Aktienrückkauf Wie Konzerne sich für die Börse dopen

Ob Exxon, IBM oder Apple: Großkonzerne kaufen für Milliarden eigene Aktien zurück, zum Teil schuldenfinanziert. Das treibt die Kurse und nutzt den Managern – auf Kosten von Forschung und Entwicklung.

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Doping für die Börse: Großkonzerne kaufen für Milliarden eigene Aktien zurück. Quelle: Getty Images, Montage

Ein Wettrennen um die Position der Nummer eins trägt oft bizarre Züge. Rex Tillerson, Chef des weltgrößten privaten Ölförderers und lange Zeit auch wertvollsten Unternehmens der Welt, kämpfte sich auch noch in einer Nebenkategorie nach vorn: Der Chef von ExxonMobil konnte IBM in der Rolle des weltgrößten Käufers eigener Aktien ablösen.

Dazu brauchte er viel Geld, sehr viel Geld: In den fünf Jahren 2010 bis 2014 kaufte Tillerson für 85,5 Milliarden Dollar Aktien des eigenen Unternehmens an der Börse zurück (zum Vergleich: SAP, das aktuell teuerste deutsche Unternehmen, ist derzeit insgesamt 93 Milliarden Dollar wert). IBM konnte mit Tillersons Tempo nicht ganz mithalten. Über die fünf Jahre ließ sich der Techriese die Investitionen in eigene Papiere 83,8 Milliarden Dollar kosten. Das zeigt eine Auswertung der Düsseldorfer Investmentboutique Arx Value für die WirtschaftsWoche.

Wenn Unternehmen ihre eigenen Aktien kaufen und damit vom Markt nehmen, poliert das die wichtigste Börsenkennzahl auf, das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Denn durch den Rückkauf sinkt die Zahl der ausstehenden Aktien. Entsprechend steigt der Gewinn, der pro Aktie erzielt wird; das KGV sinkt, das Unternehmen erscheint günstiger bewertet, was Käufer anlockt. Zudem dürfen die neuen Anteilseigner höhere Dividenden erwarten, denn künftige Ausschüttungen verteilen sich fortan auf weniger Papiere als zuvor. Auch dies macht die Aktie attraktiver und lockt neue Käufer.

Ausgaben für Ausschüttungen und Rückkäufe der S&P-500-Unternehmen.

„Es wäre zu einfach, zu sagen, Aktienrückkäufe sind per se schlecht oder per se gut. Vielmehr hängt dies von der Solidität des Geschäftsmodells, dem vorhandenen Expansionspotenzial und somit dem Kapitalbedarf des Unternehmens ab“, sagt Christian Exner, Geschäftsführer von Arx Value. In vielen Fällen sollten Aktienrückkäufe (Buybacks) nur eine Randerscheinung sein, eine Möglichkeit, überschüssige Mittel indirekt – über steigende Kurse – an die Aktionäre zu geben. Tatsächlich aber sind sie weit verbreitet, vor allem in den USA. So steckten allein die 50 Unternehmen mit den meisten Rückkäufen über fünf Jahre fast 1100 Milliarden Dollar in eigene Aktien. Erst diese Woche verkündete der Techkonzern Oracle ein Rückkaufprogramm über zehn Milliarden Dollar.

Die Sache hat allerdings zwei Haken

- Die größten Rückkäufer haben gar nicht genügend Geld, um üppig eigene Aktien zu shoppen und auch noch Dividenden auszuschütten. Nach Berechnungen von Arx Value fehlten etwa ExxonMobil für Rückkäufe 44,4 Milliarden Dollar an freiem Cashflow. IBM, geschäftlich in den vergangenen Jahren mit erheblichen Problemen, fehlten 29 Milliarden; auch andere bekannte Namen wie Procter & Gamble oder Philip Morris schütteten über Rückkäufe und Dividende binnen fünf Jahren zweistellige Milliardenbeträge aus, die sie frei gar nicht zur Verfügung hatten. Sie verschuldeten sich dafür oder kürzten Investitionen.

- Womit das zweite Problem genannt wäre: Zum Kapitalismus gehört ja, dass ein Konzern sein Kapital nutzt, um damit zukünftige Werte zu schaffen. Indem er in Forschung investiert, in neue Geschäftsfelder oder Mitarbeiter. Dafür aber bleibt bei gigantischen Aktienrückkäufen, zumal wenn sie auf Schulden basieren, kaum Geld. Es profitieren so vor allem das gegenwärtige Management und die gegenwärtigen Aktionäre – auf Kosten der Zukunft. Bonifikation der Vorstände tritt an die Stelle von Innovation.

Aktienrückkäufe auf Pump erheblich erleichtert haben die Notenbanken. Dank der von ihnen künstlich gedrückten Zinsen ist nicht nur die Staatsverschuldung, sondern auch die Verschuldung der Unternehmen weltweit steil gestiegen, nach Daten des McKinsey Global Institute zwischen Ende 2007 und dem zweiten Quartal 2014 von 38.000 auf 56.000 Milliarden Dollar. US-Unternehmen brachten es zuletzt auf die Rekordschuld von rund 14.000 Milliarden Dollar. Ihre Verschuldung wuchs in den vergangenen Jahren zeitweise mit einer Jahresrate von gut zehn Prozent.

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