Kuriose Börsenpannen
Fast 45 Minuten konnten am 29. Oktober 2013 an der US-Börse Nasdaq einige Indexstände nicht übermittelt werden. Wegen der fehlenden Daten wurde der Optionshandel vorübergehend ausgesetzt. Als Grund für die Panne nannte der Betreiber menschliches Versagen: Durch einen Bedienfehler seien Störungen in der Datenübertragung entstanden.
Wegen technischer Probleme hat die Derivate-Börse Eurex den Handel am Morgen des 26.8.2013 vorübergehend gestoppt. "Die Aussetzung wurde durch eine fehlerhafte Zeit-Synchronisierung im System verursacht", teilte die Tochter der Deutschen Börse mit. Aus diesem Grund sei der Handel zwischen 08:20 und 09:20 Uhr (MESZ) angehalten und sämtliche Produkte auf den Stand vor Börseneröffnung zurückgesetzt worden.
Eine technische Panne hat die US-Technologiebörse Nasdaq am 22. August 2013 für mehrere Stunden lahmgelegt. Grund für den Knock out sei ein Softwareproblem gewesen, teilte der Börsenbetreiber Nasdaq OMX mit. Die Übermittlung von Kursdaten an die New Yorker Börse an der Wall Street war offenbar zusammengebrochen. Auch der Optionshandel wurde bis auf weiteres ausgesetzt. Erst nach rund dreistündiger Zwangspause konnte die Börse den Handel mit den Papieren von Technologiefirmen wie Apple, Facebook, Microsoft oder Google wiederaufnehmen. Die Nasdaq rechnet aber bisher nicht mit Schadenersatz- oder Haftungsansprüchen.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs hat am 21. August 2013 versehentlich eine riesige Menge von Optionsgeschäften getätigt. Die irrtümlichen Orders wurden kurz nach Handelseröffnung aufgegeben und betrafen Optionen auf Aktien, deren Börsensymbole mit den Buchstaben H bis L beginnen. Eine mit den Problemen vertraute Person, die nicht namentlich genannt werden wollte, führte die fehlerhaften Aufträge auf eine Computerpanne zurück. Diese habe dazu geführt, dass bloße Interessensbekundungen an den Optionen irrtümlich als Orders an die Handelsplätze versandt worden seien. Möglicherweise drohe Goldman Sachs ein Verlust in Millionenhöhe.
Ein Aktienhändler der UBS handelte durch Eingabe zu vieler Nullen im Januar 1999 innerhalb von zwei Minuten zehn Millionen Aktien der Pharmafirma Roche, von den aber überhaupt nur sieben Millionen Stück existierten. Das Handelsvolumen überstieg die Marktkapitalisierung von Roche um knapp die Hälfte. Den Verkauf versuchte er durch eigene Kauforders rückgängig zu machen. 2001 verkaufte ein Händler der Investmentbank Lehman Brothers aus Versehen immer hundertmal mehr Aktien als er wollte – vor allem von Schwergewichten wie AstraZeneca und BP – und vernichtete so zeitweise 30 Milliarden Pfund an Börsenwert.
Im Dezember 2001 begleitete UBS Warburg den Verkauf neuer Aktien des japanischen Unternehmens Dentsu. Ein Händler vertippte sich und verkaufte statt 16 Dentsu-Aktien zu 600.000 Yen gleich 610.000 Aktien zu 6 Yen an. Schnell verkaufte die UBS so 64.915 Aktien, was etwa der Hälfte des Emissionsvolumens entspricht. Die UBS verlor so 100 Millionen Dollar, weil sie die Aktien selbst zum Marktpreis kaufen musste, um die Käufer mit den Papieren zu versorgen.
Ein Händler von Bear Stearns verkaufte im Oktober 2002 Aktien für vier Milliarden Dollar anstelle von vier Millionen. Bevor der Vertipper auffiel, gingen bereits Wertpapiere im Wert vom 600 Millionen Dollar an neue Besitzer. Der Leitindex Dow Jones sank dadurch um 2,3 Prozent.
