Abgang von der Börse Wie Aktionäre durch Delisting faktisch enteignet werden

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Anlegern sind die Hände gebunden

Unterschwellig drohen Aufkäufer schon mit dem neuen Recht. Die Hörmann Funkwerk Holding etwa bietet Aktionären der Funkwerk AG 2,55 Euro pro Aktie. Hörmann hält keine 58 Prozent, setzt Aktionären aber die Pistole auf die Brust: In einer Mitteilung heißt es, man verfolge „unabhängig von der Annahmequote das Ziel, dass sich die Funkwerk AG von der Börse zurückzieht“. Zwar können nur Vorstand und Aufsichtsrat ein Delisting beschließen – nicht der Großaktionär. Der aber kann Mitglieder im Aufsichtsrat installieren, die in seinem Sinne agieren; er kann Aufsichtsrat und Vorstand durch Aktienoptionen und großzügige Vergütungen gefügig stimmen – oder mit deren Absetzung drohen. Alles schon mal da gewesen.

Anlegern sind die Hände gebunden: Die Entscheidung über das Delisting ist ein Verwaltungsakt. Daher sei „nach derzeit herrschender Rechtsansicht nur der Emittent widerspruchs- und klagebefugt, nicht der einzelne Aktionär“, sagt Gebhardt von der Frankfurter Börse. Und auch Anwalt Seibt resümiert: „Der Rechtsschutz für Anleger gegen ein Delisting ist sehr unsicher.“

Privatanleger, die nicht rechtzeitig verkauft haben, müssen nicht immer beim Großaktionär anklopfen: Über die Ettlinger Valora Effekten können nicht börsennotierte Aktien gehandelt werden. Das ist allerdings teuer, Valora nimmt bei delisteten Aktien fünf Prozent Provision. „Wir werden delistete Aktien auch ohne Zustimmung des Unternehmens handeln“, versichert Joachim Haas von Valora.

Internationale Investoren schütteln den Kopf: „Strengere gesetzliche Regeln wären wünschenswert, um Minderheitsaktionäre zu schützen. Deutschland scheint mir im Nachteil gegenüber Großbritannien. Dort wurden die Delisting-Regeln verschärft“, sagt Christian von Engelbrechten, Manager des Fidelity Germany Aktienfonds.

Noch ist Hoffnung: Der Arbeitskreis für Börsen- und Wertpapierfragen will das Thema im Oktober besprechen. Dann treffen sich die Börsenaufseher der Länder und Vertreter von Finanz-, Wirtschafts- und Justizministerium. „Wir diskutieren, ob der Schutz der Anleger im Rahmen eines Delistings gewahrt bleibt und ob eine gesetzliche Lösung notwendig werden könnte“, sagt die Arbeitskreis-Vorsitzende Ilse Ricken von der Börsenaufsicht NRW.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will Anleger, etwa über eine Tech-Börse „Markt 2.0“, dazu bewegen, Geld in junge Unternehmen zu packen. Droht Investoren aber ein Delisting – womöglich in dem Moment, in dem ihr Unternehmen richtig läuft –, werden sie sich hüten, Aktien zu kaufen.

Ein klarer Fall für den Gesetzgeber.

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