvermeidlich, allen Nachrichten über ein weiteres Krisengespräch zum Trotz.

Die griechische Regierung erwartet ein Schrumpfen der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um mehr als fünf Prozent. Sparmaßnahmen vertiefen die Rezession. Die Ökonomen der Citigroup weisen in einem aktuellen Bericht auf die Ausweitung des Staatsdefizits bis Ende August hin. Über das Planziel für das Gesamtjahr urteilen sie: "Auch mit den zuletzt angekündigten Maßnahmen zweifeln wir, dass dieses Ziel erreicht werden kann."

Es gibt mehrere Szenarien. Eher skeptisch sind die Experten der Credit Suisse. "Das Risiko, dass es zu einem größeren und möglicherweise ungeordneten Zahlungsausfall Griechenlands kommt, nimmt zu", schreiben sie. Die jüngsten Maßnahmen der griechischen Regierung seien ungenügend und die Zeit laufe aus. Außerdem beobachten die Fachleute, dass sich die Meinung in Deutschland und anderen EU-Ländern gegen eine Rettung Griechenlands wende.

Mit Spannung warteten Börsianer auf das Ergebnis einer Telefonkonferenz der Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Griechenland. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollen am Nachmittag zusammen mit Griechenlands Premier Giorgos Papandreou über die Krise beraten. Nachdem in Deutschland die Regierungsparteien FDP und CSU Griechenland jüngst mit Insolvenz oder Ausschluss gedroht hatten, betonte Merkel am Dienstag, dass die Regierung in Athen offenbar endlich den Ernst der Lage eingesehen habe.

Zinsstratege: "EZB kauft nicht genug"

 Für Analysten steht fest, dass sich auch Italien ohne die Hilfe der EZB nicht mehr finanzieren kann . Die europäischen Währungshüter haben vor gut einem Monat ihr Kaufprogramm für die Anleihen der kriselnden Euro-Staaten wieder aufleben lassen, seither kaufen sie im Handel vor allem italienische und spanische Papiere. Damals lagen die Renditen von zehnjährigen Anleihen der beiden Südländer über sechs Prozent. Die EZB schaffte es , die Renditen auf um die fünf Prozent zu drücken, in den vergangenen Tagen sind sie aber wieder auf 5,6 Prozent für Italien und 5,4 Prozent für Spanien gestiegen.

Insgesamt haben die EZB und die nationalen Notenbanken seither Anleihen über 69 Milliarden Euro erworben. "Die EZB kauft nicht genug, um zu verhindern, dass die Renditen steigen, aber sie ist als helfende Hand enorm wichtig", meint Ciaran O’Hagan, Zinsstratege bei der Société Générale. Wie wichtig, zeigt sich auch daran, dass Italien gestern keine neuen Anleihen mit Laufzeit von 15 oder mehr Jahren begeben hat. Denn Anleihen mit dieser langen Laufzeit kauft die EZB dem Vernehmen nach nicht. Norbert Aul, Zinsstratege bei der Royal Bank of Canada, geht deshalb davon aus, dass Italien auch in den kommenden Monaten vor allem ältere Anleihen aufstockt und sich nicht an Langläufer herantrauen wird.

Dank der Furcht vor einer griechischen Insolvenz und einer möglichen Ansteckungsgefahr anderer EU-Krisenländer bleiben deutsche und schweizerische Staatstitel gefragt, auch wenn die Kurse gestern nachgaben. Die zehnjährigen heimischen Papiere rentieren mit rund 1,8 Prozent, während die Schweizer sich wegen der großen Nachfrage sogar eine Rendite von unter einem Prozent erlauben können.

Die Edelmetalle konnten nicht von der Schuldendiskussion profitieren. Eine Unze Gold kostete am Mittwochmorgen 1832 Dollar. An den Devisenmärkten steht der Euro weiter unter Druck. Nach den jüngsten Abschlägen der Gemeinschaftswährung wurden für den Euro im fernöstlichen Handel 1,3636 Dollar gezahlt.

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