In den letzten Wochen hatte die Volatilität an den Finanzmärkten stark zugenommen. Ausgangspunkt war der Anstieg der Renditen für Bundesanleihen um fast 100 Basispunkte und das innerhalb von nur wenigen Tagen. Diese Entwicklung kann man nur teilweise mit dem Anstieg der Inflation im Euroraum erklären. Sie geht in erheblichem Maße auch auf eine stark rückläufige Liquidität zurück. In diesem Umfeld führte ein nur geringer Anstieg von Verkaufsorders zu einem deutlichen Preisrückgang bei Anleihen.
Der Anstieg der Renditen für Bundesanleihen spiegelte sich auch in den restlichen europäischen Anleihemärkten wider. Alle europäischen Anleihemärkte waren von dem Renditeanstieg betroffen. Zeitgleich stiegen auch die Zinserwartungen in den USA. Und es wurde - wieder einmal - eine Zinsanhebung der amerikanischen Notenbank in die Kurse eingepreist, was letztendlich auch den US-amerikanischen Anleihemarkt belastete und zu einem Renditeanstieg führte.
Der Euro wertet wieder auf
Es sind nicht nur die Anleihemärkte unter Druck gekommen. Die wichtigsten Aktienmärkte haben ebenfalls Kursrückgänge hinnehmen müssen. Dabei haben sich die Einschätzungen für die Gewinnentwicklung der Unternehmen und auch das makroökonomische Umfeld nicht grundsätzlich geändert. Ein zunehmender Belastungsfaktor ist die sich endlos hinziehende Krise rund um Griechenland. Aber letztere dürfte hauptsächlich in Europa ein belastender Faktor gewesen sein. Deshalb war die Kurskorrektur in den USA auch etwas geringer.
An den Währungsmärkten gab es ebenfalls eine markante Änderung der jüngsten Trends. Die nun schon seit einigen Jahren laufende Abwertung des Euro kam zu einen Ende. Mehr noch: Die Gemeinschaftswährung hat zuletzt wieder gegenüber den meisten Währungen an Wert gewonnen. Dazu kam noch ein deutlich sichtbarer Kapitalabzug aus den Schwellenländern, was zu einer merklichen Belastung für die entsprechenden Anleihemärkte wurde.
Die Schwellenländer waren von den zunehmenden Wachstumserwartungen für die US-Wirtschaft negativ betroffen, da Investoren sich wieder größere Sorgen machen, ob diese Länder ihre zuletzt deutlich gestiegenen Schulden in US-Dollar auch ohne größere Probleme zurückzahlen können, auch wenn der US-Dollar aufwerten sollte.
Zusammengenommen haben in den letzten Wochen also alle wichtigen Assetklassen eine negative Performance verbucht. Überraschenderweise gab es aber keine nennenswerte Nachfragesteigerung beim Gold. Dabei ist Gold die Krisenwährung. Wenn sich also die Investoren zunehmend Sorgen über das Finanzsystem machen würden, müsste man auch einen Anstieg des Goldpreises beobachten können. Dies war jedoch nicht der Fall, was auf eine gewisse Gelassenheit der Investoren hindeutet.
Rendite der deutschen Bundesanleihen ist gefallen
Um die Lage noch zusätzlich komplizierter zu machen, sind gleichzeitig zu den rückläufigen Märkten die seit Jahren relativ festen Korrelationsstrukturen an den Finanzmärkten zusammengebrochen oder haben sich stark abgeschwächt. Dies ist insoweit relevant, als sich die meisten Handelsmodelle an diesen Korrelationsstrukturen orientieren. Brechen diese zusammen, verlieren die Modelle an Aussagekraft, die Modelle wechseln häufiger die Positionen, was an den Märkten zu entsprechend höherer Volatilität beiträgt.
