Fast drei Stunden hatte die Hauptversammlung der britischen Barclays Bank gedauert. Drei Stunden, in denen sich Aktionäre vor allem über die Geldgier der Manager ausließen. „Wir zahlen wie Manchester United und bekommen dafür die Leistung von Colchester“ – eines Fußball-Drittligisten, schimpfte ein Aktionär.
Der Barclays-Vorstand hatte die Boni seiner Spitzenkräfte um zehn Prozent erhöht, obwohl der Gewinn der Bank 2013 um ein Drittel gefallen war. Mit 2,9 Milliarden Euro war der Bonustopf zweieinhalb mal so groß wie die Dividende an die Aktionäre.
Im Interesse ihrer Kunden würde sie gegen die Boni stimmen, sagte eine Vertreterin des Versicherers Standard Life. Ein Drittel der anwesenden Aktionäre tat es ihr gleich. Nicht so die Fondsgesellschaft Allianz Global Investors (AGI). Deren Europa-Tochter enthielt sich der Stimme.
Die wichtigsten Fondstypen im Überblick
Wie der Name schon sagt, legen diese Investmentfonds in Aktien an. Aufgrund der breiten Anlagestreuung ist ein Investment in Aktienfonds weniger risikoreich als eine Direktanlage in Einzeltitel. Aktienfonds haben spezielle Anlageschwerpunkte – etwa bestimmte Branchen, Länder, Regionen oder Anlagestile.
Dieser Investmentfonds – auch Exchange Traded Funds (kurz ETF) genannt – bildet einen Index wie beispielsweise den Dax eins zu eins nach. Die Zusammensetzung dieses Fonds verändert sich nur, wenn sich die Zusammensetzung des zugrunde liegenden Index verändert. Deshalb spricht man von einem passiven Investment. ETFs können fortlaufend über die Börse gehandelt werden. Ihre Verwaltungsgebühren sind sehr gering, Ausgabeaufschläge wie bei „aktiv“ gemanagten Fonds entfallen.
Für die kurzfristige Anlage eignen sich vor allem Geldmarktfonds. Sie investieren in Geldmarktinstrumente wie beispielsweise Festgeld und kurz laufende, festverzinsliche Wertpapiere. Die Kursschwankungen dieser Fonds sind gering, die Renditeaussichten allerdings auch.
Offene Immobilienfonds legen das Geld der Anleger in Grundstücken, Erbbaurechten und Beteiligungen an Büro- und Geschäftsimmobilien an. Anleger profitieren von den Miet- und Zinseinnahmen sowie den Wertsteigerungen der Immobilien. Die Anzahl der ausgegebenen Anteile ist anders als bei geschlossenen Immobilienfonds nicht begrenzt.
Sogenannte Lebenszyklusfonds sind im Grunde Mischfonds mit einem bestimmten Anlageziel beziehungsweise -horizont. Die Lebenszyklusfonds haben eine feste Laufzeit, gegen Ende dieses Zeitraums – das können 20, 25 oder 30 Jahre sein – schichtet das Fondsmanagement schrittweise von Aktien in Anleihen um, um das Kapital und die angefallenen Kursgewinne zu sichern.
Diese Fonds legen in Aktien und Anleihen an. Der Fondsmanager kann so in stagnierenden oder fallenden Märkten verzinsliche Wertpapiere übergewichten, bei steigenden Aktienkursen den Anlageschwerpunkt aber wieder verlagern. Das Ziel: einen höheren Ertrag als reine Rentenfonds zu erzielen und beim Risiko niedriger als bei einem Aktienfonds zu liegen. Der typische Aktienanteil liegt zwischen 30 und 70 Prozent – je nach Geschmack der Anleger.
Rentenfonds investieren ausschließlich oder überwiegend in festverzinsliche Wertpapiere wie Pfandbriefe, Kommunalobligationen oder Länder- beziehungsweise Unternehmensanleihen. Da regelmäßig Erträge in Form von Zinszahlungen anfallen, bieten Rentenfonds in der Regel stetige Erträge.
