Freunde regionaler Anlagestrategien mögen ins Feld führen, dass das Wirtschaftswachstum regional stark unterschiedlich ausfallen kann – und in anderen Regionen der Erde jenseits der USA und Europas auch deutlich höher ist. Beispiel dafür sind Schwellenländer wie Indien und China.
„Bei den Aktienmärkten sehe ich momentan keine Region, die besonders zu bevorzugen wäre. Es gibt nur ein kollektives Bewusstsein unter Investoren, dass man Aktien haben muss, weil die Konjunkturaussichten insgesamt auf Sicht der nächsten sechs Monate positiv sind“, sagt Harald Preißler. „Das hat sich zuletzt auch für die USA bestätigt. Wir haben überall auf der Welt starke monetäre Stimuli – auch in China, Japan, Europa. Alle Märkte haben derzeit die Notenbanken als Schutzmacht hinter sich. Deshalb sehe ich keinen klaren Favoriten. Ein starkes Argument dafür, einzelne Länder oder Regionen stärker zu gewichten, sehe ich momentan nicht.“
Risiken im Blick behalten
In allen wichtigen Anlageregionen haben sich die Aktienmärkte zuletzt gut entwickelt. Damit steigt auch die Gefahr, dass es bald zu deutlichen Rückschlägen kommen könnte. Fondsmanager monieren etwa, dass die Gefahr einer Aktienmanie zunimmt. Nach der Kreditblase in China wird diese Befürchtung an zweiter Stelle genannt. Geopolitische Risiken stehen auf den Angst-Liste erst an dritter Stelle.
Anzeichen für zu viel Euphorie im Markt ist zum Beispiel die wieder steigende Zahl an Börsengängen, mit denen Unternehmen ihre Aktien zu sehr ehrgeizigen Bewertungen an der Börse platzieren, und die dennoch reißenden Absatz finden. Die Papiere des Kamera-Herstellers GoPro verdoppelten ihren Wert in nur vier Tagen nach dem Börsengang. Und das bevorstehende Debüt des chinesischen Internetkonzerns Alibaba an der Wall Street schickt sich an, der größte Börsengang aller Zeiten zu werden - mit einer Unternehmensbewertung von mehr als 200 Milliarden Dollar.
Mit Börsenbewertungen, die sich zusehends von der Entwicklung der Unternehmensgewinne abkoppeln, steigen die Rückschlaggefahren. Die Kurse reagieren mitunter auf kleine Wachstumsdämpfer mit starken Kursabschlägen. „Aus unserer Sicht geht das Wachstum einer Volkswirtschaft nicht zwingend einher mit einem Wachstum der Unternehmensgewinne“, ist sich Philipp Vorndran sicher. „Klassischer Fall ist China: Angesichts der Wachstumsdynamik Chinas in den vergangenen Jahren hätten die Kurse in Shanghai durch die Decke gehen müssen. Das war aber nicht der Fall, da der chinesischen Regierung Faktoren wie Arbeitsplatzsicherheit schlussendlich wichtiger sind als Unternehmensrenditen – vom Thema Corporate Governance mal ganz zu schweigen.“
Brummende Märkte als Verkaufsargument
Eine Investition in eine Wachstumsregion ist immer ein starkes Argument für Fondsanbieter und Anlageberater. Wenn Anleger zu einem Wechsel der Anlageregion gedrängt werden, sollten sie aber skeptisch bleiben. Denn meist lohnt sich ein Umschichten zugunsten einer anderen Anlageregion nicht. „Wir sind davon überzeugt, dass wirklich vergleichbare Unternehmen in Bezug auf Qualität und den Sektor rund um die Welt vergleichbar bewertet sind“, sagt etwa Kapitalmarktstratege Vorndran. „Für smarte Investoren spielt es eigentlich keine Rolle mehr, ob es in den USA, der Schweiz oder Japan zu Hause ist. Das wird von sehr vielen Analysen zu den Anlageregionen einfach verdrängt.“
Außerdem sollten sich Anleger laut Vorndran immer daran erinnern, welchen Zweck die Analysen der großen Investmentbanken zu verschiedenen Anlageregionen verfolgen. „Sie sollen zuallererst Geschäft generieren und Transaktionsgebühren auslösen, was auch völlig in Ordnung ist. In vielen großen Kapitalsammelstellen gibt es außerdem auch immer noch historisch gewachsene regional orientierte Strukturen. Ein Asien-Team, ein Europa-Team, ein USA-Team und so weiter – oft verteilt auf Niederlassungen weltweit, etwa in Frankfurt, New York, Tokio und Hongkong. Eigentlich müssten diese Strukturen in einer globalen Welt in reine Branchen- oder pure Stockpicking-Teams umorganisiert werden“, ist Vorndran überzeugt.