Aktien unter Druck Schwieriges Jahr für Europas Stahlkocher

Die Schuldenkrise drückt die Nachfrage, der Stahlpreis ist abgestürzt, die Aktien sind schwach: Für Europas Stahlkonzerne zeichnet sich ein schwieriges Jahr ab. Salzgitter macht mit einer Gewinnwarnung nur den Anfang. Wo könnte sich ein Einstieg in der Branche bald lohnen?

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Schmelzer in einem Werk der Salzgitter AG: Die Gewinnwarnung des MDax-Konzerns steht stellvertretend für die Probleme der europäischen Stahlindustrie. Quelle: dapd

Eine Meldung wie die von Salzgitter bestraft der Markt sofort. Nach einer Gewinnwarnung für den Stahlbereich des zweitgrößten deutschen Stahlherstellers rutschte die Aktie am Mittwoch zeitweise mehr als 7,5 Prozent ab. Seine Umsatzprognose bestätigte der Konzern - doch das interessierte die Anleger offenbar nicht.

Salzgitter macht damit wohl nur den Anfang. Denn Europas Stahlindustrie steht unter Druck. Die Unsicherheit ist groß: Angesichts der Krise stornieren Kunden Bestellungen und leeren erst ihre Lager. So bleiben sie nicht auf tonnenweise Stahl sitzen, falls sich die Konjunkturaussichten noch weiter verschlechtern. "Wir erwarten noch weitere Gewinnwarnungen", sagt ein Branchenkenner.

Die Schuldenkrise ist nur eines von vielen Problemen, die der Stahlindustrie zu schaffen machen. Eines der größten ist der niedrige Stahlpreis. Innerhalb eines Jahres hat sich der Börsenpreis für eine Tonne Stahl auf knapp mehr als 300 Euro mehr als halbiert. Demgegenüber stehen hohe Rohstoffpreise, die die Stahlhersteller nur schlecht an ihre Kunden weiterreichen können. "Viele Unternehmen können beim aktuellen Preisniveau nur schwer profitabel arbeiten", sagt Dirk Schlamp, Stahlanalyst der DZ Bank. Weltmarktführer ArcelorMittal hat deswegen angekündigt, im Lauf des Jahres seine Preise um 20 bis 30 Euro zu erhöhen.

Deutliche Überkapazitäten

Doch das dürfte schwierig werden, wenn nicht die ganze Branche mitzieht und die Kunden wieder mehr Stahl nachfragen. "Das Nachfrageniveau liegt noch immer rund 20 Prozent unter dem von 2007", sagt Schlamp. Womit ein weiteres Problem deutlich wird: Für die niedrigen Preise sind auch zu hohe Kapazitäten verantwortlich. Die Europäer könnten viel mehr Stahl herstellen, als gebraucht wird. Vor wenigen Wochen hatte Wolfgang Eder, Chef des österreichischen Stahlkonzerns Voestalpine und Präsident des europäischen Branchenverbandes Eurofer, erklärt, die massive Unterauslastung der Kapazitäten in Europa führe zu zerstörerischen Preiskriegen.

ArcelorMittal hat bereits reagiert und sieben seiner 25 Hochöfen in Europa stillgelegt, berichtete die Deutschland-Ausgabe des Wallstreet-Journals vor wenigen Tagen. Zwei weitere Hochöfen sollen folgen. Auch Tata Steel, Nummer zwei in Europa, schließt einen seiner Hochöfen vorübergehend. Zugleich haben beide Konzerne Preiserhöhungen angekündigt, um die steigenden Fixkosten pro Tonne erzeugtem Stahl auszugleichen. "Es ist die Frage, ob Preiserhöhungen überhaupt durchzusetzen sind", sagt Holger Fechner, Analyst bei der Nord/LB. Wenn höhere Preise in Aussicht seien, "sollten die Kunden jetzt zuschlagen. Anscheinend ist aber die Unsicherheit zu groß", sagt er.

Wann könnte sich ein Einstieg lohnen?

Genauso groß ist die Unsicherheit bei den Anlegern. Bis auf Tata Steel haben die größten europäischen Stahlkonzerne seit Jahresbeginn alle an Börsenwert eingebüßt. Die ThyssenKrupp-Aktie verlor unter anderem wegen Schwierigkeiten mit dem Werk in Brasilien mehr als 35 Prozent an Wert. Etwas besser, wenn auch mit Verlust, stehen die Aktien von Salzgitter und Klöckner & Co. da.

Aus solchen Kursabschlägen ergeben sich häufig Gelegenheiten zum Einstieg. "Sobald sich die Konjunktur erholt, könnten Stahlaktien zu attraktiven Preisen zu haben sein", sagt Fechner. Das sollten Aktienkäufer genau beobachten: Sollten die Aussichten für die Stahlhersteller im Herbst wieder besser werden, wie es einige Analysten erwarten, könnten gerade die deutschen Titel attraktiv sein. bei ThyssenKrupp hängt auch viel davon ab, ob der Konzern einen guten Preis für sein Amerika-Geschäft Steel Americas erzielen kann. "Dann wäre die Aktie günstig bewertet", sagt Fechner, der ThyssenKrupp mit "halten" eingestuft hat.

So schnell werden die Probleme indes nicht zu lösen sein. Bei Preiserhöhungen muss die gesamte Branche mitziehen, da sich sonst billigere Importe aus Russland und China zum Problem werden können. Die Überkapazitäten abzubauen ist teuer und dauert. Und auf zu viele Faktoren, etwa die Rohstoffpreise, haben die Stahlhersteller genau wie Anleger keinen Einfluss. Und Dirk Schlamp mahnt vor allem wegen der Krise zur Zurückhaltung: "Wann sich der Markt erholt, hängt wesentlich davon ab, wie schnell sich Europa wieder belebt."

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