Überraschende Wende
Vor zwei Jahren war das noch anders. Da hatten die Vertreter der Europa-Gesellschaft der AGI auf den Hauptversammlungen noch Kante gezeigt und die Bonuszahlungen weltweit bei rund 60 Prozent aller Aktionärstreffen von Banken missbilligt.
2013 lehnte AGI Gehälter und Boni von Bankern nur noch in zehn Prozent der Fälle ab. Das geht aus Dokumenten zum Abstimmungsverhalten der AGI hervor. Erläutern wollte die AGI den Sinneswandel nicht, sie erklärt nur, dass Anträge zur Vergütung von ihr am häufigsten von allen Anträgen abgelehnt würden. Die Genügsamkeit der Banker kann jedenfalls nicht der Grund gewesen sein: Bei US-Banken stiegen die Boni 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent. In Europa sollten die Boni kürzlich über ein neues Gesetz gedeckelt werden. Viele Banken setzten daraufhin einfach die Fixgehälter hoch. In Deutschland verdienen um die 200 Banker mehr als eine Million Euro im Jahr. Dem obersten deutschen Bankenaufseher Raimund Röseler ist das zu viel. „Für mich ist schleierhaft, dass einer eine Million verdient und keinen wesentlichen Einfluss auf die Risikosituation der Bank hat“, sagte er Anfang des Jahres.
Der Verdacht liegt nahe, dass der Sinneswandel der AGI nicht auf ein verändertes Verhalten der Banker zurückzuführen ist, sondern der Grund bei der AGI selbst liegt. Seit 2013 bildet sich nach Informationen der WirtschaftsWoche die in Frankfurt beheimatete Europa-Gesellschaft nicht mehr allein eine Meinung darüber, welche Banker einen Bonus verdient haben. Die Prüfung hat im Wesentlichen der US-Aktionärsberater Institutional Shareholder Services, kurz ISS, übernommen. Der berät viele Investoren – Fonds, Versicherer, Pensionskassen – und schlägt denen vor, wie sie auf Hauptversammlungen abstimmen sollen. Formal richtet ISS seine Vorschläge an die Fonds zwar an den AGI-Standards aus. Die aber enthalten zu manchen Themen wenig Konkretes. So sollten Vorstände zum Beispiel Aktienoptionen bekommen, und ihre Vergütung solle sie motivieren, im Interesse der Aktionäre zu handeln, heißt es darin sinngemäß.
Wie ISS auf Basis dessen der AGI individuelle Ratschläge erteilen soll, ist schleierhaft. Dennoch machte ISS Vorschläge, und die AGI-Fonds stimmten auch fast immer so ab, wie ISS es vorschlug. ISS hat eher selten Probleme mit Banker-Boni und auch bei Barclays nur für Enthaltung plädiert. Vor dem Hintergrund erscheint der Sinneswandel der AGI nicht mehr erstaunlich.
Gesetz verlangt Engagement
Macht es sich die AGI hier zu einfach? Fest steht: Kaufen Fonds für Anleger Aktien, sollen sie die mit denen verbundenen Stimmrechte wahrnehmen. Vor Hunderten von Aktionärstreffen zu analysieren, wie am besten abzustimmen ist, kostet aber Zeit und Geld. Dass Fonds den Job an ISS abgeben, ist daher nicht unüblich.
Was läuft schief im Riesenreich der Allianz?
Die AGI hat es mit ihrem Sparsinn nur offenbar übertrieben. In einem Brief, der der WirtschaftsWoche vorliegt, warnt ein Mitarbeiter der AGI-Rechtsabteilung, gestützt auf ein vorläufiges Gutachten, dass der AGI wegen der Methode, nach der sie zu Abstimmungsentscheidungen komme, Bußgelder und finanzielle Schäden drohten. Es bestehe sogar das Risiko, dass AGI für Unternehmen Übernahmeangebote abgeben müsste – ein im Extremfall milliardenschweres Vergnügen. Was läuft da schief im Riesenreich der Allianz?
