Aktien "Defensive Dividendentitel haben ihren Zenit erreicht"

Konjunkturoptimisten setzen jetzt auf Aktien, die etwas zyklischer sind. Welche Unternehmen zu der Riege gehören und warum sie interessant sind, erläutert Fondsmanager Anko Beldsnijder vom Fondshaus Fidecum.

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Das Firmenlogo vor dem Hauptsitz der Deutschen Börse AG in Eschborn bei Frankfurt am Main (Hessen). Quelle: dpa

WirtschaftsWoche Online: Nach der Wahl in den Niederlanden, bei der der Kandidat der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) Geert Wilders nicht gewonnen hat, atmen Anleger an den Börsen auf. Trotzdem wird Europa noch immer als Krisenkontinent wahrgenommen. Schockt sie das nicht?
Herr Anko Beldsnijder: Ich stamme selbst aus den Niederlanden und freue mich, dass der gemäßigtere Kandidat gewonnen hat, aber damit sind natürlich nicht alle Probleme in Europa gelöst. Als Fondsmanager ist die politische Situation für mich ein Handicap, aber bei der Auswahl von Unternehmen eher eine Randnotiz. Weltweit sind die Wirtschaftsdaten in Ordnung, die Arbeitslosigkeit sinkt und die Einkaufsmanagerindizes stimmen weiterhin optimistisch. Die Aktien sind im Schnitt an den europäischen Börsen im Vergleich zu den USA gemessen am Verhältnis aus Preisen und dem Buchwert des gehaltenen Vermögens so günstig wie seit 1972 nicht mehr. Es gibt Unsicherheiten, aber die scheinen bereits in den Kursen enthalten zu sein. Deshalb fällt es mir schwer, pessimistisch zu sein, weil ich vor allem Wachstumsaktien günstig kaufen kann. Ich weiß, dass es heutzutage besser ankommt, wenn man schwarzmalt und sagt, man müsse sehr vorsichtig sein. Aber ich sehe auch viel Positives. Auch die Unternehmen tendieren zum Optimismus. 

Vita

Sie investieren in wachstumsstarke Unternehmen. Was bedeutet das?
Der Kapitalmarkt soll zwischen Unternehmen und Investoren vermitteln, die das Wachstum der Unternehmen finanzieren. Für den Fidecum avant-garde Stock Fund suchen wir gezielt in Europa nach Unternehmen, die ein hohes und stabiles Gewinnwachstum mit einer günstigen Börsenbewertung vereinen. Jahrelang waren diese sogenannten Wachstumsaktien, die unter dem Begriff Growth-Aktien zusammengefasst werden, nicht besonders gefragt.

Es standen immer die Qualitätsaktien im Vordergrund, also Unternehmen mit hohen Dividendenzahlungen, soliden Bilanzen, aber meist geringem Wachstum. Wir schauen nicht nach Dividendenzahlern, sondern nach Unternehmen, die Gewinne auch in weiteres Wachstum investieren. Aber an jeder Form von Wachstum gab es in Europa eben große Zweifel. Anleger hatten deshalb gute Gründe, stärker auf Sicherheit zu setzen: also auf Staatsanleihen und Qualitätsaktien.

Es gibt große politische Unsicherheiten, niedrige Zinsen und ein eher mageres Wachstum in Europa. Das spricht doch noch immer für eine vorsichtige Strategie und Dividenden?
Ich denke aber, dass das Gewinnwachstum künftig wichtiger wird und der neue Zins ist. Die Aktienauswahl und das Gewinnwachstum gewinnen an Bedeutung. Die defensiven Dividendentitel haben ihren Zenit erreicht, sie werden in Zukunft keine überdurchschnittlichen Renditen mehr bieten, weil sie oft teuer sind und nur ein sehr geringes Wachstum liefern. Mussten Anleger für solide europäische Dividendenaktien im Jahr 2009 im Schnitt nur das Neunfache eines Jahresgewinns zahlen, kosten sie jetzt das 22-Fache.