Der Auslöser für alle diese Entwicklungen war aus meiner Sicht die erste, relativ kleine Korrektur an den deutschen Anleihemärkten. Das Renditeniveau zehnjähriger deutscher Bundesanleihen war im Vorfeld bis auf 0,05 Prozent gefallen. Damit waren die Bundesanleihen weit von ihrem fundamental gerechtfertigten Niveau entfernt, das aktuell wohl eher bei 1,25 Prozent oder leicht darüber liegt. Ganz offensichtlich waren der deutsche und damit auch die anderen Anleihemärkte im Euroraum im Zuge des Starts des EZB Anleihekaufprogrammes so teuer geworden, dass sich auf diesem höheren Niveau keine Käufer mehr gefunden haben.
Nur weil die EZB Staatsanleihen kauft, tun das nicht auch Investoren
Die Nervosität der Anleger wurde dann noch durch den Anstieg der Inflation im Euroraum verstärkt, die bis dahin noch teilweise vorherrschenden Deflationserwartungen lösten sich auf. Ein Anziehen der Inflationsrate mit einer Rückkehr aus dem negativen Bereich war zwar eigentlich erwartet worden, hat dann aber doch zu einen Veränderung des Verhaltens der Investoren geführt. Allein die Tatsache, dass die EZB Anleihen der Euroländer kauft, reicht nicht mehr aus, dass die entsprechenden Investoren auch bei jedem Preisniveau bereit sind, diese Anleihen zu kaufen.
Vielmehr scheinen nun – früher als erwartet - auch wieder fundamentale Faktoren eine Rolle zu spielen. Zwar sind die Anleihemärkte aus fundamentaler Sicht immer noch sehr teuer, aber bis zu einem gewissen Grad haben wieder rationale Überlegungen ihren Weg in den Entscheidungsprozess gefunden. Dies ist sicherlich als eine sehr gute Entwicklung zu bewerten, da ansonsten die Absturzgefahr an den Anleihemärkten noch viel größer geworden wäre.
Fragen zum EZB-Anleihekaufprogramm
Die Preisentwicklung im Euroraum bereitet den Notenbankern Sorgen. Im Januar und Februar sind die Verbraucherpreise auf Jahressicht jeweils gesunken. Deshalb befürchten die Währungshüter eine Deflation, also einen anhaltenden Preisrückgang quer durch die Warengruppen. Das könnte dazu führen, dass Verbraucher und Unternehmen Anschaffungen in Erwartung weiterer Preissenkungen verschieben und die Wirtschaft erlahmt. Dies will die EZB mit den Käufen verhindern: „Das Programm wird dazu beitragen, die Inflation wieder auf ein Niveau zurückzuführen, das mit dem Ziel der EZB im Einklang steht.“ Die EZB strebt eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent an.
Die EZB kauft Wertpapiere am Sekundärmarkt - also nicht direkt bei Staaten, sondern bei Banken oder Versicherern. So wird Geld ins Finanzsystem geschleust. Die EZB erwartet, dass das Programm den Unternehmen in ganz Europa helfen wird, leichter Zugang zu Krediten zu erhalten. Das werde die Investitionstätigkeit steigern, Arbeitsplätze schaffen und das Wirtschaftswachstum insgesamt stützen. Dafür druckt sich die EZB quasi selbst Geld, die Menge (Quantität) des Zentralbankgeldes nimmt zu, daher der Begriff „Quantitative Lockerung“ (QE).
Die EZB will Papiere von Eurostaaten, von internationalen Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) oder von nationalen Förderbanken wie der KfW kaufen. Bei Staatsanleihen gilt: Gekauft werden nur Papiere von guter Bonität. Anleihen, die von Ratingagenturen als Ramsch gewertet werden, sind außen vor - es sei denn, das Land befindet sich in einem Sanierungsprogramm der EU und erfüllt alle Sparauflagen. Die Überprüfung des Programms muss abgeschlossen sein. Damit ist im Moment ausgeschlossen, dass die EZB Anleihen Zyperns oder Griechenlands kauft.