Rigide Meldepflichten
Nach dem Gesetz muss jeder Aktionär offiziell melden, wenn er mehr als 3, 5, 10, 15 oder 20 Prozent der Aktien eines Unternehmens besitzt. Kontrolliert er über 30 Prozent, muss er ein Übernahmeangebot machen. Je mehr Geld ein Fondshaus verwaltet, umso häufiger übertritt oder unterschreitet es Schwellen, was permanent Meldungen nach sich zieht.
Wenn etwa drei verschiedene AGI-Fonds jeweils ein Prozent am Modeunternehmen Hugo Boss kaufen, wäre eine Meldung fällig. Verkauft ein Fondsmanager auch nur 7.040 Aktien im Gegenwert von knapp 740.000 Euro, würde er den Anteilsbesitz der Gruppe auf 2,99 Prozent drücken, was abermals gemeldet werden müsste.
Das lästige Hin und Her lässt sich umgehen, wenn die Fonds und damit die von ihnen gekauften Aktien an verschiedene Gesellschaften angedockt werden. Das ist erlaubt, solange die Firmen unabhängig voneinander handeln. Jede müsste auf der Hauptversammlung so abstimmen, wie sie es für richtig hält – und ihre Fonds dürften sich vorher auch nicht darüber verständigen, welche Vorschläge des Managements sie abnicken und welche sie blockieren.
Nur wenn die Gesellschaften völlig frei von der Mutter und von den Schwestergesellschaften abstimmen können, müssen sie ihren Anteilsbesitz von über drei Prozent nicht melden.
Die Abstimmungsprozesse legen allerdings nahe, dass die AGI-Gesellschaften keineswegs so autonom handeln.
- Die Abstimmungskomitees der einzelnen Kapitalanlagegesellschaften berichten an ein globales Abstimmungskomitee, wobei die AGI behauptet, dass „eine konkrete Beeinflussung des Abstimmverhaltens weder direkt noch indirekt von der Muttergesellschaft oder anderen verbundenen Unternehmen“ erfolgt.
Fonds-Gebühren im Überblick
Der Ausgabeaufschlag fällt beim Kauf an. Je nach Anlagestrategie des Investmentfonds kann er relativ gering sein, bei Geldmarktfonds liegt der Satz etwa häufig bei rund ein Prozent. Er kann aber auch deutlich höher sein wie bei Aktienfonds, wo fünf Prozent keine Seltenheit sind. Dies bedeutet, dass bei einer monatlichen Sparrate von 50 Euro beim Geldmarktfonds für 49,50 Euro Anteile erworben werden, beim Aktienfonds hingegen nur für 47,61 Euro.
Fondskäufer können den Ausgabeaufschlag aber reduzieren. Direktbanken oder Fondssupermärkte im Internet bieten niedrigere Sätze an oder verzichten sogar ganz auf diese Gebühr. Zu den bekanntesten Fondssupermärkten zählen beispielsweise fondssupermarkt.net, avl-investmentfonds.de und infos.com. Gute Kunden dürfen außerdem auf Sonderkonditionen bei der Hausbank hoffen.
Je länger der Anleger investiert bleibt, desto weniger stark wirkt die Kaufgebühr. Wer monatlich 100 Euro in einen Sparplan mit 5 Prozent Ausgabeaufschlag einzahlt und durchschnittlich fünf Prozent Jahresrendite erzielt, steht nach drei Jahren bei 3.690 Euro. Ohne Kaufgebühren wären es 3.885 Euro. Wer zehn Jahre investiert bleibt, kommt mit dem Ausgabeaufschlag auf ein Guthaben von 14.725 Euro, ohne Gebühr wären es 15.500 Euro.
Die Verwaltungsgebühr liegt im Regelfall zwischen null und zwei Prozent. Oft ist dieser Satz etwas höher, wenn der Ausgabeaufschlag gering ist und umgekehrt. Die Verwaltungsgebühr wird - einmal im Jahr oder auch monatlich - aus dem Fonds bezahlt. Wenn die Gebühr zum Beispiel 1,2 Prozent ist und der Fondswert 10.000 Euro, beträgt die Gebühr 120 Euro im Jahr und das neue Fondsvermögen noch 9.880 Euro.