Der Hochfrequenzhandel war für den "Flash Crash" an der Wall Street verantwortlich, als sich im Mai 2010 durch einen blitzartigen Kurseinbruch aus heiterem Himmel binnen Minuten fast eine Billion Dollar Marktwert in Luft auflöste. Einige Aktien verloren in der kurzen Zeitspanne rund die Hälfte ihres Wertes. Schon davor hatte es Kritik gegeben an den immer schnelleren Börsengeschäften über Computersysteme. Beim sogenannten Hochfrequenzhandel werden tausende Transaktionen binnen Millisekunden durch Computer ausgelöst.
Ende Juni 2010 fielen die Aktien der Citigroup nach Massenverkäufen durch elektronische Handelssysteme zeitweise um17 Prozent. Da die US-Börsenaufsicht SEC nach dem „Flash Crash im Mai zuvor beschlossen hatte, Aktien aus dem Index S&P 500 vom Handel auszusetzen, sofern diese innerhalb von fünf Minuten mehr als zehn Prozent fallen oder steigen, stoppte diese Sicherungssystem den Kursrutsch. Fünf Minuten stoppte der Handel, dann beruhigte sich die Lage. Den Handelstag beendete die Citigroup-Aktie sieben Prozent im Minus.
Noch vor Facebook gab es einen weiteren verpatzten Börsengang: Die Erstnotiz der drittgrößten US-Börse BATS Global Markets Ende März 2012 endete mit einem Totalschaden. Die Aktien sollten auf der eigenen Handelsplattform ihr Börsendebüt feiern, aber die neuen BATS-Aktien sackten binnen Minuten von 16 Dollar auf unter einen Cent. Als Schuldige wurde eine neue Software ausgemacht. BATS musste falschen Transaktionen zurücknehmen - und nahm die eigenen Aktien nach dem peinlichen Vorfall gleich mit von der Börse.
Als das 900 Millionen Nutzer starke Social-Media-Portal im Mai 2012 den Sprung an die Börse wagte, bekam die Erfolgsstory deutliche Risse. Nach gravierenden Pannen im Handelssystem der Technologiebörse Nasdaq in New York stürzte der Kurs des Börsenneulings rapide in die Tiefe. Beteiligte Firmen erlitten hohe Millionen-Verluste, etliche fordern von der Nasdaq Schadenersatz. Die Schweizer Großbank UBS, die beim Facebook-Börsengang 349 Millionen Franken (290 Millionen Euro) verlor, drohte bereits mit einer Klage gegen die Börse.
Am 31. Juli 2012 versetzte eine fehlerhafte Handelssoftware versetzte Wertpapierhändler und Anleger an der Wall Street in Aufruhr: In den ersten 45 Minuten des Handelstages verzeichneten rund 150 Aktientitel so hohe Umsätze wie sonst an einem ganzen Tag. Die Folge waren heftige Preisschwankungen, und fünf Aktien mussten sogar ganz aus dem Handel genommen werden. Das Börsenhandelshaus Knight Capital räumte ein, Probleme mit seinen computergestützten Systemen seien dafür verantwortlich. Ein neues Handelsprogramm hatte die Börse mit fehlerhaften Handelsaufträgen geflutet. Knight Capital verbuchte durch die viel zu teuer gekauften Aktien einen Verlust von rund 440 Millionen Dollar.
Kurz nach dem Handelsstart im April 2014 an der Technologiebörse Nasdaq schossen die Aktien des Lebensmittelherstellers Kraft Foods binnen einer Minute um satte 30 Prozent nach oben, von 45 auf mehr als 58 Dollar. Die Nasdaq verneinte Probleme mit ihrer Handelsplattform und machte einen Börsenmakler als Verursacher aus. Laut "Financial Times" hatte ein Handelsprogramm irrtümlich versucht, 30.000 Kraft-Aktien binnen kürzester Zeit zu ordern. Die Nasdaq und andere betroffene Börsen erklärten nach einer Untersuchung der Kursbewegungen die fragwürdigen Transaktionen oberhalb eines Kurses von 47,82 Dollar für ungültig. Der Fehler ereignete sich nur einen Tag, nachdem Kraft Foods sich aufgespalten und sein Geschäft mit Snacks außerhalb der USA unter dem Namen Mondelez International als eigenständige Aktie an die Nasdaq gebracht hatte.
