Aktienempfehlungen Die Prognosemärchen der Analysten

Aktienanalysen von Banken und Research-Häusern tun so, als wüssten sie, wohin sich ein Aktienkurs bewegt. Aber das können und wollen sie eigentlich gar nicht. Was Analystenprognosen wirklich taugen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Analysten beeindrucken mit klaren Aktienempfehlungen und erreichbaren Kurszielen. Leider liegen sie meist daneben. Quelle: dpa, Montage

Analystenschätzungen können durchaus Kurse bewegen – vor allem, wenn das Unternehmen, deren Aktien von Analysten unter die Lupe genommen werden, die Erwartungen übertrifft oder verfehlt. Für Commerzbank-Aktionäre waren die Fehleinschätzungen der Analysten zuletzt erfreulich: Als die Commerzbank am vergangenen Donnerstag ihre Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr präsentierte und nach langer Durststrecke endlich wieder einen Gewinn von 78 Millionen Euro ausweisen konnte, kletterte der Aktienkurs am gleichen Handelstag um mehr als vier Prozent. Angesichts der massiven Probleme und Herausforderungen, denen sich Banken im Allgemeinen und die zweitgrößte deutsche Privatbank im Besonderen gegenübersehen, hatte die Mehrheit der Analysten mit einem Verlust gerechnet.

Analysten-Berichte und -empfehlungen zu Aktien sind bei privaten wie institutionellen Anlegern sehr gefragt. Die Analysten beleuchten die Einflussfaktoren auf die Aktienkurse von allen Seiten, analysieren Geschäftszahlen, stellen die Planung des Managements auf den Prüfstand, sprechen mit den Vorständen und rechnen mit komplexen finanzmathematischen Modellen ihre eigene Geschäftsprognose, um am Ende zu einer Empfehlung zu gelangen: Kaufen, Halten oder Verkaufen? Ein guter Analyst knüpft dabei sein Urteil immer auch an ein Kursziel für die Aktie.

Empfehlungen sind meist Verkaufshilfe

Das Problem: die ausgegebenen Kursziele werden nur sehr selten von den Experten richtig prognostiziert. Können Anleger also auf Analystenempfehlungen setzen? Welchen Nutzen haben Anleger von Analystenprognosen – oder wem nutzen sie sonst? „Da viele Analysen bei Banken in den vergangenen Jahren als Marketing-Instrument eingesetzt wurden, sehen wir die meisten Studien kritisch“, sagt etwa Robert Bauer vom unabhängigen Vermögensverwalter Packenius Mademann + Partner. „Kursziel und Anlageempfehlungen betrachten wir eher als Verkaufshilfe in der Anlageberatung.“

Tatsächlich herrscht in der Finanzbranche weitgehend Einigkeit darüber, dass Analysten mit ihren Prognosen oft daneben liegen. „Etliche unabhängige Studien zu Analystenschätzungen bestätigen, dass konkrete Aktienanalysen eine äußerst geringe Treffsicherheit besitzen“, sagt Ingo Theismann von der Vermögensverwaltung Consulting Team. „So liegen die Gewinnschätzungen für analysierte Unternehmen auf Jahressicht im Schnitt um 30 Prozent sowohl positiv wie negativ daneben. Damit ist die eigentlich wichtigste Größe zur Beurteilung einer Aktie auf kurze Sicht schon fast eine Zufallsschätzung und damit wenig bis gar nicht brauchbar für eine konkrete Anlageentscheidung.“

"Jeder Investor sollte kritisch hinterfragen"

Sogar in der Analystenzunft selbst wird das so gesehen. Dirk Schilling, Finance-Professor aus Worms und Dozent beim Analystenausbilder CFA Society Germany, einem Ableger des „Chartered Financial Analyst Institute" aus den USA, hält die Analystenarbeit dennoch für sinnvoll, auch wenn Kurzziele oftmals nicht wie prognostiziert einträfen. „Aktienanalysen sind insgesamt für Investoren hilfreich, weil Analysten als Informationsintermediäre Anhaltspunkte für die weitere Entwicklung eines Unternehmens liefern, die Vorzüge und Nachteile eines Investments herausarbeiten und umfangreiche Daten verdichten und aufbereiten“, sagt Schilling. „Jeder Anleger sollte sich mit den Analysen auseinandersetzen – aber sie auch kritisch hinterfragen.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%