Die Investmentgesellschaft hinterlegt das Fondsvermögen bei einer sogenannten Depotbank. Für das Führen dieses Depots wird eine Gebühr erhoben, die im Regelfall aus dem Fondsvermögen bezahlt wird. Diese Gebühr kann bei großen Fonds bis zu 0,3 Prozent des Fondsvolumens per anno ausmachen.
Zusätzlich ist die Depotbank berechtigt, eine Transaktionsgebühr von bis zu 100 Euro je Transaktion, die nicht über die Depotbank getätigt wird, zu erheben. Auch eine zusätzliche Verwahrgebühr von bis zu 0,1 Prozent pro Jahr ist rechtens. Neben den genannten Vergütungen verlangen einige Gesellschaften eine weitere tägliche Vergütung in Höhe von bis zu 0,75 Prozent pro Jahr.
Die Performance Fee ist eine erfolgsabhängige Gebühr. Wenn ein aktiv gemanagter Fonds eine bessere Wertentwicklung aufweist als ein vorher festgelegter Vergleichsindex, wie zum Beispiel der DAX, wird die Performance Fee gezahlt. Wenn eine Performance Fee von 20 Prozent vorgesehen ist, bedeutet das zum Beispiel: Ein Kunde hat ein Fondsvermögen in Höhe von 20.000 Euro. Der Fonds hat in diesem Jahr sechs Prozent Plus gemacht, der Vergleichsindex nur vier Prozent. Das Mehr an Rendite von zwei Prozent sind 400 Euro. Davon bekommt die Gesellschaft 20 Prozent, also 80 Euro.
Performance Fees sind an ganz unterschiedliche Bedingungen geknüpft. Die Investmentgesellschaft profitiert von einem besseren Abschneiden im Vergleich zum Vergleichsindex, muss sich aber nicht zwangsweise auch an Verlusten beteiligen, falls der Index besser war.
Es ist auch möglich, dass Anleger Performance Fee`s zahlen müssen, obwohl der Fonds Verluste gemacht hat. Wenn der Vergleichsindex zehn Prozent Minus gemacht hat, der Fonds aber nur sechs Prozent Minus, war er besser als der Vergleichsindex. Dann lässt die
Investmentgesellschaft es sich vergüten, dass der Fond zwar Verluste gemacht hat, aber eben nicht so viel wie andere.
Transaktionskosten entstehen, wenn im Fonds eine Umschichtung der Wertpapiere stattfindet, also beispielsweise Aktien verkauft und andere dafür gekauft werden. Bei einer solchen Umschichtung entstehen Transaktionskosten, die von den Anlegern bezahlt werden. Je öfter umgeschichtet wird, desto mehr Gebühren müssen gezahlt werden und desto geringer ist die Rendite.
Wegen mangelnder Transparenz bleibt die Höhe der Transaktionskosten in der Regel im Dunkeln. Eine Ausweisung der relevanten Daten im Fondsprospekt geschieht laut Studie der Verbraucherzentrale NRW kaum oder nur unzureichend.
Der Fantasie sind bei den sonstigen Kosten keine Grenzen gesetzt. Rechtliche Vorgaben gibt es so gut wie nicht. So kann es passieren, dass Anleger nicht nur den Ausgabeaufschlag beim Kauf bezahlen, sondern auch einen Rücknahmeabschlag bei der Rückgabe der Anteilsscheine. Und wenn ein Fonds Geld einnimmt, weil er Wertpapiere verleiht, dann kassiert die Gesellschaft dafür oft auch eine Gebühr. Hier empfiehlt sich eine genaue Prüfung der Fondsunterlagen und des amtlichen Verkaufsprospekts um herauszufinden, welche sonstigen Kosten anfallen können.
Eine Hilfe beim Vergleich von Fonds anhand der anfallenden Kosten ist die Total Expense Ratio (TER). Die TER ist eine Gesamtkostenquote, die für Transparenz sorgen soll. Das gelingt allerdings nur zum Teil. Grund ist, dass in der TER nicht alle Kosten enthalten sind. So sind weder die Ausgabeaufschläge enthalten, noch die erfolgsabhängigen Gebühren (Performance Fees). Die Aussagekraft der TER ist daher begrenzt. Laut Morningstar liegt sie bei Aktienfonds bei gut zwei Prozent.
