Die Unsicherheit an den Börsen nimmt zu. Nach einer Studie der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) haben 63 Prozent der Dax-Unternehmen im Laufe des vergangenen Jahres ihre Umsatz- oder Gewinnprognosen korrigiert. 2015 lag dieser Anteil noch bei 47 Prozent. Insgesamt kam es zu 24 Änderungen. Das ist der höchste Stand seit drei Jahren.
Die Prognosen der Unternehmen sind für Anleger deshalb so wichtig, weil sich daran auch Analysten und Fondsmanager orientieren und mit ihren Anlageempfehlungen und Käufen die Kurse bewegen. Kommt es zu Korrekturen, sind fast immer größere Kursschwankungen die Folge – mit anderen Worten: höhere Volatilität und damit höhere Risiken.
Für die aktuelle Unsicherheit gibt es mehrere Gründe. Martin Steinbach, Chef des Bereichs IPO (Neuemissionen) bei EY, macht dafür das überraschende Hin und Her bei den politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen verantwortlich: „Staatliche Eingriffe in den Markt können in einem ohnehin sehr volatilen Umfeld Prognosen schnell obsolet machen.“
Ein besonderes Risiko sieht EY derzeit im amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Einerseits könnte es zwar durch Steuersenkungen, Deregulierung und Infrastrukturinvestitionen zu einer konjunkturellen Belebung kommen; andererseits erwartet Ernst & Young etwa bei Strafzöllen für Importe deutliche Einbußen für deutsche Unternehmen. „Was wir derzeit erleben, könnte die Ruhe vor dem Sturm sein“, warnt EY-Partner Marc Förstemann.
Hochstapler werden an der Börse bestraft, Tiefstapler belohnt
Immerhin, bisher haben die Dax-Unternehmen die wacklige politische Großwetterlage gut verkraftet. Beim Brexit war es hilfreich, dass sich die britische Wirtschaft bisher erstaunlich stark entwickelt habe. Wichtige Stützen waren zudem der günstige Euro, die niedrigen Zinsen und die hohen privaten und öffentlichen Konsumausgaben.
Schlechter als erwartet: Fakten zu Gewinn- und Umsatzwarnungen
Anzahl der Gewinn- oder Umsatzwarnungen im Top-Segment der Frankfurter Börse (Prime Standard, insgesamt 306 Unternehmen)
2011: 41
2012: 52
2013: 63
2014: 73
2015: 72
2016: 67
Konjunktur/Markt: 51%
Auftrags-/Umsatzverschiebung: 15%
Sondereffekte: 11%
Restrukturierung: 9%
Wertbereinigung: 8%
Zinsniveau: 6%
-53%
(2016)
...am Tag der Gewinn- bzw. Umsatzwarnung: -6%
...eine Woche nach Gewinn- bzw. Umsatzwarnung: -7%
Analyse aller Prognoseänderungen der am 31.12.2016 im Prime All Share gelisteten Unternehmen im Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2016
Indexzugehörigkeit: DAX: 30 Unternehmen; MDAX: 50 Unternehmen; SDAX: 50 Unternehmen; TecDAX: 30 Unternehmen; übriger Prime Standard: 146 Unternehmen
Quellen: Ad-hoc- und Pressemitteilungen; Geschäfts- und Zwischenberichte
Gewinnwarnungen müssen veröffentlicht werden, wenn absehbar ist, dass das angestrebte Geschäftsergebnis voraussichtlich nicht erreicht werden kann. Das Unternehmen informiert über die Prognosekorrektur üblicherweise in einer Ad-hoc-Meldung. Die Ankündigung einer Verringerung des Gewinns wird als „Gewinnwarnung“, die einer Vergrößerung des Gewinns als „Gewinnerwartung“ bezeichnet. Entsprechendes gilt für Veränderungen der Umsatzprognose.
Ernst & Young: Prognoseänderungen im Prime All Share, Februar 2017
Auch die Statistik macht Anlegern Mut. Bei Dax-Unternehmen waren 16 von 24 Prognoseänderungen immerhin Heraufstufungen. Im Jahr davor (2015) kam es nur zu zwölf Hochstufungen. „Viele Unternehmen sind derzeit sehr vorsichtig mit ihrem Ausblick und bewerten offenbar die Risiken höher als die Chancen“, sagt EY-Kapitalmarktexperte Steinbach.