33-Milliarden-Projekt Ras Al Khair „Ein Juwel der saudischen Industrie“

In Wien beratschlagen die Opec-Länder über Öl-Fördermengen. Das wichtigste Land krempelt derweil die heimische Wirtschaft auf die Zeit nach dem Öl um: Saudi-Arabien. Ein riesiger Umschlagplatz erhält königliche Weihen.

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Das Staatsoberhaupt betrachtet auf der Eröffnungsfeier ein Modell der neuen Industriestadt Ras Al Khair. Quelle: Reuters

Berlin Die jüngste „Perle“ auf der Kette saudi-arabischer Industrieanlagen soll satte 33 Milliarden Euro kosten und hat jetzt eine offizielle Weihe erfahren: König Salman hat am Dienstag am Arabischen Golf die Projekte eingeweiht beziehungsweise Grundsteine gelegt in Ras Al Khair, der neuesten Industriestadt Saudi-Arabiens. Die Dimension ist gewaltig:

  • 10,2 Milliarden Euro hat allein die erste saudische Aluminiumhütte gekostet, an der neben Saudi-Arabiens Minengigant Maaden der US-Aluriese Alcoa 25,1 Prozent hält. Selbstredend ist das Werk mit 740.000 Tonnen Jahreskapazität die größte Aluminiumschmelze der Welt. Gebaut hat sie der US-Baukonzern Bechtel.
  • Maaden wird gleich daneben noch ein gigantisches Phosphatwerk errichten lassen für fünf Milliarden Euro – zusammen mit dem saudischen Petrochemieriesen Sabic.
  • Für Kraftwerke, eine neue Wohnstadt und gigantische Wasserentsalzungsanlagen soll die Rechnung 6,5 Milliarden Euro betragen.
  • 6,3 Milliarden Euro kostet die neue, 1400 Kilometer lange Eisenbahnstrecke, auf der Rohstoffe aus saudischen Minen zur Verarbeitung nach Ras Al Khair gebracht werden sollen sowie Waren zum Export.
  • Die 750 Millionen Euro Investitionssumme für einen ultramodernen Hafen, über den Alu, Rohstoffe und Waren verschickt werden sollen, sind im Vergleich fast ein Schnäppchen.

Das saudi-arabische Bruttoinlandsprodukt soll durch die neue gigantische Industriestadt jährlich um neun Milliarden Dollar wachsen. Getreu der Strategie von Vizekronprinz Mohammed bin Salman Al-Saud, der für den König die Strategie „Vision 2030“ ausgearbeitet hat – Saudi-Arabiens Abkehr von der Ölabhängigkeit.

Neue Branchen sollen gerade jetzt, da der Ölpreis wegen des Fördermengenstreits im Opec-Kartell wieder fällt, für den saudischen Staatshaushalt als neue Quellen sprudeln lassen. „Wir haben unglaublich große Rohstoffvorkommen, die meisten von ihnen völlig unerkundet. Da liegt gewaltiges Potenzial“, hatte Saudi-Arabiens Energie- und Industrieminister Khalid Al-Falih kürzlich in einem großen Handelsblatt-Interview gesagt.

Sein Ministerium hat auch die Oberaufsicht über Ras Al Khair, „eins der Juwelen der saudischen Industrie“, wie Al-Khali die neue Industriestadt zu ihrer Eröffnung nannte. 12.000 Jobs entstehen dort direkt, mehrere Zehntausend indirekt bei Zulieferern – und ein großer Teil für Saudis, die momentan noch unter einer hohen Jugendarbeitslosigkeit leiden. Dem Königreich „droht auch ein Arabischer Frühling“, warnte Marc Lynch, Middle East-Experte aus Washington, gegenüber dem Handelsblatt am Rande des Berliner Forums Außenpolitik der Körber-Stiftung. Die Rivalität zweier Kronprinzen, von denen einer auf Militär und der andere auf Modernisierung setzt sowie eben die hohe Arbeitslosigkeit in dem jungen Land nannte Lynch als mögliche Gründe.


Investitionen zur Vorbereitung auf einen Ölschock

„Saudi-Arabien kommt nun im Ölzeitalter an den Punkt, wo es nicht mehr der Schlüsselspieler ist“, meinen die Experten den Middle East Economic Digest. Dazu passt die Strategie von Prinz Mohammed, mit seiner „Vision 2030“ das bevölkerungsreichste arabische Land am Golf umzubauen. Milliarden werden investiert in Nicht-Öl-Projekte. Bis zum Jahr 2030 sollen Einnahmen aus dem Nicht-Öl-Sektor das saudische Budget bestimmen. Die Öleinnahmen sollen den in Gründung befindlichen weltgrößten Staatsfonds mit über zwei Billionen Dollar füllen. Ein Teil davon soll auch durch den weltgrößten Börsengang (IPO) zustande kommen: Fünf Prozent von Saudi Aramco, dem größten globalen Ölproduzenten, sollen 2018 an die Börse.

Und während die Saudis auf die Zeit nach dem Öl setzen, bleibt Saudi Aramco parallel nicht untätig, wie Aufsichtsratschef Al-Falih unterstreicht: Der Megakonzern, der auf den weltgrößten Ölvorkommen sitzt und inzwischen auch international in Ölförderung und -verarbeitung investiert, will bis 2030 seine Petrochemie-Produktion verdreifachen auf 34 Millionen Tonnen jährlich, wie das Unternehmen am Montag bekannt gab. 334 Milliarden Dollar will der Industriegigant allein bis 2025 investieren.

Denn Aramco, der Öl-Arm des G20-Mitgliedstaats, sieht sich in der Pflicht, massiv weiter zu expandieren: „Saudi Arabien sieht sich als verantwortlich an, immer genug Öl auf die Weltmärkte zu bringen – selbst wenn es wegen der weltweit stark rückläufigen Ölinvestitionen 2019 zu einem neuen Ölpreisschock mangels ausreichenden Angebots kommen könnte“, sagt Ölanalyst Ehsan Ul-Haq von KBC. „Die Weltwirtschaft kann keinen erneuten Schock verkraften“, warnte Suhail Bin Mohammed Al Mazrouei, Energieminister der Vereinigten Arabischen Emirate. Global müsse deshalb trotz des stark gefallenen Ölpreises massiv weiter in die Industrie investiert werden.

Saudi Aramco tut dies. Aber das alles soll nur die Sahne auf der Torte werden. Saudi-Arabien investiert zwar weiter massiv in seine Ölindustrie, aber will 2030 unabhängig von den Öleinnahmen sein – egal wie hoch der Ölpreis dann sein wird.

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