Aktien mit Heimvorteil Anleger, kauft deutsch!

Anlagerisiken aus dem Ausland gibt es reichlich: Trump-Protektionismus, Brexit, geopolitische Konflikte. Wertpapiere von Unternehmen, die in Deutschland Geschäfte machen, sind nicht nur sicher, sondern auch lukrativ.

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Aktien mit deutschem Potenzial. Quelle: Getty Images

Reus und Aubameyang gehen gut, dann kommt erst mal lange nichts“, sagt Angelika, die ihren vollständigen Namen lieber „nicht in der Zeitung lesen möchte“. Mit dem Namen von Marco Reus, der Mittelfeldgranate des Fußballbundesligisten Borussia Dortmund (BVB), hat Angelika gerade erst ein Kindertrikot für eine stolze Mutter beflockt, wie es im Fachjargon heißt. Gerne genommen wird auch das Jersey von Pierre-Emerick Aubameyang, dem Stürmerstar des BVB.

Trikots zu beflocken, das ist Angelikas täglicher Job hier im BVB-Fanshop. Nicht irgendein Fanlädchen, sondern ein in den Vereinsfarben Schwarz-Gelb getauchtes Prunkstück im größten Shoppingcenter Europas. Das steht nicht in Paris, Hamburg oder Rom, sondern mitten im Ruhrgebiet, aber auch nicht in, sondern drei Städte weg von Dortmund: in Oberhausen.

Hier, im Centro mit seinen über 220 Geschäften, fängt der BVB nicht nur den klassischen Fan ein, sondern Kundschaft aus aller Welt. Jeder 20. Besucher des Centro reist beispielsweise aus den Niederlanden an. Bei Krawatten für 39,95 oder einem Radio für 299 Euro dürfte ordentlich was hängenbleiben für den BVB.

So nutzen Anleger den Heimvorteil

Der hegt und pflegt zwar seine schwarz-gelbe Vereinstümelei, ist aber auch ein knallharter Wirtschaftsbetrieb. Ein Mittelständler mit zuletzt 376 Millionen Euro Jahresumsatz, börsennotiert sogar, inzwischen gewinnträchtig und dividendenfähig. Dass die Aktie nach langer Talfahrt interessant ist und der Kurs kräftig zulegt, hat damit zu tun; aber auch damit, dass die Geschäfte des BVB sich völlig unabhängig von politischer Unbill entwickeln, von einem US-Präsidenten Donald Trump etwa oder einem drohenden Rechtsruck in Frankreich.

Fast doppelt so stark wie der Dax

Das BVB-Papier ist damit geeignet für Anleger, die nicht darauf wetten wollen, was eine US-Importsteuer bedeuten oder welchen Schaden ein möglicher Protektionswettlauf nach sich ziehen könnte. Sollte aber das dramatische Szenario eines Euro-Austritts Frankreichs Realität werden, wie ihn die Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen im Falle eines Sieges an die Wand gemalt hat, dann käme spätestens ein Konzept voll zum Tragen, das die WirtschaftsWoche schon einmal, auf dem Höhepunkt der Euro-Krise, vorgestellt hat: in deutsche Aktien zu investieren, die den Großteil ihrer Erlöse hierzulande erzielen.

Die Märkte für Geduldige
Wo lässt es sich am besten nach Rendite fischen?Zwischen 1900 und Ende 2016 gewannen die Aktienmärkte weltweit im Schnitt 5,1 Prozent pro Jahr, die Inflation herausgerechnet. Zu diesem Ergebnis kommt die Credit Suisse in ihrem „Global Investment Returns Yearbook“ 2017, das im Februar veröffentlicht wurde. Für die Berechnung stützt sich die Schweizer Bank auf die Daten der Professoren Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton von der London Business School. Der Datensatz erfasst die Performance von 70.000 Börsentagen und vergleicht die Aktienmärkte aus 21 Ländern. Wer trotzte den Krisen der vergangenen Jahrzehnte besonders gut? Ein Überblick. Quelle: dpa
Österreich Quelle: Wiener Börse
Italien Quelle: REUTERS
Belgien Quelle: Fotolia
Frankreich Quelle: REUTERS
Deutschland Quelle: dpa
Portugal Quelle: dpa

Diese Strategie hat sich mehr als bewährt. Von den zehn vorgestellten Aktien vom Softwareunternehmen Atoss über Gefrierspezialist Frosta bis hin zum Netzwerk Xing liegt keine im Minus. Im Durchschnitt legten binnen gut fünf Jahren ihre Kurse um 155 Prozent zu, während der exportorientierte und daher eher auslandslastige Dax mit 81 Prozent nur gut die Hälfte schaffte. Anleger, die dem ewigen Werbemantra der Finanzindustrie folgten und weltweit ihre Aktien streuten, schafften sogar nur einen vergleichsweise kümmerlichen Zuwachs von 64 Prozent, gemessen am Weltaktienindex MSCI World – Dividenden jeweils nicht mitgerechnet.