Der belgische Getränkehersteller AB Inbev meldete einen Gewinnrückgang, Danone und Nestlé schwörten Aktionäre auf ein niedrigeres Wachstum ein. Doch dafür sind die Aktien einfach zu teuer. Nachdem die Anleihen-Renditen im vergangenen Sommer den Tiefpunkt erreicht hatten und die Zinsen nicht weiter fallen, wird es für diese fast schon anleihe-artigen Aktien schwieriger. Anleger, die Anleihen durch diese Aktien ersetzt haben, griffen bei den Papieren zu, bei denen sie ihr Geld am schnellsten über Dividenden oder Aktienrückkäufe zurückbekommen. Aber das ist nicht unsere Strategie.

Die Märkte für Geduldige
Wo lässt es sich am besten nach Rendite fischen?Zwischen 1900 und Ende 2016 gewannen die Aktienmärkte weltweit im Schnitt 5,1 Prozent pro Jahr, die Inflation herausgerechnet. Zu diesem Ergebnis kommt die Credit Suisse in ihrem „Global Investment Returns Yearbook“ 2017, das im Februar veröffentlicht wurde. Für die Berechnung stützt sich die Schweizer Bank auf die Daten der Professoren Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton von der London Business School. Der Datensatz erfasst die Performance von 70.000 Börsentagen und vergleicht die Aktienmärkte aus 21 Ländern. Wer trotzte den Krisen der vergangenen Jahrzehnte besonders gut? Ein Überblick. Quelle: dpa
Österreich Quelle: Wiener Börse
Italien Quelle: REUTERS
Belgien Quelle: Fotolia
Frankreich Quelle: REUTERS
Deutschland Quelle: dpa
Portugal Quelle: dpa

Was kosten denn die Aktien, die Sie im Portfolio des Fidecum avant-garde Stock Fund halten?
Die rund 50 Unternehmen kosten im Schnitt das 14-Fache der für dieses Jahr erwarteten Gewinne und wachsen im Durchschnitt über 15 Prozent. Sie sind so attraktiv bewertet, wie in den letzten 25 Jahren nicht mehr. Angeblich ist schon sehr viel Unsicherheit in den Kursen eingepreist. Qualität bieten mir diese Aktien auch, aber bei der Aktienauswahl achten wir besonders auf transparentes und vorhersehbares Wachstum, das durch besondere Innovationen getrieben wird. Das Management muss uns überzeugen, solide Bilanzen sind wichtig, genauso wie eine attraktive Bewertung für das erwartete Wachstum.

"Unser Portfolio ist aber sehr gemischt."

Eine Growth- oder Wachstumsstrategie klingt so, als stecke im Portfolio viel Technologie.
Unser Portfolio ist aber sehr gemischt. Wir haben schon seit längerem die Halbleiterunternehmen ASM International und ST Microelectronics im Depot. Diese sind zwar stark gestiegen, aber ihre Gewinne auch und deshalb sind die Kurs-Gewinn-Verhältnisse nach wie vor attraktiv.

Eine der günstigeren Aktien in unserem Portfolio ist Pandora mit einem KGV von 13. Die Dänen produzieren hochwertigen Silber- und Gold-Modeschmuck in Thailand. In Frankreich und Italien wachsen die Umsätze momentan jährlich um 30 Prozent, in Australien hat Pandora bereits einen Marktanteil am Schmuckgeschäft von acht Prozent, in China ist das Wachstum erst am Anfang. Sie haben eine klare Strategie, um weitere Märkte zu durchdringen. Sie bieten ein Gewinnwachstum von über 15 Prozent und die Gewinnmargen vor Steuern sind doppelt so hoch wie bei den Luxusriesen LVMH oder Richemont. Das 2017er KGV für LVMH ist 22 und für Richemont sogar 31. Da braucht man kein Statistikstudium, um zu sehen, welche Aktie attraktiver ist.