- Alle orientieren sich bei Abstimmungen am selben weltweit gültigen Regelwerk. Die AGI behauptet zwar, es handle sich hierbei nur um einen „übergeordneten Allgemeinrahmen“, der „den einzelnen Einheiten der Gruppe eine Hilfestellung für das Abstimmungsverhalten auf Hauptversammlungen an die Hand“ gebe und es den Abstimmungskomitees der einzelnen Einheiten überlassen sei, wie sie stimmen.
In der Praxis kommen die allerdings immer zum selben Ergebnis. Im vergangenen Jahr haben die AGI-Gesellschaften bei knapp 99,5 aller Hauptversammlungsentscheidungen entsprechend der globalen AGI-Abstimmungsrichtlinie votiert. Niemand traue sich, die globalen Standards zu ignorieren, sagt ein Insider – selbst nicht, wenn es sinnvoll wäre. „Wurde entsprechend der hausinternen Politik abgestimmt und stellt sich diese Entscheidung später als schwerer Fehler heraus, hat das keine Konsequenzen“, sagt der Mitarbeiter. Wer aber von den hausinternen Regeln abweiche, gerate unter Rechtfertigungszwang. Die AGI wollte dies nicht kommentieren.
Dass die Gesellschaften bei Abstimmungen nicht immer unabhängig handeln, darauf deuten Aussagen eines anderen AGI-Mitarbeiters hin. Er erklärt, dass die AGI-Einheit in Frankreich, die erst vor drei Wochen mit der in Frankfurt ansässigen Europa-Gesellschaft fusioniert wurde, früher regelmäßig anders abgestimmt habe als andere AGI-Gesellschaften. Das begründet er auch damit, dass die einzelnen AGI-Einheiten eigene Abstimmungsregelwerke statt der einheitlichen globalen Richtlinie genutzt hätten.
Zweifel bei den Konzernjuristen
Die AGI kommentierte dies nicht und erklärt nur allgemein, dass es eine „klare Trennung“ zwischen übergeordneten, abstrakten Leitlinien auf globaler Ebene und „der Entscheidung über das Abstimmungsverhalten bei den jeweiligen Investmenteinheiten“ gebe.
Doch selbst AGI-Juristen haben Zweifel, dass die Gesellschaftsstruktur rechtens ist. So schreibt ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung, dass das „signifikante Risiko“ bestehe, dass die BaFin oder ein deutsches Gericht die Struktur wegen des globalen Abstimmungsregelwerks und des globalen Abstimmungskomitees als „Acting in Concert“ bewerten könnte.
Der Fachbegriff umschreibt die Tatsache, dass unterschiedliche Gesellschaften in der Praxis wie eine Partei handeln. Investoren, die Acting in Concert betreiben, sprechen sich darüber ab, wie sie auf Hauptversammlungen votieren. Weil ihre Macht durch so eine Bündelung von Stimmen gewaltig zunimmt – sie könnten sogar die Mehrheit auf der Hauptversammlung übernehmen –, haben die anderen Aktionäre ein Recht darauf, darüber informiert zu werden. So will es das Gesetz.
Gemeinsam handelnde Aktionäre müssen dann ihren Aktienbesitz zusammenfassen und, falls sie gemeinsam eine Meldeschwelle überschreiten, dies bekannt machen. Das hat die AGI nicht getan – und hätte damit gegen das Gesetz verstoßen.
Millionenschaden droht
Dass der Hausjurist vor den möglichen Konsequenzen der AGI-Strukturen warnte, ist verständlich. Sie könnten die AGI und ihre Fondsanleger Millionen kosten:
- Bußgeld. Die harmloseste Waffe liegt bei der BaFin. Wenn Investoren Aktien nicht korrekt melden, muss sie handeln. Sie könne „ein Bußgeld von bis zu einer Million Euro verhängen“, sagt der Münchner Kapitalmarktrechtler Klaus Rotter.
