Die AGI kommentierte dies nicht und erklärt nur allgemein, dass es eine „klare Trennung“ zwischen übergeordneten, abstrakten Leitlinien auf globaler Ebene und „der Entscheidung über das Abstimmungsverhalten bei den jeweiligen Investmenteinheiten“ gebe.
Doch selbst AGI-Juristen haben Zweifel, dass die Gesellschaftsstruktur rechtens ist. So schreibt ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung, dass das „signifikante Risiko“ bestehe, dass die BaFin oder ein deutsches Gericht die Struktur wegen des globalen Abstimmungsregelwerks und des globalen Abstimmungskomitees als „Acting in Concert“ bewerten könnte.
Der Fachbegriff umschreibt die Tatsache, dass unterschiedliche Gesellschaften in der Praxis wie eine Partei handeln. Investoren, die Acting in Concert betreiben, sprechen sich darüber ab, wie sie auf Hauptversammlungen votieren. Weil ihre Macht durch so eine Bündelung von Stimmen gewaltig zunimmt – sie könnten sogar die Mehrheit auf der Hauptversammlung übernehmen –, haben die anderen Aktionäre ein Recht darauf, darüber informiert zu werden. So will es das Gesetz.
Gemeinsam handelnde Aktionäre müssen dann ihren Aktienbesitz zusammenfassen und, falls sie gemeinsam eine Meldeschwelle überschreiten, dies bekannt machen. Das hat die AGI nicht getan – und hätte damit gegen das Gesetz verstoßen.
Millionenschaden droht
Dass der Hausjurist vor den möglichen Konsequenzen der AGI-Strukturen warnte, ist verständlich. Sie könnten die AGI und ihre Fondsanleger Millionen kosten:
- Bußgeld. Die harmloseste Waffe liegt bei der BaFin. Wenn Investoren Aktien nicht korrekt melden, muss sie handeln. Sie könne „ein Bußgeld von bis zu einer Million Euro verhängen“, sagt der Münchner Kapitalmarktrechtler Klaus Rotter.
- Dividendenrückzahlung. Viel teurer für die Anleger könnte der Umstand werden, dass die Fondsexperten von ihrem Juristen im vergangenen Jahr vor möglichen Risiken gewarnt wurden. Man könnte daraus schlussfolgern, dass sie seitdem vorsätzlich gehandelt haben. „Wer vorsätzlich gegen die Meldepflichten verstößt, kann seine Aktionärsrechte verlieren“, sagt Rotter, etwa den Anspruch auf eine Dividende.
Beispiel Infineon: Allein 22 AGI-Fonds für Privatanleger hielten Ende Januar knapp 35,2 Millionen Aktien – und damit mehr als drei Prozent der Stimmrechte. Die hatten sie nicht gemeldet, ebenso nicht die unbekannte Zahl von Aktien, die bei Spezialfonds für Großinvestoren liegen.
Hochgerechnet auf die knapp 35,2 Millionen Aktien, die allein die Publikumsfonds der AGI im Januar hielten, haben die Fonds für 2013 von Infineon 4,2 Millionen Euro Dividende erhalten. Die könnten den Fonds wieder entzogen werden.
Zweites Beispiel: An Hugo Boss waren Ende Oktober mindestens 16 Fonds der AGI beteiligt, die von mehreren Gesellschaften verwaltet wurden. Jede Gesellschaft für sich hielt weniger als drei Prozent der Stimmrechte und blieb damit unter der Meldeschwelle. Alle Fonds zusammen kamen aber über die Drei-Prozent-Hürde. