Allianz Global Investors Warum Anleger um ihre Dividende fürchten müssen

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Was läuft schief im Riesenreich der Allianz?

Die AGI hat es mit ihrem Sparsinn nur offenbar übertrieben. In einem Brief, der der WirtschaftsWoche vorliegt, warnt ein Mitarbeiter der AGI-Rechtsabteilung, gestützt auf ein vorläufiges Gutachten, dass der AGI wegen der Methode, nach der sie zu Abstimmungsentscheidungen komme, Bußgelder und finanzielle Schäden drohten. Es bestehe sogar das Risiko, dass AGI für Unternehmen Übernahmeangebote abgeben müsste – ein im Extremfall milliardenschweres Vergnügen. Was läuft da schief im Riesenreich der Allianz?

von Annina Reimann, Melanie Bergermann, Heike Schwerdtfeger

Rigide Meldepflichten

Nach dem Gesetz muss jeder Aktionär offiziell melden, wenn er mehr als 3, 5, 10, 15 oder 20 Prozent der Aktien eines Unternehmens besitzt. Kontrolliert er über 30 Prozent, muss er ein Übernahmeangebot machen. Je mehr Geld ein Fondshaus verwaltet, umso häufiger übertritt oder unterschreitet es Schwellen, was permanent Meldungen nach sich zieht.

Wenn etwa drei verschiedene AGI-Fonds jeweils ein Prozent am Modeunternehmen Hugo Boss kaufen, wäre eine Meldung fällig. Verkauft ein Fondsmanager auch nur 7.040 Aktien im Gegenwert von knapp 740.000 Euro, würde er den Anteilsbesitz der Gruppe auf 2,99 Prozent drücken, was abermals gemeldet werden müsste.

Das lästige Hin und Her lässt sich umgehen, wenn die Fonds und damit die von ihnen gekauften Aktien an verschiedene Gesellschaften angedockt werden. Das ist erlaubt, solange die Firmen unabhängig voneinander handeln. Jede müsste auf der Hauptversammlung so abstimmen, wie sie es für richtig hält – und ihre Fonds dürften sich vorher auch nicht darüber verständigen, welche Vorschläge des Managements sie abnicken und welche sie blockieren.

Nur wenn die Gesellschaften völlig frei von der Mutter und von den Schwestergesellschaften abstimmen können, müssen sie ihren Anteilsbesitz von über drei Prozent nicht melden.

Die Abstimmungsprozesse legen allerdings nahe, dass die AGI-Gesellschaften keineswegs so autonom handeln.

- Die Abstimmungskomitees der einzelnen Kapitalanlagegesellschaften berichten an ein globales Abstimmungskomitee, wobei die AGI behauptet, dass „eine konkrete Beeinflussung des Abstimmverhaltens weder direkt noch indirekt von der Muttergesellschaft oder anderen verbundenen Unternehmen“ erfolgt.

Fonds-Gebühren im Überblick

- Alle orientieren sich bei Abstimmungen am selben weltweit gültigen Regelwerk. Die AGI behauptet zwar, es handle sich hierbei nur um einen „übergeordneten Allgemeinrahmen“, der „den einzelnen Einheiten der Gruppe eine Hilfestellung für das Abstimmungsverhalten auf Hauptversammlungen an die Hand“ gebe und es den Abstimmungskomitees der einzelnen Einheiten überlassen sei, wie sie stimmen.

In der Praxis kommen die allerdings immer zum selben Ergebnis. Im vergangenen Jahr haben die AGI-Gesellschaften bei knapp 99,5 aller Hauptversammlungsentscheidungen entsprechend der globalen AGI-Abstimmungsrichtlinie votiert. Niemand traue sich, die globalen Standards zu ignorieren, sagt ein Insider – selbst nicht, wenn es sinnvoll wäre. „Wurde entsprechend der hausinternen Politik abgestimmt und stellt sich diese Entscheidung später als schwerer Fehler heraus, hat das keine Konsequenzen“, sagt der Mitarbeiter. Wer aber von den hausinternen Regeln abweiche, gerate unter Rechtfertigungszwang. Die AGI wollte dies nicht kommentieren.

Dass die Gesellschaften bei Abstimmungen nicht immer unabhängig handeln, darauf deuten Aussagen eines anderen AGI-Mitarbeiters hin. Er erklärt, dass die AGI-Einheit in Frankreich, die erst vor drei Wochen mit der in Frankfurt ansässigen Europa-Gesellschaft fusioniert wurde, früher regelmäßig anders abgestimmt habe als andere AGI-Gesellschaften. Das begründet er auch damit, dass die einzelnen AGI-Einheiten eigene Abstimmungsregelwerke statt der einheitlichen globalen Richtlinie genutzt hätten.

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