- Dividendenrückzahlung. Viel teurer für die Anleger könnte der Umstand werden, dass die Fondsexperten von ihrem Juristen im vergangenen Jahr vor möglichen Risiken gewarnt wurden. Man könnte daraus schlussfolgern, dass sie seitdem vorsätzlich gehandelt haben. „Wer vorsätzlich gegen die Meldepflichten verstößt, kann seine Aktionärsrechte verlieren“, sagt Rotter, etwa den Anspruch auf eine Dividende.
Beispiel Infineon: Allein 22 AGI-Fonds für Privatanleger hielten Ende Januar knapp 35,2 Millionen Aktien – und damit mehr als drei Prozent der Stimmrechte. Die hatten sie nicht gemeldet, ebenso nicht die unbekannte Zahl von Aktien, die bei Spezialfonds für Großinvestoren liegen.
Hochgerechnet auf die knapp 35,2 Millionen Aktien, die allein die Publikumsfonds der AGI im Januar hielten, haben die Fonds für 2013 von Infineon 4,2 Millionen Euro Dividende erhalten. Die könnten den Fonds wieder entzogen werden.
Zweites Beispiel: An Hugo Boss waren Ende Oktober mindestens 16 Fonds der AGI beteiligt, die von mehreren Gesellschaften verwaltet wurden. Jede Gesellschaft für sich hielt weniger als drei Prozent der Stimmrechte und blieb damit unter der Meldeschwelle. Alle Fonds zusammen kamen aber über die Drei-Prozent-Hürde. Das hat die AGI nicht gemeldet. Unterstellt man Vorsatz, hätten die Fonds über sieben Millionen Euro Boss-Dividende kassiert, die ihnen wegen Verletzung der Meldepflichten möglicherweise nicht zustanden.
Beispiel Hamborner Reit: Ende September hielten zwei AGI-Fonds 1,8 Millionen Aktien der Immobiliengesellschaft. Das entspricht einem Anteil von etwa vier Prozent. Hierfür hatten die Fonds Dividenden in Höhe von 0,74 Millionen Euro erhalten.
Kein Name im Register
In einem solchen Fall müsse „die Gesellschaft die zu Unrecht ausgezahlte Dividende zurückholen“, sagt Rotter. Sonst könnte sich der Vorstand einer Pflichtverletzung schuldig machen. „Die zurückgeholte Summe müsste dann an die anderen Aktionäre ausgeschüttet werden.“ Für den Finanzinvestor Permira, dem rund 50 Prozent der Boss-Aktien gehören, wäre das lukrativ: Sein Anteil an der Dividende, die allein 16 Publikumsfonds der AGI kassiert haben, beträgt 3,5 Millionen Euro. Die genannten Fälle betreffen nur die Privatanlegerfonds. Etwa zwei Drittel der AGI-Gelder stammen aber von institutionellen Anlegern wie Versicherungen oder Pensionskassen. Die Bestände der für sie aufgelegten Fonds werden oft nicht veröffentlicht.
Die AGI legt nicht einmal bei Hauptversammlungen alle Karten auf den Tisch. Viele Fondshäuser wie Union Investment kümmern sich vor Ort um die Interessen ihrer Anleger. Wie viele Aktien sie repräsentieren, lässt sich im Teilnehmerverzeichnis nachlesen – auch dann, wenn die Fondsmanager sich vertreten lassen. Nicht so die AGI. So sind ihre Fonds etwa am Pharmawert Biotest, am Softwareanbieter iFAO oder der Immobiliengesellschaft Hamborner beteiligt. Auf den Anwesenheitslisten von deren Hauptversammlungen waren sie allerdings nicht zu finden. Warum, wollte die AGI nicht erklären.
Wie groß die Stimmgewalt der AGI bei einzelnen Gesellschaften ist, bleibt also unklar. Ermittelt werden kann sie etwa von der BaFin. Auch der Vorstand des betroffenen Unternehmens kann Auskunft bei den Banken erbitten, die die Bestände verwalten. „Wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt, dass ein Aktionär gegen die Meldepflichten verstoßen hat, muss der Vorstand dem nachgehen“, sagt Andreas Cahn, Professor für Wirtschaftsrecht an der Frankfurter Goethe Universität. „Denn dann hätte er unzulässigerweise Gewinne an diesen Aktionär ausgeschüttet.“ Kümmere sich der Vorstand nicht darum, laufe er Gefahr, seine Pflichten zu verletzen.
