Aktien, Anleihen, Gold

Komplizierte Börsenlage mit ein bisschen Hoffnung

Trotz fortdauernder Börsenturbulenzen in Europa ist die Lage noch nicht hoffnungslos. Die fundamentale Lage ist eigentlich unverändert, auch die Weltkonjunktur ist stabil. Was außerdem für moderate Kursgewinne spricht.

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Wegen steigender Renditen sind die Märkte weltweit unter Druck geraten Quelle: dpa

In den letzten Wochen hatte die Volatilität an den Finanzmärkten stark zugenommen. Ausgangspunkt war der Anstieg der Renditen für Bundesanleihen um fast 100 Basispunkte und das innerhalb von nur wenigen Tagen. Diese Entwicklung kann man nur teilweise mit dem Anstieg der Inflation im Euroraum erklären. Sie geht in erheblichem Maße auch auf eine stark rückläufige Liquidität zurück. In diesem Umfeld führte ein nur geringer Anstieg von Verkaufsorders zu einem deutlichen Preisrückgang bei Anleihen.

Der Anstieg der Renditen für Bundesanleihen spiegelte sich auch in den restlichen europäischen Anleihemärkten wider. Alle europäischen Anleihemärkte waren von dem Renditeanstieg betroffen. Zeitgleich stiegen auch die Zinserwartungen in den USA. Und es wurde - wieder einmal - eine Zinsanhebung der amerikanischen Notenbank in die Kurse eingepreist, was letztendlich auch den US-amerikanischen Anleihemarkt belastete und zu einem Renditeanstieg führte.

Stefan Bielmeier ist seit 2010 der Chefvolkswirt und Leiter Research der DZ Bank, dem Zentralinstitut von mehr als 900 Genossenschaftsbanken. (zum Vergrößern bitte anklicken) Quelle: Presse

Der Euro wertet wieder auf

Es sind nicht nur die Anleihemärkte unter Druck gekommen. Die wichtigsten Aktienmärkte haben ebenfalls Kursrückgänge hinnehmen müssen. Dabei haben sich die Einschätzungen für die Gewinnentwicklung der Unternehmen und auch das makroökonomische Umfeld nicht grundsätzlich geändert. Ein zunehmender Belastungsfaktor ist die sich endlos hinziehende Krise rund um Griechenland. Aber letztere dürfte hauptsächlich in Europa ein belastender Faktor gewesen sein. Deshalb war die Kurskorrektur in den USA auch etwas geringer.

An den Währungsmärkten gab es ebenfalls eine markante Änderung der jüngsten Trends. Die nun schon seit einigen Jahren laufende Abwertung des Euro kam zu einen Ende. Mehr noch: Die Gemeinschaftswährung hat zuletzt wieder gegenüber den meisten Währungen an Wert gewonnen. Dazu kam noch ein deutlich sichtbarer Kapitalabzug aus den Schwellenländern, was zu einer merklichen Belastung für die entsprechenden Anleihemärkte wurde.

Die Schwellenländer waren von den zunehmenden Wachstumserwartungen für die US-Wirtschaft negativ betroffen, da Investoren sich wieder größere Sorgen machen, ob diese Länder ihre zuletzt deutlich gestiegenen Schulden in US-Dollar auch ohne größere Probleme zurückzahlen können, auch wenn der US-Dollar aufwerten sollte.

Zusammengenommen haben in den letzten Wochen also alle wichtigen Assetklassen eine negative Performance verbucht. Überraschenderweise gab es aber keine nennenswerte Nachfragesteigerung beim Gold. Dabei ist Gold die Krisenwährung. Wenn sich also die Investoren zunehmend Sorgen über das Finanzsystem machen würden, müsste man auch einen Anstieg des Goldpreises beobachten können. Dies war jedoch nicht der Fall, was auf eine gewisse Gelassenheit der Investoren hindeutet.

Rendite der deutschen Bundesanleihen ist gefallen

Um die Lage noch zusätzlich komplizierter zu machen, sind gleichzeitig zu den rückläufigen Märkten die seit Jahren relativ festen Korrelationsstrukturen an den Finanzmärkten zusammengebrochen oder haben sich stark abgeschwächt. Dies ist insoweit relevant, als sich die meisten Handelsmodelle an diesen Korrelationsstrukturen orientieren. Brechen diese zusammen, verlieren die Modelle an Aussagekraft, die Modelle wechseln häufiger die Positionen, was an den Märkten zu entsprechend höherer Volatilität beiträgt.

