Aktien der Ölproduzenten Big Oil - jetzt wird abgeschrieben

Der niedrige Ölpreis reißt Milliardenlöcher in die Bilanzen der Ölkonzerne. Welche Multis trotzdem einen Blick wert sind und von welchen Aktien Anleger lieber die Finger lassen.

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Diese unbekannten Multis überschwemmen die Welt mit Öl
Die staatliche saudische Ölfirma Aramco Quelle: REUTERS
Russland: Rosneft Quelle: REUTERS
Wladimir Putin und Rosneft-Vorstand Setschin Quelle: REUTERS
Sinopec steht für China Petroleum and Chemical Corporation Quelle: dpa
China: Sinopec Quelle: REUTERS
Venezuelas PDVSA ist das größte Erdölunternehmen Lateinamerikas Quelle: Reuters
Venezuela: PDVSA Quelle: REUTERS

Schlechte Nachrichten für den norwegischen Finanzminister: Der Energiekonzern Statoil leidet unter den niedrigen Ölpreisen und lässt dafür jetzt auch die Aktionäre bluten. In diesem und dem kommenden Jahr dürfen sie statt einer Bardividende alternativ Aktien des Unternehmens wählen. Was wie ein nettes Zusatzangebot klingt, ist in Wahrheit ein Akt der Verzweiflung: Statoil will irgendwie gleichzeitig die Geldreserven schonen und dennoch die Dividende nicht senken. Genug Gründe für eine Senkung gäbe es: Am Donnerstag gab der Konzern bekannt, dass der Umsatz 2015 um mehr als ein Drittel gefallen ist. Statoil machte 4,7 Milliarden Dollar Verlust, nachdem es im Vorjahr noch 3,5 Milliarden verdient hatte. Das Unternehmen gehört zu zwei Dritteln dem Staat Norwegen. Und wenn es blöd läuft, bekommt der demnächst 15,4 Milliarden Kronen (etwa 1,6 Milliarden Euro) weniger Dividende von Statoil überwiesen als noch 2014.

Schwere Zeiten für Ölanleger

Der Ölpreis fällt inzwischen seit gut anderthalb Jahren mehr oder weniger rasant und immer drastischer schlägt das auch auf die Bilanzen Ölmultis durch. Am Donnerstag präsentierte neben Statoil auch die britisch-niederländische Shell ihre Jahreszahlen – und die sahen nicht viel besser aus.

Börsenbeben für die Ölmultis

Der Umsatz bei Shell sank um knapp 40 Prozent, der Gewinn brach noch dramatischer um fast 90 Prozent auf 1,9 Milliarden Dollar ein. Pro Aktie bleiben nach 2,36 Dollar im Vorjahr diesmal nur 30 US-Cent. Schuld ist natürlich der niedrige Ölpreis – aber auch die Unternehmen selbst. Denn dass der Gewinn etwa bei Shell oder Statoil so heftig einbrach, lag nur zum Teil daran, dass das Unternehmen weniger Geld für das geförderte Öl bekam und dadurch der operative Gewinn kleiner wurde.

Abschreibungen drücken das Ergebnis

Satte 7,4 Milliarden Dollar Verlust entstanden, weil Shell im dritten Quartal außerplanmäßig abschreiben musste. Denn der Wert etwa der Öl- und Gasreserven in den Bilanzen der Konzerne hängt vom Ölpreis ab. Fällt der, sinkt auch der Wert des Unternehmensvermögens. Unternehmen müssen diesen Wert also berichtigen, wenn er nicht mehr stimmig ist. Viele Ölmultis hatten sich allerdings in der Hoffnung auf höhere Preise lange davor gedrückt. Das mussten Shell und Statoil nun angesichts des weiteren Preisverfalls nachholen – und einen Minigewinn respektive einen Verlust ausweisen.

