Der Mann ist ein Freund klarer Worte. Laurence D. Fink, CEO des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock rechnet im Aktienmarkt mit einem weiteren Abwertungspotenzial von zehn Prozent. Es sei noch “nicht genug Blut” in den Märkten vergossen worden.
Andere Profi-Anleger übertreffen den Blackrock-Chef in ihren Negativ-Szenarien bei weitem. Handelsblatt Online hat die Analysen der wichtigsten Häuser gesichtet. Und möchte die Frage beantworten, wer die größte Börsen-Kassandra ist.
Gut im Rennen liegt die Royal Bank of Scotland (RBS). Das Institut warnt vor einem „katastrophalen Jahr“ und einer globalen Deflation. Wichtige Börsen könnten laut RBS dieses Jahr um ein Fünftel einbrechen. Den Ölpreis sehen die Analysten bei 16 Dollar pro Barrel (159 Liter). „Alles verkaufen außer hochwertige Anleihen“, sagt Andrew Roberts, Chef-Analyst für Europa bei der RBS. Stresssymptome an den Märkten erinnerten an die Krise nach der Lehman-Pleite in 2008.
Dieser Ausblick ist wahrlich pessimistisch. Gesucht wird aber der wahre Untergangsprophet. Schwarzseher gibt es viele. Aber wer schlägt als Ultra-Pessimist alle seine Konkurrenten? Eine gute Wahl wäre Albert Edwards.
Der Mann arbeitet für die französische Bank Société Générale. Dieser Börsenanalyst ist von einem anderen Stern. Bei offiziellen Präsentationen vor Vertretern aus der Finanzbranche trägt er gerne schon einmal Hawaiihemd und Schlabberhose. So unkonventionell wie das Outfit sind seine Prognosen.
Mehr Apokalypse geht kaum: Die Wall Street soll drei Viertel ihres Werts verlieren. Die Finanzkrise des Jahres 2008 sei noch nicht abgearbeitet, unkt Edwards. Erst bei viel tieferen Aktienkursen und Bewertungen ist seiner Meinung nach ein Boden erreicht. Man kann die Ankündigung in Zahlen transformieren. Am Ende des Wall-Street-Ausverkaufs wären die Aktionäre um mindestens 22 Billionen Dollar ärmer. Die Zahl muss man ausgeschrieben vor sich sehen: 22.000.000.000.000 $.
Edwards erwartet eine globale Rezession, Deflation, Währungskriege. Die wahren Urheber des Debakels seien aber die Notenbanken. Ihre ultralockere Geldpolitik seit der Finanzkrise habe nicht das gewünschte Wachstum in den Industrieländern gebracht.
Vielmehr seien die Konjunkturen in den Schwellenländern, die Rohstoffpreise und alle Märkte für Vermögenswerte angeheizt worden. Jetzt komme der Kälteschock. Edwards empfiehlt US-Staatstitel. Wie die Welt seine Botschaft aufnimmt, ist ihm klar: „Die meisten Leute denken, ich rede blanken Mist, aber das bin ich gewohnt.“
Goldpreis bei 3300 Dollar?
Edwards ist unschlagbar und weiß das auch. Aber ein 39-Seiten-Report der UBS dürfte auch in die Hall of Fame der Schwarzseher eingehen. Aktien werden demnach in diesem Jahr kräftig fallen, Gold dagegen biete eine exzellente Chance.
Der Report kommt von den technischen Analysten. Sie versuchen in den Kursverläufen der Vergangenheit bekannte Muster entdecken und daraus Prognosen abzuleiten. Die Chartanalytiker der UBS erwarten ein Ende des Sieben-Jahres-Zyklus an den Aktienmärkten. Den Welt-Aktienindex sehen sie bereits in der Frühphase einer Talfahrt. Viele Börsen sollen in diesem Jahr nach einem Hoch im zweiten Quartal abtauchen. Fdenür breiten US-Markt erwarten die Analysten ein Minus von 20 bis 30 Prozent.
Einen geradezu kühnen Marktausblick haben die „Chartisten“ der UBS bei Gold. Der fallende Dollar und ein Wiedererwachen der Inflation sollen dem Edelmetall zum Comeback verhelfen. Die Analysten sehen eine Parallele zur Hausse in den 1970er-Jahren. Gemessen an der Entwicklung damals und an anderen Blasen am Aktienmarkt könne der Goldpreis auf 3.300 Dollar je Unze steigen. Heute kostet Gold ein Drittel des UBS-Zielpreises.
Zugegeben: Der Börsenstart war wirklich schwach. Seit Jahresbeginn verlor der Dax gut zehn Prozent. Der Vorjahresgewinn ist damit futsch. Der S&P 500 notiert seit Jahresstart knapp sechs Prozent im Minus. Und der Blick auf die Ölpreise und Industriemetalle, Notenbanken, Konjunktur in den Schwellenländern, Terrorgefahren und die vielen weiteren Risiken gibt Börsianern in allen Anlass zur Sorge. Vor allem die Kombination sei gefährlich, sind sich die Marktbeobachter derzeit einig.
Andererseits: Die große Panik ist noch nicht ausgebrochen. Eine große Flucht in sichere Häfen wie etwa deutsche Staatsanleihen oder Gold ist bislang ausgeblieben. Das Handelsvolumen ist gering, in Zeiten großer Krisen steigt es steil an. Die Kursverluste beim Dax waren in den vergangenen Tagen moderat, auch wenn der Leitindex bis Freitag Nachmittag mit Minus drei Prozent unter die Marke von 9.500 Punkten stürzte. Die Strategen der Privatbank Metzler erklärten zuletzt: „Viele Fondsmanager zeigen sich weiter tiefenentspannt.“ Sie seien „konditioniert“, dass im Zweifel die Notenbanken helfen.
Trotzdem sieht der renommierten Investor und früheren Hedgefonds-Manager George Soros die aktuellen Turbulenzen an den Börsen lediglich der Auftakt zu größeren Verwerfungen. Wenn er auf die Finanzmärkte blicke, fühle er sich an das heiße Finanzkrisenjahr 2008 erinnert. Er lokalisiert die Ursache der Probleme in China und in der Abwertung des Yuans. Und ersteht nicht allein.