Ein starker Fokus auf heimische Werte mit starkem Geschäft in Deutschland sollte sich weiterhin lohnen, auch wenn nicht gleich alle 14 Aktien, die die WirtschaftsWoche aus dem Kurszettel gefiltert hat, stante pede ein Kauf sind. Ihr gemeinsames Merkmal: Sie erzielen wenigstens 70 Prozent ihres Umsatzes in Deutschland. Um mit ausgewählten Werten Rendite einzufahren, dafür muss nicht gleich Le Pen Paris erobern, den Euro verlassen und den Franc wieder einführen, was gleichzeitig diesseits des Rheins wohl die Renaissance der D-Mark einleiten würde. Ohnehin müssten sich Anleger dann auf einen Crash einstellen. Zwar könnte die starke D-Mark Anleger in deutsche Aktien locken. Doch insbesondere der Dax mit seinen international orientierten Gesellschaften dürfte erst einmal abstürzen.

Schutz vor Le-Pen-Crash und US-Zöllen

Realistischer als ein Sieg Le Pens sind US-Zölle. Solche Einfuhrhürden in die USA würden beispielsweise die Autobauer und -zulieferer belasten. Schon greifbar sind offenbar geringere Preise für Medikamente in den USA, zumindest gemessen an jüngsten Verlautbarungen des neuen US-Präsidenten. „Ich arbeite an einem neuen System, wo es Wettbewerb in der Pharmaindustrie geben wird“, twitterte Trump vergangene Woche. „Die Preise für das amerikanische Volk werden deutlich purzeln.“

So viel schütten die Dax-Unternehmen aus

Die Finanzmärkte reagierten prompt auf die Ankündigung. So fielen Aktien von Medikamentenherstellern wie AstraZeneca, GlaxoSmithKline oder Pfizer um bis zu zwei Prozent, Pharmaanleger verloren binnen Stunden mehrere Milliarden.

Unbeeindruckt davon ziehen die Kurse heimstarker Papiere ihre Kreise. Optiker-Marktführer Fielmann etwa dürfte – Trump hin oder Le Pen her – weiter Brillen ohne Verlust verkaufen, der SAP-Dienstleister All for One Steeb sollte uneingeschränkt in der Softwareberatung unterwegs sein, und der Erfolg von ProSiebenSat.1 hängt mehr von Joko und Klaas, Elton, den „Simpsons“ und Blockbuster-Filmen ab als von Einlassungen des neuen US-Präsidenten.

Zudem spielt allen Anlegern mit Heimatvorteil in die Hände, dass deutsche Unternehmen nach dem Brexit-Votum noch mehr in den Blick internationaler Finanzinvestoren gerückt sind. Im vergangenen Jahr kauften Beteiligungsgesellschaften für rund 25 Milliarden Euro in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu und gaben damit gut 80 Prozent mehr für Firmenübernahmen aus als 2015. Das sagen neueste Daten der Beratungsfirmen PwC und Bain Capital. In ganz Europa stagnierte das Volumen dagegen.

Um den hessischen Arzneimittelhersteller Stada buhlen derzeit mehrere Finanzinvestoren (Private Equity), der Kurs liegt deshalb um fast die Hälfte höher als noch im November. Der Roboterhersteller Kuka ist schon teuer nach China gewandert, selbst Dax-Konzerne wie aktuell Linde stehen im Übernahme- und Fusionsfokus. „Es kommen viele neue Investoren nach Deutschland. Wenn Sie heute ein Unternehmen für 300 Millionen Euro verkaufen wollen, schauen sich das 50 Private-Equity-Firmen an – vor zehn Jahren waren es vielleicht 20“, so Ken Oliver Fritz, Deutschland-Co-Chef der Investmentbank Lazard.

