Allianz Global Investors Warum Anleger um ihre Dividende fürchten müssen

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Kein Name im Register

In einem solchen Fall müsse „die Gesellschaft die zu Unrecht ausgezahlte Dividende zurückholen“, sagt Rotter. Sonst könnte sich der Vorstand einer Pflichtverletzung schuldig machen. „Die zurückgeholte Summe müsste dann an die anderen Aktionäre ausgeschüttet werden.“ Für den Finanzinvestor Permira, dem rund 50 Prozent der Boss-Aktien gehören, wäre das lukrativ: Sein Anteil an der Dividende, die allein 16 Publikumsfonds der AGI kassiert haben, beträgt 3,5 Millionen Euro. Die genannten Fälle betreffen nur die Privatanlegerfonds. Etwa zwei Drittel der AGI-Gelder stammen aber von institutionellen Anlegern wie Versicherungen oder Pensionskassen. Die Bestände der für sie aufgelegten Fonds werden oft nicht veröffentlicht.

Diese Aktien vernichten Werte

Die AGI legt nicht einmal bei Hauptversammlungen alle Karten auf den Tisch. Viele Fondshäuser wie Union Investment kümmern sich vor Ort um die Interessen ihrer Anleger. Wie viele Aktien sie repräsentieren, lässt sich im Teilnehmerverzeichnis nachlesen – auch dann, wenn die Fondsmanager sich vertreten lassen. Nicht so die AGI. So sind ihre Fonds etwa am Pharmawert Biotest, am Softwareanbieter iFAO oder der Immobiliengesellschaft Hamborner beteiligt. Auf den Anwesenheitslisten von deren Hauptversammlungen waren sie allerdings nicht zu finden. Warum, wollte die AGI nicht erklären.

Wie groß die Stimmgewalt der AGI bei einzelnen Gesellschaften ist, bleibt also unklar. Ermittelt werden kann sie etwa von der BaFin. Auch der Vorstand des betroffenen Unternehmens kann Auskunft bei den Banken erbitten, die die Bestände verwalten. „Wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt, dass ein Aktionär gegen die Meldepflichten verstoßen hat, muss der Vorstand dem nachgehen“, sagt Andreas Cahn, Professor für Wirtschaftsrecht an der Frankfurter Goethe Universität. „Denn dann hätte er unzulässigerweise Gewinne an diesen Aktionär ausgeschüttet.“ Kümmere sich der Vorstand nicht darum, laufe er Gefahr, seine Pflichten zu verletzen.

- Schadensersatz. Falls die Fonds Dividenden zurückzahlen müssten, dürften Anlegeranwälte Gewehr bei Fuß stehen, um die AGI zu zwingen, diese Abflüsse zu erstatten. Schließlich haben nicht die Kunden, sondern die AGI nicht gemeldet.

- Stimmrechte ungültig. Über die Dividenden hinaus verlieren die AGI-Fonds unter Umständen auch ihre Stimmrechte. Hauptversammlungsbeschlüsse, die auf nicht mitgeteilten Stimmen eines Aktionärs beruhen, „können von den anderen Aktionären angefochten werden“, sagt Cahn. Entsteht der Aktiengesellschaft ein Schaden, weil etwa eine Kapitalerhöhung wegen der Verzögerung durch eine Anfechtungsklage nicht wie geplant durchgeführt werden kann, „kann der Aktionär, der seine Stimmen nicht korrekt gemeldet hat und damit für die Anfechtung und ihre Folgen verantwortlich ist, unter Umständen für die Schäden haftbar gemacht werden“.

- Nachträgliches Übernahmeangebot. An der Baumarktkette Praktiker sollen AGI-Fonds internen Gerüchten zufolge vor deren Pleite zeitweise mehr als 30 Prozent der Aktien gehalten haben. Belegen lässt sich dies nicht. Die AGI äußerte sich hierzu nicht. Stimmen die 30 Prozent, hätte sie ein Übernahmeangebot machen müssen. Dabei wären mindestens Kosten in zweistelliger Millionenhöhe entstanden. Eineinhalb Jahre vor der Pleite war Praktiker an der Börse noch 83 Millionen Euro wert.

- Konzern-Anlagepolitik. In seinem Brief warnt der AGI-Jurist auch, dass die AGI-Gesellschaften „bis hoch zur Allianz SE“ ihren Aktienbesitz konsolidiert melden müssten, wenn sie nicht unabhängig seien. Dann hätte jede AGI-Transaktion Einfluss auf die Anlagepolitik der Allianz.

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