Kaum mehr Glück als Knight hatte die US-Handelsplattform Bats Ende März. Ihr Börsengang (IPO) auf dem eigenen System ging als kürzester IPO in die Geschichte ein, nachdem der Aktienkurs binnen 900 Millisekunden von gut 15 Dollar auf unter 30 Cent gefallen war. Die Plattform musste den Börsengang rückgängig machen.
Seitdem machen Gerüchte die Runde, dass es sich bei der Panne nicht bloß um einen Programmierfehler handelte, wie Bats sagt. Eine genaue Betrachtung der Handelsdaten zeige einen anderen Sachverhalt, sagte Bundesbanker Nagel Anfang Juli in einer Rede. Bei Bats liege „der Schluss nahe, dass es ein speziell zum Zwecke der IPO-Störung eingesetzter Algorithmus gewesen sein könnte, der den Börsengang“ kollabieren ließ. Bats bestreitet dies, Beweise haben die Aufsichtsbehörden nicht.
Große Datenmengen verhindern Überwachung
Während die Händler weiter aufrüsten, kommen die Aufseher kaum hinterher. Allein über die Eurex etwa generieren Trader pro Minute bis zu 300 000 Datensätze. Will die Aufsicht Missstände nachverfolgen, kann sie sich gleich einen Tieflader mit Ausdrucken von Handelsdaten kommen lassen. So sieht die Finanzaufsicht BaFin vor allem „große Datenmengen“ als „eine der aktuellen Herausforderungen bei der Überwachung von Marktmanipulation“.
Bundesbanker Nagel gibt zu, dass es Regulierer „lange Zeit versäumt“ hätten, sich mit den Fortschritten der Branche zu befassen: „Während Hochfrequenzhändler bereits die Schwelle vom Millisekunden- zum Mikrosekundenbereich unterschritten, diskutierten Behörden und Kommissionen noch um eine juristische Definition.“ Im Prinzip galt der Flash Crash – der blitzartige Absturz – in den USA im Mai 2010 als Startschuss für die Aufseher der Welt. Damals verlor der Leitindex Dow Jones binnen Minuten fast 1000 Punkte. Ein Fonds warf binnen 20 Minuten Terminkontrakte im Wert von gigantischen 4,1 Milliarden Dollar auf den Markt. Die Maschinen der Blitz-Trader entdeckten den großen Auftrag und dealten mit. Die SEC brauchte anschließend Monate, um wenige Minuten Handelsdaten auszuwerten.
Börsen im extremen Fall stoppen
Heute gelten Hochfrequenzhändler zwar nicht immer als Verursacher, zumindest aber als Verstärker heftiger Schwankungen. So gibt es zum Beispiel Algorithmen, die gezielt nach Papieren suchen, die stärker als normal steigen. Sie springen auf den Trend auf, kaufen ebenfalls und bleiben so lange im Markt, bis der Kurs in die andere Richtung dreht. In extremen Fällen stoppen die Börsen den Handel, um menschlichen Börsianern ein paar Minuten Zeit zu geben, außer Rand und Band gelaufene Maschinen zu zähmen. So hielt die Deutsche Börse am 3. August insgesamt 313 Mal ihre Maschinen an, weil der Dax an einem Tag fast 260 Punkte zulegte.
Die Bundesregierung stufte blitzschnelle Computer-Trader jetzt erstmals öffentlich als Bedrohung ein, die es zu regulieren gilt. Sie hat einen Gesetzentwurf „zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel“ veröffentlicht, der am Mittwoch dieser Woche durchs Bundeskabinett soll.
Einige Praktiken sollen danach künftig als Marktmanipulation gelten. Bestraft werden sollen alle, die nicht die Absicht haben, tatsächlich zu handeln, sondern ihre Aufträge nur einstellen, um Börsensysteme zu stören, zu verzögern oder andere Börsianer zu täuschen.