Aktienmärkte Angst vor der Sorglosigkeit

Die Rekordjagd an den Börsen geht weiter. Und die Anleger bleiben optimistisch. Sie sehen kaum noch Risiken, zeigen Stimmungsbarometer. Manche Banken warnen bereits sorglose Investoren vor einem Spiel mit dem Feuer.

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Frankfurt Die Zukunft erscheint an den Aktienbörsen momentan rosarot. Anleger an der Wall Street erwarten zum Beispiel so geringe Schwankungen wie zuletzt vor knapp einem Vierteljahrhundert. Das zeigt das regelmäßig berechnete sogenannte Angstbarometer. Ähnliche Barometer für die europäischen Märkte und für die deutsche Börse liegen ebenfalls auf historisch tiefem Niveau.

Die Angstbarometer heißen in der Finanzsprache Volatilitätsindizes. Sie kalkulieren die erwarteten künftigen Schwankungen von Aktien-Indizes wie dem US-amerikanischen S&P 500, dem europäischen EuroStoxx 50 oder dem deutschen Leitindex Dax. Berechnungsgrundlage sind jeweils die Optionspreise für die Indizes, die die Anlegererwartungen an die Zukunft abbilden.

Tiefe Volatilitätsindizes bedeuten, dass die Anleger auf absehbare Zeit keine großen Schwankungen und damit insbesondere keine großen Verluste erwarten. Die Aussage bezieht sich dabei auf kurzfristige Optionen, es werden also nur die nächsten Handelswochen berücksichtigt. Trotz dieser Einschränkung erfreuen sich die Angstbarometer großer Aufmerksamkeit. Bei der Deutung ihrer Daten gehen die Meinungen allerdings auseinander.

Einige Experten beunruhigt der grassierende Optimismus der Anleger. So warnt die Citi-Bank nun mit Blick auf die eigenen Haus berechneten Indizes vor der anhaltenden Sorglosigkeit. Diese hätte ein Niveau erreicht, auf das in der Vergangenheit meist ein Kursverfall an den Anleihe- und Aktienmärkten gefolgt sei. Tatsächlich lagen die Indizes häufig ausgerechnet kurz vor dem Platzen einer Börsenblase und einem darauffolgenden Absturz bei besonders niedrigen – also optimistischen – Werten.


Die Politik hat großen Einfluss

Andere Beobachter sind weniger skeptisch. Analyst Robert Rethfeld von Wellenreiter-Invest weist darauf hin, dass die Angstbarometer durchaus lange Zeit tief bleiben können, ganz ohne verborgene Risiken. Sehr niedrige Volatilitäten müssten nicht bedeuten, dass die Anleger zu sorglos auftreten, – und seien auch nicht zwingend Vorboten eines nahenden Einbruchs.

Fachleute erklären die aktuelle Sorglosigkeit nach der achtjähriger Aktienhausse mit verschiedenen Faktoren: Die Erfahrung des sehr langen Aufschwunges nähre die Hoffnung auf einen auch in Zukunft anhaltenden Aufwärtstrend. Dazu komme die Erfahrung, dass zuletzt sogar starke Rückschläge – wie Anfang vergangenen Jahres – von neuen Anstiegen abgelöst worden seien.

Auch die im Vergleich zu früher relativ entspannte politische Situation unterstützt demnach die positiven Erwartungen der Anleger. So erwies sich die britische Brexit-Entscheidung trotz vorheriger Anlegersorgen nicht als Börsendesaster. Das gleiche galt für die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Im laufenden Jahr kommt aus europäischer Sicht noch die vorläufige Eindämmung des Populismus nach den Wahlen in den Niederlanden und Frankreich hinzu.

Analysten sehen jedoch nicht nur die politische Wahrnehmung der Anleger als bestimmenden Faktor. Die Zuversicht ist zuletzt auch parallel zu den verbesserten Wirtschaftsdaten in den USA und Europa angestiegen – vor allem aufgrund der anhaltend tiefen Zinsen. Zu guter Letzt vertrauen optimistische Anleger und Analysten auf die Notenbanken: Diese werden ihrer Meinung nach keine Börsenkatastrophe zulassen.

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