Der Auslöser für alle diese Entwicklungen war aus meiner Sicht die erste, relativ kleine Korrektur an den deutschen Anleihemärkten. Das Renditeniveau zehnjähriger deutscher Bundesanleihen war im Vorfeld bis auf 0,05 Prozent gefallen. Damit waren die Bundesanleihen weit von ihrem fundamental gerechtfertigten Niveau entfernt, das aktuell wohl eher bei 1,25 Prozent oder leicht darüber liegt. Ganz offensichtlich waren der deutsche und damit auch die anderen Anleihemärkte im Euroraum im Zuge des Starts des EZB Anleihekaufprogrammes so teuer geworden, dass sich auf diesem höheren Niveau keine Käufer mehr gefunden haben.

Nur weil die EZB Staatsanleihen kauft, tun das nicht auch Investoren

Die Nervosität der Anleger wurde dann noch durch den Anstieg der Inflation im Euroraum verstärkt, die bis dahin noch teilweise vorherrschenden Deflationserwartungen lösten sich auf. Ein Anziehen der Inflationsrate mit einer Rückkehr aus dem negativen Bereich war zwar eigentlich erwartet worden, hat dann aber doch zu einen Veränderung des Verhaltens der Investoren geführt. Allein die Tatsache, dass die EZB Anleihen der Euroländer kauft, reicht nicht mehr aus, dass die entsprechenden Investoren auch bei jedem Preisniveau bereit sind, diese Anleihen zu kaufen.

Vielmehr scheinen nun – früher als erwartet - auch wieder fundamentale Faktoren eine Rolle zu spielen. Zwar sind die Anleihemärkte aus fundamentaler Sicht immer noch sehr teuer, aber bis zu einem gewissen Grad haben wieder rationale Überlegungen ihren Weg in den Entscheidungsprozess gefunden. Dies ist sicherlich als eine sehr gute Entwicklung zu bewerten, da ansonsten die Absturzgefahr an den Anleihemärkten noch viel größer geworden wäre.

Fragen zum EZB-Anleihekaufprogramm

Die eigentlich wichtige Frage ist aber wie es weitergeht? Um diese Frage zu beantworten, benötigt man die obige Analyse. Nur dann, wenn man die Gründe kennt (oder zu kennen glaubt), kann man auf Basis dieser Analyse versuchen, eine Prognose abzuleiten.

Das Ende der Euphorie an der Börse

Wie mehrfach betont, hat sich an der fundamentalen Lage eigentlich nicht viel verändert. Die Weltkonjunktur ist auf niedrigem Niveau stabil, die Inflation steigt an, bleibt aber für die Notenbanken zu niedrig. Somit sollten die Notenbanken auch grundsätzlich an ihrem expansiven Kurs festhalten. Eine moderate Zinsanhebung der amerikanischen Notenbank innerhalb der nächsten Monate sollte an diesem Bild nichts ändern.

Damit steht einer wieder freundlicheren Entwicklung an den Finanzmärkten eigentlich grundsätzlich nichts entgegen. Selbst die alten Höchststände an den Aktienmärkten können abermals erreicht werden. Denn die Gründe für einen Kursanstieg, wie die niedrigen Notenbankzinsen, eine stabile Entwicklung der Unternehmensgewinne sowie relativ hohe Dividendenrenditen sind weiterhin unverändert vorhanden.

Eine Euphorie wie in den vergangenen Monaten wird man wohl vorerst nicht mehr sehen. Es sollte jetzt jedem klar geworden sein, dass man auf diesen Niveaus die Aktien nicht mehr günstig kauft und sich jederzeit Rückschläge ereignen können. An den Anleihemärkten, insbesondere im Euroraum, sollte sich langsam wieder die Aktivität der EZB bemerkbar machen. Allerdings werden auch hier die Investoren viel vorsichtiger agieren, wenn die Preise zu stark steigen. Zudem kann hier die sehr geringe Liquidität zu einer grundsätzlich höheren Volatilität führen.

Insgesamt sollten die Märkte zunächst noch etwas unruhig sein, bis sich die Investoren in dem neuen Umfeld wieder sicherer fühlen und sich die Korrelationen wieder als belastbar erweisen. Dann kann man auch wieder mit steigenden Kursen rechnen. Trotzdem dürften wir uns dem Ende der Hausse nähern, denn die meisten großen Korrekturen wurden durch eine Straffung der Notenbankpolitik ausgelöst. Dieses Mal könnte der Auslöser die zunehmende Unwirksamkeit der Notenbankpolitik sein beziehungsweise ein Ende der ultra-lockeren Geldpolitik im Laufe des nächsten Jahres. Bis Ende des Jahres kann man aber zunächst noch einmal Kursgewinne erwarten.

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