Aktienhandel Wie Privatanleger ausgetrickst werden

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Privatanleger haben das Nachsehen

Hochfrequenz-Algorithmen kennen die Regeln und können sich durch blitzschnelles Aktualisieren der eigenen Preise ständig in der Börsen-Schlange vordrängen. Die Orders der Privatanleger rutschen nach hinten, sie müssen teurer kaufen und billiger verkaufen. „Für Hochfrequenzhändler sind die Orders von Privatanlegern besonders interessant, denn diese Anleger sind entweder nicht so gut informiert, oder es ist ihnen gleichgültig, wenn ein paar Cent verloren gehen“, sagt Christopher Boschan, Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse in Stuttgart.

Besonders benachteiligt sieht Bundesbanker Nagel Anteilseigner von Aktienfonds. Anleger könnten „finanzielle Einbußen erleiden“, weil Fonds durch Hochfrequenzhändler Nachteile hätten – etwa dann, wenn diese teurer kaufen, weil Algorithmen ihre Orders entdeckt und vor ihnen gekauft haben.

Wertverluste ohne Grund

Auch Privatanleger, die Aktien mit automatischen Stop-Loss-Marken absichern, bei deren Durchbrechen die Bank automatisch verkauft, leben zunehmend gefährlicher. Das Risiko nimmt zu, dass ein Anleger bei einem kurzen, heftigen Einbruch zu billig verkauft und bei der folgenden Kurserholung nicht mehr investiert ist.

So berichtete Bundesbanker Nagel kürzlich vom Phänomen der „Mini-Flash-Crashes“. Einzelne Papiere würden dabei „ohne fundamentale Begründung innerhalb von Sekunden 20, 40 oder gar mehr als 50 Prozent ihres Wertes verlieren, nur um sich kurze Zeit später wieder zu erholen“. Laut US-Aufsicht SEC sei es in den USA seit Mitte 2010 zu mehr als 100 unerklärlichen Abstürzen gekommen. Als Ursache stünden Hochfrequenz-Algorithmen unter Verdacht. „Aber auch in Deutschland gibt es Fälle von plötzlichen heftigen Kursschwankungen, die ohne offensichtliche fundamentale Gründe erfolgen“, sagt Nagel.

In der Schweiz applaudiert das automatisierte Handelssystem jetzt ausnahmsweise mal nicht – dafür läutet eine Alarmsirene am Computer, dessen acht Bildschirme einer von Da Vincis Mitarbeitern überwacht. Hobby-Leichtathlet Klein schiebt seine Kaffeetasse mit der Deutschland-Flagge zur Seite und sprintet aus dem Nebenraum los. Nicht immer läuft bei frisch programmierten Algorithmen alles rund, ab und an muss Klein persönlich eingreifen und den „Stop-Button“ drücken. So kann er mit einem Klick alle Papiere auf einmal verkaufen und in unklaren Börsenlagen Risiko reduzieren. „Trading ohne Verluste gibt es nicht, manchmal verdrückt sich zum Beispiel jemand anders und dann schießen die Kurse plötzlich in eine unerwartete Richtung“, sagt Klein.

Geschwindigkeit ist nicht immer besser

In den USA löste Anfang August ein fehlerhaft programmierter Rechner ein Chaos an der Börse aus. Maschinen des US-Aktien- und Hochfrequenzhändlers Knight Capital machten sich selbstständig, eine neue Handelssoftware überflutete die New Yorker Börse mit Kaufaufträgen. Betroffen waren Aktien von über 100 Unternehmen, manche Kurse verdoppelten sich. Erst nach 45 Minuten wurde die Ursache entdeckt, sodass Mitarbeiter die Maschinen stoppen konnten. Knight musste die Aktien mit Verlust losschlagen – vor Steuern 440 Millionen Dollar – und konnte nur dank einer 400-Millionen-Kapitalspritze einer Investorengruppe am Leben gehalten werden. Nyse-Euronext-Chef Duncan Niederauer sah die Fast-Pleite als Aufruf zum Handeln: „Jetzt verstehen wir, dass Geschwindigkeit nicht immer besser ist.“

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