Absturzgefahr an den Börsen "Risikoarme Marktsegmente sind eine Illusion"

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"Der Marktoptimismus hängt am seidenen Faden"

Das Persaud-Paradox mündet also darin, dass der Markt kippt?

Ja. Im Grunde stehen dahinter immer Herdentriebe, meist unterstützt durch eine expansive Politik der Notenbanken. Am Rentenmarkt war gut zu beobachten, dass selbst in den riskanten Segmenten die Kursschwankungen immer weiter abnahmen. Die sinkenden Volatilitäten fließen im nächsten Schritt in die verschiedenen Modelle und Programme der Profi-Anleger und Banken  zur Portfolio-Optimierung. Die zeigen dem Portfolio-Manager an, die risikoärmeren Segmente quantitativ stärker zu gewichten. So fließt noch mehr Kapital in einen bereits überkauften Markt. Zunächst sinken die Volatilitäten noch weiter. Die zunehmende Konzentration auf einen Markt erhöht jedoch das Risiko, die Anlageklasse wird zum Risikofall.

Wann endet die Käuferspirale?

Irgendwann ist das betroffene Anlagesegment einfach zu voll. Davor hat der IWF gewarnt: Selbst in Nischen der Rentenmärkte sei inzwischen sehr viel Geld investiert worden, das in normalen Marktphasen dort niemals so konzentriert angehäuft würde. Fonds und Schattenbanken haben enorme Summen dort investiert. Diese Märkte werden zunehmend illiquide, auch weil Banken zunehmend ihre Aufgabe vernachlässigen, für liquiden Handel zu sorgen. Wenn dann jemand verkaufen möchte, erhöhen die Kursrückschläge sprunghaft die Volatilität, weil sie mit dem bestehenden Aufwärtstrend brechen. Dann zeigt sich das Persaud Paradoxon: Der als besonders sicher geltende Markt erweist sich als hochriskante Falle, aus der Anleger nur mit noch höheren Verlusten rauskommen. Die Kurse fallen sehr schnell und sehr heftig.

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Steht das auch nach den jüngsten Korrekturen noch bevor?

Wir nähern uns diesem Punkt. In den vergangenen Wochen kam viel zusammen. Es gab viele negative Nachrichten aus den Krisengebieten, zur Konjunktureintrübung, den Wachstumsprognosen der Länder. Das hat zu einer schockartigen, aber längst überfälligen Anpassung der Märkte geführt, das lag schon in der Luft. Aber offenbar wurde das als übertrieben empfunden, dementsprechend hat sich die Börse wieder etwas erholt.

Worin lauert jetzt die größte Gefahr?

Der Marktoptimismus hängt am seidenen Faden. Entscheidend für die Stabilität in Europa waren in den vergangenen drei Jahren zwei Faktoren: Erstens das Versprechen von EZB-Chef Mario Draghi, alles Notwendige zu tun, und zweitens Deutschlands wachstumsstarke Wirtschaft, die die Schwächen anderer Euro-Länder ausgleichen konnte. Das hat bislang ein Abrutschen in ein deflationäres Szenario und ein Aufflammen der Euro-Krise verhindert. Aber wie lange ist Deutschland dazu in der Lage? Deshalb haben die revidierten Wachstumsprognosen aus Deutschland zum ersten Mal seit Jahren die Börsen weltweit einbrechen lassen – sogar die New Yorker Börse, die sonst der Frankfurter Börse die Richtung vorgibt. Dass sich die Börsen wieder erholt haben, verdanken sie unter anderem den etwas freundlicheren Konjunkturdaten aus Deutschland von vergangener Woche.

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Welche Märkte sind besonders bedroht?

Wenn die These stimmen sollte, dass unser weltwirtschaftliches Wachstum in den nächsten sechs bis zwölf Monaten weiter enttäuscht - die Wahrscheinlichkeit dafür sehen wir bei 30 bis 40 Prozent -, sind die konjunktursensiblen Segmente der Anleihemärkte besonders gefährdet, etwa wie Unternehmensanleihen, Hochzinsanleihen oder Rentenpapiere aus den Schwellenländern. Jetzt ist zwar schon die erste Welle der Marktkorrektur  gelaufen, aber nach der zwischenzeitlichen Erholung kann es in einer zweiten Runde einen neuen Rücksetzer geben und die Verluste noch heftiger ausfallen. Am Anleihenmarkt kann es daher zu blitzartigen und brutalen Attacken kommen. Anleger, die risikoarm anlegen wollen und teilweise unter Verkennung der tatsächlichen Risiken vor allem Rentenpapiere gekauft haben, könnten innerhalb kurzer Zeit ein oder zwei Jahresrenditen verlieren. Die verbrennen sich die Finger, weil sie die tatsächlichen Risiken mit ihren Modellen nicht richtig erfasst haben. Aber das muss nicht in der globalen Katastrophe enden. Vermutlich kommt es anschließend zu einer Erholung, weil die Notenbanken die Märkte sofort wieder beruhigen.

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