Aktienkultur Das Trauma der Telekom-Aktionäre

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Ohne Aktien keine vernünftige Vorsorge

Auch ein geringes Aktienangebot verprellt Anleger. Dabei ist ohne Aktien zumindest die Chance auf vernünftige Vorsorge vertan. Laut Bundesbank legte das Geldvermögen der Deutschen im zweiten Quartal 2016 auf 5,4 Billionen Euro zwar zu, aber das ist nur ein Plus von schlappen 0,8 Prozent. Gerade einmal 6,5 Prozent dieses Vermögens sind laut Bundesbank in Aktien investiert, mit Aktienfonds sind es auch nur 15 Prozent. Die Gesamtrendite des Gesamtvermögens liegt hierzulande aktuell bei mauen 2,8 Prozent.

In Frankreich und den Niederlanden etwa, die unter demselben niedrigen Zinsregime der Europäischen Zentralbank investieren, liegt sie bei 3,6 und 7,2 Prozent; Amerikaner schaffen derzeit 6,8 Prozent Rendite. Der Grund: Franzosen halten mit 14 Prozent immerhin gut das Doppelte ihres Vermögens direkt in Aktien, in den USA sind es 38 Prozent.

Ironischerweise hat sogar der Niedrigzins nicht zur Folge, dass die über ein bis zwei Dekaden höchstwahrscheinlich ertragreiche Aktienanlage hierzulande viel mehr Anhänger gewinnt. So hat die EZB-Niedrigzinspolitik einer aktuellen Umfrage von Ende Oktober zufolge bei den deutschen Sparern zu einem höheren Sicherheitsbedürfnis bei ihren Investments geführt. 57 Prozent der Befragten nennen laut Vermögensbarometer 2016 des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) Sicherheit als eines der drei wichtigsten Kriterien bei der Anlage ihrer Gelder. Das sind 14 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Das sind die wichtigsten Akteure auf dem Börsenparkett
Fondsmanager Quelle: Getty Images
Der Daytrader Quelle: Getty Images
Der Händler Quelle: dpa
Der Spezialist Quelle: dpa
Der Analyst Quelle: dpa
Der Hobby-Börsianer Quelle: Getty Images
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Hohe Rendite als Anlagekriterium sackte ab: Nur noch 22 Prozent nach 27 Prozent der Befragten wollen dafür ein Risiko eingehen. Kaum verwunderlich, dass nur knapp jeder achte Anleger eine Aktienanlage in Betracht zieht. Frappierend: 59 Prozent halten inzwischen die selbst genutzte Immobilie für besonders geeignet. Vor der Finanzkrise 2007 waren es nur 27 Prozent. Das ist nicht nur angesichts seither rapide gestiegener Preise und zahlreicher Indizien einer sich aufbauenden Immobilienblase erstaunlich, sondern auch, weil eine Immobilieninvestition um ein Vielfaches komplexer ist als der Kauf von ein paar Siemens- oder Apple-Aktien.

Das Vertrauen der Menschen, mit ihren Sparanstrengungen für das Alter vorsorgen zu können, bröckle immer mehr, so das allgemeine Fazit der Studie.

Wer nun denkt, bei deutschen Profianlegern sei Geld besser angelegt, der irrt. Nahezu zeitgleich zum DSGV hatte die Investment & Pensions Europe Vereinigung Großanleger befragt. Ergebnis: Deutsche Profiinvestoren agieren deutlich risikoaverser, also ängstlicher, als institutionelle Anleger aus den Niederlanden, Großbritannien oder Skandinavien. Im Ergebnis bevorzugten deutsche Profis Zinsanlagen, ganz ähnlich dem Privatanleger.

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Concentra-Fonds: Werbung aus den 50er Jahren
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Das aber setzt eine Spirale nach unten in Sachen Aktienbesitz in Gang: Profis und Privatanleger, die keine Aktien kaufen, benötigen keine Aktienberatung oder Aktienresearch. Banken ziehen sich deswegen teilweise oder ganz zurück. „Der politische Wille fehlt, man fragt sich aber, wie ohne Aktienrendite mit festverzinslichen, nahe null verzinsten Wertpapieren die Altersvorsorgelücke geschlossen werden kann“, sagt DAI-Chefin Bortenlänger.

Der Staat könnte aber was machen. Er hält noch 1.495.963.589 Aktien an der Telekom. Das sind 32 Prozent. Jeder deutsche Bürger könnte 18 Papiere erhalten. Geschenkt, Totalverlust ausgeschlossen, Renditeperspektive besser als 1996.

Irgendwie verdient wäre das schon.

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