Trotzdem ist Shell bei Analysten die beliebteste Ölaktie: 18 von 27 raten zum Kauf, nur zwei zum Verkauf. Wer sich den Chart der Briten anschaut, ahnt, warum: Die Aktie wurde deutlicher heruntergeprügelt als alle Konkurrenten, aktuell ist Shell an der Börse weniger wert als die Summe seiner Einzelteile. Für einen Euro Unternehmensvermögen zahlen Anleger 82 Cent. So billig ist kein anderer westlicher Ölkonzern. Auch die Dividendenrendite erscheint mit über sieben Prozent äußerst attraktiv. Der Spottpreis hat allerdings auch seine Gründe: Shell hat im vergangenen April bekannt gegeben, den Flüssiggas-Konzern BG zu übernehmen – für 47 Milliarden Pfund (etwa 61 Milliarden Euro). Der Kauf lässt die Schulden steigen und belastet daher die Bilanz.

Außerdem ist unsicher, ob tatsächlich die erhofften Synergien erzielt werden können oder die Elefantenhochzeit erstmal nur weitere Kosten verursacht. Die Börse jedenfalls ist skeptisch: Seit der Deal bekannt gegeben wurde, sackte der Shell-Anteilsschein dramatisch ab. Trotzdem kostet die Aktie noch den 74-fachen Nettogewinn der vergangenen zwölf Monate. Das ist eigentlich viel zu teuer, relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass dafür auch die oben erwähnte Riesen-Abschreibung verantwortlich ist. Dieser Effekt sollte sich im laufenden Jahr zwar nicht wiederholen. Dennoch taugt die Aktie nur für spekulative Naturen.

BP leidet noch immer unter Bohrinsel-Explosion

Konservativer geht es bei BP zu, jedenfalls beim Abschreiben: Die Briten reagierten schon Ende 2014 auf den niedrigen Ölpreis und ließen fast acht Milliarden Dollar Luft aus der Bilanz. Deshalb kamen sie in diesem Jahr mit geradezu bescheidenen 2,8 Milliarden für Abschreibungen davon. Doch auch das konnte das Geschäftsjahr nicht retten: Die Briten verbuchten 6,5 Milliarden Dollar Verlust. Dem Konzern macht noch immer der Untergang der Ölplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko vor knapp sechs Jahren zu schaffen. BP zahlte allein 2015 etwa zwölf Milliarden Dollar für die Folgen der Ölkatastrophe, insgesamt bisher sogar 55 Milliarden. Das lastet auf den Gewinnen und dem Aktienkurs. Anleger lassen besser die Finger vom BP-Papier.

Ordentlich werden hingegen wahrscheinlich die Zahlen beim vierten großen europäischen Ölkonzern Total ausfallen. Die Franzosen präsentieren ihr Zahlenwerk am kommenden Donnerstag. Wie BP haben auch sie schon 2014 in der Bilanz aufgeräumt und Milliardenbeträge unter anderem auf Ölfelder in Kanada, US-Gasvorkommen und die Raffineriesparte in Europa abgeschrieben. Der Lohn: 2015 sollte der Gewinn trotz des niedrigen Ölpreises sogar deutlich zulegen – auf 9,2 Milliarden Dollar. Für konservative Anleger ist die Aktie mit hoher Ausschüttung (etwa sechs Prozent Bruttorendite) einen Blick wert. Sie war in den vergangenen zehn Jahren nervenschonend und schwankte nie besonders stark.

Dreiklang aus Feuern, Kürzen und Verkaufen

Zum guten Jahresergebnis 2015 hat bei Total auch beigetragen, dass das Unternehmen - wie die gesamte Branche - radikal auf die Kostenbremse tritt. Bis 2017 soll jeder Achte der momentan rund 100.000 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, im Ölfördergeschäft hat Total Neueinstellungen gestoppt. Außerdem reduziert der Konzern die jährlichen Investitionen und verkauft Randgeschäfte.

