Das Persaud-Paradox mündet also darin, dass der Markt kippt?
Ja. Im Grunde stehen dahinter immer Herdentriebe, meist unterstützt durch eine expansive Politik der Notenbanken. Am Rentenmarkt war gut zu beobachten, dass selbst in den riskanten Segmenten die Kursschwankungen immer weiter abnahmen. Die sinkenden Volatilitäten fließen im nächsten Schritt in die verschiedenen Modelle und Programme der Profi-Anleger und Banken zur Portfolio-Optimierung. Die zeigen dem Portfolio-Manager an, die risikoärmeren Segmente quantitativ stärker zu gewichten. So fließt noch mehr Kapital in einen bereits überkauften Markt. Zunächst sinken die Volatilitäten noch weiter. Die zunehmende Konzentration auf einen Markt erhöht jedoch das Risiko, die Anlageklasse wird zum Risikofall.
Wann endet die Käuferspirale?
Irgendwann ist das betroffene Anlagesegment einfach zu voll. Davor hat der IWF gewarnt: Selbst in Nischen der Rentenmärkte sei inzwischen sehr viel Geld investiert worden, das in normalen Marktphasen dort niemals so konzentriert angehäuft würde. Fonds und Schattenbanken haben enorme Summen dort investiert. Diese Märkte werden zunehmend illiquide, auch weil Banken zunehmend ihre Aufgabe vernachlässigen, für liquiden Handel zu sorgen. Wenn dann jemand verkaufen möchte, erhöhen die Kursrückschläge sprunghaft die Volatilität, weil sie mit dem bestehenden Aufwärtstrend brechen. Dann zeigt sich das Persaud Paradoxon: Der als besonders sicher geltende Markt erweist sich als hochriskante Falle, aus der Anleger nur mit noch höheren Verlusten rauskommen. Die Kurse fallen sehr schnell und sehr heftig.
So kommen Aktien-Anleger durch das Zinstal
Niedrige Zinsen machen Aktien attraktiv im Vergleich zu anderen Anlageformen, besonders Staatsanleihen
Vor allem Aktien mit attraktiven Dividendenrenditen profitierten in den letzten Jahren von der Zinsdürre, da kapitalkräftige Großanleger wie Pensionsfonds sie gerne kaufen
Der Kapitalmarkt billigt Aktien höhere Bewertungen zu
Wer Geld längerfristig anlegen kann, sollte einen Teil davon weiterhin in Aktien stecken, je nach Risikoneigung etwa 20 bis 40 Prozent seines Geldes
Zuletzt reagierte die Börse immer weniger auf neue Zinssenkungen durch die Notenbanken; die Notenbank-Munition für die Börse bleibt zwar erhalten, nutzt sich aber in ihrer Wirkung offensichtlich ab. Wer bis jetzt überhaupt nicht in Aktien war, sollte daher nicht auf einen Schlag sehr viele Papiere kaufen
Ideal für Aktien sind die Bedingungen der letzten vier Jahre: niedrige Zinsen, viel Notenbank-Geld und leichte Inflation
Steigende Zinsen bedeuten, dass Kredite und Investitionen teurer werden
Bisher ging noch jedem Crash eine Zinswende voraus. Daher reagiert die Börse sensibel auf die Andeutungen der US-Notenbank von Mitte Juni, 2014 die Gelddruckprogramme zurückzufahren und die Zinsen anzuheben
Dividendenstarke Aktien großer Konzerne haben am meisten von den Niedrigzinsen profitiert; Großanleger kauften sie teils als Ersatz für Zinspapiere. Sie dürften es auch sein, die bei strafferer Geldpolitik am stärksten leiden, zumal sie schon sehr teuer sind
Anleger sollten Aktien generell zunächst meiden, wenn sich stärkere Zinserhöhungen andeuten; Aktien verlieren im Vergleich zu Zinspapieren heftiger
Langfristig führt an einem breit gestreuten Depot kein Weg vorbei, dazu gehören auch Aktien. Doch die Geldpolitik war nun schon sehr lange ideal – besser kann es kaum werden
Steht das auch nach den jüngsten Korrekturen noch bevor?