- Schadensersatz. Falls die Fonds Dividenden zurückzahlen müssten, dürften Anlegeranwälte Gewehr bei Fuß stehen, um die AGI zu zwingen, diese Abflüsse zu erstatten. Schließlich haben nicht die Kunden, sondern die AGI nicht gemeldet.
- Stimmrechte ungültig. Über die Dividenden hinaus verlieren die AGI-Fonds unter Umständen auch ihre Stimmrechte. Hauptversammlungsbeschlüsse, die auf nicht mitgeteilten Stimmen eines Aktionärs beruhen, „können von den anderen Aktionären angefochten werden“, sagt Cahn. Entsteht der Aktiengesellschaft ein Schaden, weil etwa eine Kapitalerhöhung wegen der Verzögerung durch eine Anfechtungsklage nicht wie geplant durchgeführt werden kann, „kann der Aktionär, der seine Stimmen nicht korrekt gemeldet hat und damit für die Anfechtung und ihre Folgen verantwortlich ist, unter Umständen für die Schäden haftbar gemacht werden“.
- Nachträgliches Übernahmeangebot. An der Baumarktkette Praktiker sollen AGI-Fonds internen Gerüchten zufolge vor deren Pleite zeitweise mehr als 30 Prozent der Aktien gehalten haben. Belegen lässt sich dies nicht. Die AGI äußerte sich hierzu nicht. Stimmen die 30 Prozent, hätte sie ein Übernahmeangebot machen müssen. Dabei wären mindestens Kosten in zweistelliger Millionenhöhe entstanden. Eineinhalb Jahre vor der Pleite war Praktiker an der Börse noch 83 Millionen Euro wert.
- Konzern-Anlagepolitik. In seinem Brief warnt der AGI-Jurist auch, dass die AGI-Gesellschaften „bis hoch zur Allianz SE“ ihren Aktienbesitz konsolidiert melden müssten, wenn sie nicht unabhängig seien. Dann hätte jede AGI-Transaktion Einfluss auf die Anlagepolitik der Allianz.
Relativ hohe Gebühren
Fondsanleger haben übrigens nichts davon, dass es sich die AGI so einfach macht. Die AGI spart mit ihrer Struktur und der Auslagerung an ISS zwar wahrscheinlich viel Geld, auch wenn sie keine Summe nennen will. Dennoch verlangt sie relativ hohe Gebühren. Im Branchenschnitt kosten deutsche Aktienfonds 1,32 Prozent des verwalteten Vermögens an Gebühren. Die AGI aber kassiert für Adifonds, Allianz Vermögensbildung Deutschland und Concentra 1,8 Prozent von ihren Anlegern.
Der Berater übt Einfluss aus
Formal berät Stimmrechtsberater ISS die AGI zwar nur und richtet Vorschläge am AGI-Regelwerk aus. Doch der Verdacht, dass ISS die Linie vorgibt, liegt nahe. So behauptet ein AGI-Mitarbeiter, dass die französischen AGI-Fonds früher häufig anders abgestimmt hätten als die anderen Fonds der Gruppe, und führt als einen der möglichen Gründe an, dass ISS früher nicht involviert gewesen sei. Es habe deshalb nicht das Risiko bestanden, dass der Stimmrechtsberater „die auf seinem eigenen Kriterienkatalog basierenden Vorschläge einfach rüberkopiert“. ISS äußerte sich hierzu nicht konkret und erklärte nur allgemein, dass für jede Hauptversammlung maßgeschneiderte Abstimmungsvorschläge auf Basis der verschiedenen Regelwerke der Kunden erstellt würden. Die AGI erklärt: „Wie in der Branche üblich, haben die Investmenteinheiten die Stimmabgabe selbst grundsätzlich an einen spezialisierten Dienstleister delegiert, der sich nach unseren Vorgaben richtet.“
Das ist zweifelhaft. Denn die Abstimmungsvorschläge, die ISS auf Basis der AGI-Richtlinien erstellt haben will, sind zu 99,2 Prozent identisch mit den Vorschlägen, die ISS anhand eigener Richtlinien erarbeitet hat. ISS wollte dies nicht erklären.