Die Kursraketen seit der Finanzkrise

Wir haben auch Basic Fit im Portfolio. Das ist quasi der Aldi unter den Sportstudio-Betreibern mit Monatsbeiträgen von unter 20 Euro. In seiner Heimat Niederlande hat das Unternehmen einen Marktanteil von 25 Prozent, wächst aber auch in Frankreich sehr schnell mit einem hoch standardisierten und schlanken Betrieb. Sie brauchen in Frankreich nur 1200 Mitglieder, damit ein Studio profitabel ist und das haben sie manchmal schon nach zwei Monaten erreicht. Eine Dividende zahlt Basic Fit nicht und finanziert das Wachstum aus dem operativen Cashflow.

Wir mögen Biotech-Aktien nicht, wenn es nur Wetten auf einzelne Produkte sind. Aber den dänischen Krebsforscher Genmab halten wir wegen seiner überzeugenden Technologieplattform für Blutkrebs und andere Krebsarten. Auf dem Markt ist bereits das Produkt Darzalex mit über einer Milliarde US Dollar Umsatz und dieser wird weiter stark steigen. Der Vertrieb und die Forschung laufen durch die Zusammenarbeit mit dem Pharmamulti Johnson&Johnson sehr gut.

Das runderneuerte Portfolio von Warren Buffett

Sie setzen auch auf Banken und Versicherungen, was spricht für die?
Lange Zeit war es gut keine Finanzwerte im Portfolio zu haben. Aber wenn die Zinsen nicht weiter fallen und die Margen weniger unter Druck sind, die Regulierung nicht weiter zunimmt und die Wirtschaft wächst, sollte man nicht vergessen, dass Banken zyklisch sind. Die Bewertungen sind nach wie vor günstig und das Gewinnwachstum beschleunigt sich. Im Finanzbereich sind die Nationale Nederlanden-Group (NN) und der niederländische Versicherer ASR attraktiv bewertet. Sie haben einen hohen freien Cashflow. Und wenn die Zinsen steigen, dann verdient man mit beiden sicherlich mehr als zum Beispiel mit einer deutschen Staatsanleihe. Die Kursvolatilität nehme ich gerne in Kauf. Beide Unternehmen haben eine hohe Dividendenrendite um die fünf Prozent und kosten Anleger nur neun Mal den Jahresgewinn. Das sind für mich interessante Werte, bei denen man vor einem Börsencrash wenig Angst haben muss.

Wo gab es bei den gewählten Aktien Enttäuschungen?
Im Portfolio steckt auch United Internet, deren Aktie 2016 schlecht abgeschnitten hat. Telekommunikationsaktien insgesamt waren schwach und die Abschreibung auf die Beteiligung an Rocket Internet war sicherlich nicht hilfreich, in einem Sektor, in dem das Sentiment ohnehin schlecht ist.

Wie stehen Sie zu Börsengängen?
Eine Börse ist dazu da, dass Unternehmen, die Kapital benötigen, es dort aufnehmen können, um zu wachsen. Wenn ich mir das nicht anschauen würde, dann würde ich damit quasi sagen, dass ich den Aktienmarkt für Quatsch halte. Aber es kommt vieles aufs Parkett, was man nicht braucht und wo nur die früheren Eigentümer Geld kassieren wollen. Uns fehlen bei Neulingen oft die langfristigen Wachstumsperspektiven. Aber wenn stark wachsende Unternehmen an die Börse gehen, dann schauen wir uns das natürlich an. 

Künftig sollen Fonds den Wertpapierbrokern für deren Aktienanalysen vielleicht extra Geld bezahlen. Sind sie dazu bereit?
Es gibt eine neue Regulierung wonach Aktienresearch und Orderausführung getrennt bezahlt werden müssen. Wir warten erst einmal ab, ob die Suppe so heiß gegessen wird, wie sie gekocht worden ist. Die Effizienz und Transparenz des Kapitalmarktes würde das enorm verschlechtern, es bietet zwar aktiven Anlegern mehr Raum, wenn Informationen nicht mehr so weit verbreitet werden, aber wenn manches gar nicht mehr von Analysten untersucht wird, dann ist das insgesamt schlecht.

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