Wer vom billigen Öl profitiert – und wer verliert
Jemand arbeitet an einer Tragfläche eines Flugzeugs Quelle: PR
Autos Quelle: AP
Jemand greift nach Körperpflegeprodukten in einem Regal Quelle: REUTERS
Containerschiff Quelle: dpa
Lastwagen der Deutschen Post Quelle: dpa
Packungen mit Medikamenten Quelle: dpa
Anlage mit Tank, auf dem BASF steht Quelle: dpa

Zum Beispiel ging die Klebstoffsparte des Konzerns Anfang 2015 im Chemieunternehmen Arkema auf. Mit dem Dreiklang aus Einsparungen, Investitionsstopp und Verkäufen wollen die Konzerne den niedrigeren Ölpreis meistern. Außerdem helfen höhere Erträge in der Ölverarbeitung und dem Verkauf („Downstream“), die Verluste in der Ölförderung („Upstream“) auszugleichen. Bislang gelingt das so gut, dass alle Ölmultis operativ (also ohne Sonderabschreibungen) weiter profitabel arbeiten.

Amerikaner besonders getroffen

Das gilt auch für die beiden größten US-Ölfirmen Exxon und Chevron. Gerade Chevron leidet unter dem Ölpreisverfall, weil das Unternehmen relativ viel Umsatz im US-Schieferölgeschäft macht. Das ist in der Förderung im Vergleich zu saudischem oder russischen Öl sehr teuer und war schon 2015 für Chevron nicht mehr profitabel. Gut zwei Milliarden Dollar verbrannte der Konzern dort, fürs kommende Jahr rechnen die Analysten von JP Morgan sogar mit 3,5 Milliarden Verlust im US-Fördergeschäft. Dass die Chevron-Aktie trotzdem zu den Analysten-Lieblingen zählt, liegt daran, dass das Unternehmen im laufenden Jahr Flüssiggas-Vorkommen in Australien und Angola erschließen soll, denen Analysten viel zutrauen.

Weil die Aktie aber schon jetzt den 35-fachen Nettogewinn der vergangenen zwölf Monate kostet und für 2016 sogar ein Verlust erwartet wird, bleiben wir skeptisch, zumal Chevron für Euro-Anleger ein Währungsrisiko beinhaltet. Konkurrent ExxonMobil kommt bei den Analysten schlecht weg, ist aufgrund seiner breiten Aufstellung mit großer Chemiesparte aber wenig krisenanfällig. Der US-Gigant ist der größte börsennotierte Energiekonzern der Welt und erwirtschaftete auch in den vergangenen Quartalen stets solide Gewinne. Allerdings machen die Probleme beim US-Fördergeschäft auch vor Exxon nicht halt: In den USA verlor der Konzern pro gefördertem Barrel Öl gut sechs Dollar, wie Analysten von JP Morgan vorrechnen. Für die Aktie spricht das solide Geschäft und die Finanzstärke des Konzerns. Minuspunkte gibt es für die im Branchenvergleich maue Dividendenrendite (drei Prozent).

Kurzfristig pfui, langfristig hui?

Fazit: Der fallende Ölpreis ist für die Unternehmen der Branche schmerzhaft. In der aktuellen und – bei einem konstant niedrigen Ölpreis um 30 Dollar je Barrel - auch in der kommenden Berichtssaison drohen weitere Abschreibungen und Verluste.

Langfristig sollten sich die Konzerne jedoch dank Kosteneinsparungen auch mit niedrigeren Ölpreisen arrangieren können – wenn auch nicht mit so niedrigen wie im Moment. Vorsichtige Anleger warten deshalb bei Engagements in Ölaktien eine nachhaltige Konsolidierung des Ölpreises oberhalb der Marke von 50 Dollar ab. Alternative: Jetzt eine kleine erste Position aufbauen und dann in mehreren Schritten nachkaufen.

 

 

 

 

 

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