Der Standard ist das jedenfalls nicht. Die genossenschaftliche Kapitalanlagegesellschaft lässt die Tagesordnungen der Hauptversammlungen vom Stimmrechtsberater Ivox auswerten. Union stimmt allerdings mitnichten immer so ab, wie Ivox es empfiehlt. „Die Abweichungsquote liegt im unteren zweistelligen Prozentbereich“, sagt Union-Fondsmanager Ingo Speich. Die Stimmrechtsberater könnten sich nicht so intensiv mit der individuellen Lage eines jeden Unternehmens befassen und die Union-Manager den Einzelfall oftmals besser beurteilen. „Den Vorschlägen eines Stimmrechtsberaters blind zu folgen wäre Harakiri“, sagt Union-Manager Speich.
Weil sich aber längst nicht alle Fondsmanager den eigenen Kopf zerbrechen, gewinnen Stimmrechtsberater an Einfluss. Michael Piwowar, Kommissar der US-Börsenaufsicht SEC, zeigt sich unlängst „zunehmend besorgt wegen des überproportionalen Einflusses dieser Firmen bei Abstimmungen auf Aktionärstreffen“. Die EU-Kommission beschäftigt sich ebenfalls mit dem Thema – Stimmrechtsberater sind weitgehend unreguliert.
Kaum zum Wohle der Anleger
Der Marktführer ISS arbeitet für 1.700 Anleger weltweit und analysiert 39.000 Unternehmen. Hierzulande bekam etwa die Lufthansa die Macht der Berater zu spüren, als ISS empfahl, Ex-Chef Wolfgang Mayrhuber nicht in den Aufsichtsrat der Lufthansa zu wählen. Der hätte um ein Haar nicht mehr kandidiert und bekam dann letztlich nur gut 63 Prozent der Stimmen.
Da die Abstimmungsbeauftragten der AGI den Vorschlägen von ISS fast immer folgen, stellt sich die Frage, ob die AGI die Stimmrechte selbst noch aktiv wahrnimmt – oder ob nicht vielmehr ISS Herr über die Stimmen geworden ist.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
In den wenigen Fällen, in denen die AGI-Manager gegen ISS und ihr eigenes weltweites Regelwerk handelten, dürfte das Motiv kaum immer das Wohl der Anleger gewesen sein: So wählten die AGI-Fonds Allianz-Chef Michael Diekmann in den Aufsichtsrat von Linde, obwohl Diekmann damit auf sieben Mandate kommt. Vier davon sind allerdings Posten innerhalb des Allianz-Konzerns. Die aktuellen AGI-Standards gestehen Vorstandschefs nur drei Sitze zu – die Herren hätten sonst zu wenig Zeit, sich zu kümmern. Deshalb hatte auch ISS der AGI empfohlen, Diekmann nicht zu wählen. Union Investment etwa hatte wegen zu vieler Mandate gegen Diekmann gestimmt. Die AGI nennt Zweifel am Abstimmungsverhalten bei Linde „unbegründet und völlig haltlos“.
Nachgebessert
Die AGI ist gerade dabei, ihre Struktur umzubauen. Vormals selbstständige europäische Gesellschaften wie die in Frankreich wurden in den vergangenen Wochen mit der AGI Europe GmbH, zu der auch die Frankfurter AGI-Einheit gehört, verschmolzen. An den Verschmelzungstagen gab die AGI dann Stimmrechtsmeldungen für Hugo Boss und Infineon ab. Den Europäern ist gemeinsames Abstimmen jetzt also erlaubt.
In den USA und Asien hat die AGI aber immer noch Töchter, die sich an den globalen Abstimmungsregeln ausrichten, sich die aber nicht vorschreiben lassen und nicht gemeinsam abstimmen dürfen. Eigentlich.