Deutsche mögen Gold, halten aber am Sparbuch fest
Fragt man die Deutschen nach attraktiven Anlageformen, sind sie sich weitgehend einig: Das Eigenheim, die betriebliche Altersvorsorge und Gold. Trotzdem setzt das Gros immer noch auf renditearme Sparbücher, Tages- und Festgeldkonten, wie das Investmentbarometer der GfK zeigt. Hier erfahren Sie, wie groß die Diskrepanz zwischen Einschätzung und Umsetzung ausfällt.Zur Studie: Seit 1999 untersucht das GfK-Investmentbarometer, wie sich Privatanleger in den USA und Europa verhalten. Für die aktuelle Studie haben die Konsumforscher im November 2016 in Deutschland, den USA, Italien, Frankreich und Großbritannien rund 5000 Menschen danach befragt, welche Finanzanlagen die Menschen besitzen und wie attraktiv sie verschiedene Sparmöglichkeiten und Finanzprodukte finden. Allein in Deutschland wurden 2000 Menschen befragt. Quelle: dpa
Rang 1: ImmobilienDie attraktivste Form der Geldanlage ist für die Deutschen die eigene Immobilie. 76 Prozent der Befragten gaben an, dass Investitionen in eine private Wohnung oder ein Haus attraktiv oder sehr attraktiv seien. De facto haben hierzulande aber nur 46 Prozent ihr Geld in eine Immobilie investiert. Auch für die Franzosen, Italiener und Briten sind Immobilien die attraktivste Form der Geldanlage. Quelle: dpa
Rang 2: Betriebliche AltersvorsorgeUm sich auf dem Altenteil nicht auf die gesetzliche Rente verlassen zu müssen, sorgen Millionen Bundesbürger vor. Die beliebteste Form: die betriebliche Altersvorsorge, auf die seit 2002 jeder Arbeitnehmer qua Gesetz Anspruch hat. Arbeitnehmer können einen Teil ihres Gehalts oder Sonderzahlungen als Beiträge in ihre betriebliche Altersvorsorge einzahlen. Der Arbeitgeber wiederum legt diesen Betrag für die Arbeitnehmer an – der Arbeitnehmer spart zudem Steuern und Sozialabgaben. 42 Prozent der Befragten gab an, die betriebliche Altersvorsorge für attraktiv oder sehr attraktiv zu halten. Die Realität zeigt: Aktuell nutzt sie nicht einmal jeder Fünfte. Nur 18 Prozent sind es. Quelle: obs
Rang 3: GoldGold gilt vor allem in unsicheren Zeiten als sichere Anlageform. 38 Prozent der Deutschen finden es als Anlageform attraktiv. Allerdings sind es nur 6 Prozent, die ihr Geld wirklich in Gold anlegen – nirgendwo ist die Diskrepanz zwischen Ideal und Realität so groß. Quelle: REUTERS
Rang 4: BausparvertragDer Bausparvertrag ist insbesondere bei den Deutschen beliebt – was laut den Autoren das Bedürfnis der Deutschen nach sicheren Anlagen unterstreicht. 32 Prozent geben an, Bausparen attraktiv oder sehr attraktiv zu finden – und 29 Prozent legen ihr Geld auch wirklich so an. Quelle: dpa
Rang 5: Private RentenversicherungDie private Rentenversicherung sagt immerhin 28 Prozent der Deutschen als Form der Geldanlage zu. 21 Prozent der Befragten sorgen tatsächlich privat für ihre Rente vor. Quelle: dpa
Rang 6: Private KapitallebensversicherungDie private Kapitallebensversicherung ist eine Kombination aus Kapitalaufbau und Hinterbliebenenschutz. 21 Prozent der Befragten empfindet sie als eine attraktive Geldanlage – genauso viele legen einen Teil ihres Geldes auch dort an. Quelle: dpa

Der Grund: Institutionelle Investoren wollen dem Niedrigzins entfliehen und üben deshalb Druck auf die Beteiligungsgesellschaften aus, die mit ihrem Geld mehr als ein, zwei Prozent verdienen sollen. Versicherer, Pensionskassen und die Superreichen haben der Beteiligungsbranche eine Menge Geld anvertraut, mit dem sie über den Kauf und Weiterverkauf hohe Renditen erzielen sollen – weltweit gab es für diese Geschäfte allein im vergangenen Jahr fast 600 Milliarden an frischen Dollar. „Wir investieren sehr gerne in Deutschland“, verriet David Rubenstein gerade dem „Handelsblatt“.

Rubenstein steht dem Finanzinvestor-Riesen Carlyle vor, der sich gerade anschickt, über vier Jahre 100 Milliarden Dollar bei Anlegern einzuwerben. Alleine wohlgemerkt. Das würde die massiven Mittel, die die Branche ohnehin schon aufgetürmt hat, noch einmal steigern. Bain schätzt, dass Private-Equity-Fonds noch rund 500 Milliarden Dollar für Aufkäufe in der Hinterhand haben.

Mit nur 0,1 Prozent davon könnten internationale Finanzhaie den BVB kaufen. Doch darauf zu spekulieren, das wäre sinnlos. Denn noch verbieten die Vereinsregularien des Deutschen Fußball-Bundes eine Übernahme. So muss auch Angelika keinen Arbeitgeberwechsel befürchten. Denn die Fan-Shop-Verkäuferin ist nicht beim Centro Oberhausen angestellt, sondern „direkt beim BVB-Marketing“, wie sie sagt – nicht ohne Stolz.

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