Wir nähern uns diesem Punkt. In den vergangenen Wochen kam viel zusammen. Es gab viele negative Nachrichten aus den Krisengebieten, zur Konjunktureintrübung, den Wachstumsprognosen der Länder. Das hat zu einer schockartigen, aber längst überfälligen Anpassung der Märkte geführt, das lag schon in der Luft. Aber offenbar wurde das als übertrieben empfunden, dementsprechend hat sich die Börse wieder etwas erholt.
Worin lauert jetzt die größte Gefahr?
Der Marktoptimismus hängt am seidenen Faden. Entscheidend für die Stabilität in Europa waren in den vergangenen drei Jahren zwei Faktoren: Erstens das Versprechen von EZB-Chef Mario Draghi, alles Notwendige zu tun, und zweitens Deutschlands wachstumsstarke Wirtschaft, die die Schwächen anderer Euro-Länder ausgleichen konnte. Das hat bislang ein Abrutschen in ein deflationäres Szenario und ein Aufflammen der Euro-Krise verhindert. Aber wie lange ist Deutschland dazu in der Lage? Deshalb haben die revidierten Wachstumsprognosen aus Deutschland zum ersten Mal seit Jahren die Börsen weltweit einbrechen lassen – sogar die New Yorker Börse, die sonst der Frankfurter Börse die Richtung vorgibt. Dass sich die Börsen wieder erholt haben, verdanken sie unter anderem den etwas freundlicheren Konjunkturdaten aus Deutschland von vergangener Woche.
Wie man an der Börse die besten Chancen hat
Stop-Loss-Orders, bei deren Unterschreiten automatisch verkauft wird, disziplinieren und bewahren davor, permanent nach Kursen schauen zu müssen. Sinnvoll aber nur bei sehr liquiden Werten. Bei Aktien unterhalb des Dax gefährlich, weil Profis die Aktien unter das Stopp-Loss drücken und billig abfischen könnten.
Stimmen die Gründe für den Kauf noch, wird eine Aktie nur ihrer Kursgewinne wegen nicht riskanter. Also halten, auch dann, wenn es zwischenzeitlich nach unten geht. Verschlechtern sich wesentliche Parameter: verkaufen.
Angst und Gier treiben die Herde, so entstehen heftige Kursbewegungen, die aber auch schnell wieder drehen und deshalb gute Kauf- und Verkaufschancen bieten. US-Ökonom Robert Shiller zieht Parallelen zum Fußball: „Halte dich von der Meute fern, dann wird der Ball früher oder später zu dir kommen.“
Wer Unternehmen mit überzeugendem Geschäftsmodell hält, prüft Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Umsatz- und Cashflow-Entwicklung über viele Jahre und vergleicht sie mit den Zahlen der Konkurrenten. Gründe, die zu einem Investment führen, schriftlich festhalten: hilft klarer zu denken und kann, wenn der Wunsch, zu verkaufen übermächtig wird, nachgelesen werden.
Irren ist menschlich. Wer schon beim Aktienkauf festlegt, welches Minus er maximal akzeptiert, schützt sich vor Illusionen. Etwa der, nur noch Nachrichten wahrzunehmen, die die eigene positive Überzeugung stützen.
Welche Märkte sind besonders bedroht?
Wenn die These stimmen sollte, dass unser weltwirtschaftliches Wachstum in den nächsten sechs bis zwölf Monaten weiter enttäuscht - die Wahrscheinlichkeit dafür sehen wir bei 30 bis 40 Prozent -, sind die konjunktursensiblen Segmente der Anleihemärkte besonders gefährdet, etwa wie Unternehmensanleihen, Hochzinsanleihen oder Rentenpapiere aus den Schwellenländern. Jetzt ist zwar schon die erste Welle der Marktkorrektur gelaufen, aber nach der zwischenzeitlichen Erholung kann es in einer zweiten Runde einen neuen Rücksetzer geben und die Verluste noch heftiger ausfallen. Am Anleihenmarkt kann es daher zu blitzartigen und brutalen Attacken kommen. Anleger, die risikoarm anlegen wollen und teilweise unter Verkennung der tatsächlichen Risiken vor allem Rentenpapiere gekauft haben, könnten innerhalb kurzer Zeit ein oder zwei Jahresrenditen verlieren. Die verbrennen sich die Finger, weil sie die tatsächlichen Risiken mit ihren Modellen nicht richtig erfasst haben. Aber das muss nicht in der globalen Katastrophe enden. Vermutlich kommt es anschließend zu einer Erholung, weil die Notenbanken die Märkte sofort wieder beruhigen.