Bislang vor allem wie ein Schmierstoff für Aktienmärkte. Da viele andere Geldanlagen wegen der niedrigen Zinsen kaum noch etwas abwerfen, stecken Investoren ihr Geld in Aktien. Die Kurse steigen. Experten warnen, dass dadurch Blasen an den Aktienmärkten entstehen können. Ähnliches gilt für Immobilienmärkte. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sieht die Gefahr, dass viele Anleger auf der Suche nach Rendite zu Vermögenswerten greifen, die sie bisher wegen deren Risiken gemieden haben: „Die Entstehung von Preisblasen wird damit wahrscheinlicher, und das könnte zu einem Problem für die Stabilität des Finanzsystems werden.“
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann befürchtet, dass der Reformeifer in Krisenländern nachlassen könnte - schließlich wird das Schuldenmachen billiger, wenn die EZB als großer Akteur auf den Plan tritt. Kritiker werfen der EZB zudem vor, sie finanziere letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. Das mache die Notenbank abhängig von den Staaten und gefährde ihre Unabhängigkeit.
Im Prinzip schon, doch sie hat ihr Pulver weitgehend verschossen. Das gilt vor allem für die Zinsen, mit denen die Geldpolitiker eigentlich die Inflation steuern: Eine Zinssenkung verbilligt Kredite und soll Konjunktur wie Inflation antreiben. Doch die EZB hat den Leitzins schon auf 0,05 Prozent gesenkt, also quasi abgeschafft. „Gäbe es noch Spielraum, so hätte die EZB die Leitzinsen bereits gesenkt. Da diese Möglichkeit aber nicht mehr bestand, war das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten das einzig geeignete Instrument, mit dessen Hilfe die EZB ein ähnliches Ergebnis erreichen konnte“, erklärt die EZB.
Die eigentlich wichtige Frage ist aber wie es weitergeht? Um diese Frage zu beantworten, benötigt man die obige Analyse. Nur dann, wenn man die Gründe kennt (oder zu kennen glaubt), kann man auf Basis dieser Analyse versuchen, eine Prognose abzuleiten.
Das Ende der Euphorie an der Börse
Wie mehrfach betont, hat sich an der fundamentalen Lage eigentlich nicht viel verändert. Die Weltkonjunktur ist auf niedrigem Niveau stabil, die Inflation steigt an, bleibt aber für die Notenbanken zu niedrig. Somit sollten die Notenbanken auch grundsätzlich an ihrem expansiven Kurs festhalten. Eine moderate Zinsanhebung der amerikanischen Notenbank innerhalb der nächsten Monate sollte an diesem Bild nichts ändern.
Damit steht einer wieder freundlicheren Entwicklung an den Finanzmärkten eigentlich grundsätzlich nichts entgegen. Selbst die alten Höchststände an den Aktienmärkten können abermals erreicht werden. Denn die Gründe für einen Kursanstieg, wie die niedrigen Notenbankzinsen, eine stabile Entwicklung der Unternehmensgewinne sowie relativ hohe Dividendenrenditen sind weiterhin unverändert vorhanden.
Eine Euphorie wie in den vergangenen Monaten wird man wohl vorerst nicht mehr sehen. Es sollte jetzt jedem klar geworden sein, dass man auf diesen Niveaus die Aktien nicht mehr günstig kauft und sich jederzeit Rückschläge ereignen können. An den Anleihemärkten, insbesondere im Euroraum, sollte sich langsam wieder die Aktivität der EZB bemerkbar machen. Allerdings werden auch hier die Investoren viel vorsichtiger agieren, wenn die Preise zu stark steigen. Zudem kann hier die sehr geringe Liquidität zu einer grundsätzlich höheren Volatilität führen.
Insgesamt sollten die Märkte zunächst noch etwas unruhig sein, bis sich die Investoren in dem neuen Umfeld wieder sicherer fühlen und sich die Korrelationen wieder als belastbar erweisen. Dann kann man auch wieder mit steigenden Kursen rechnen. Trotzdem dürften wir uns dem Ende der Hausse nähern, denn die meisten großen Korrekturen wurden durch eine Straffung der Notenbankpolitik ausgelöst. Dieses Mal könnte der Auslöser die zunehmende Unwirksamkeit der Notenbankpolitik sein beziehungsweise ein Ende der ultra-lockeren Geldpolitik im Laufe des nächsten Jahres. Bis Ende des Jahres kann man aber zunächst noch einmal Kursgewinne erwarten.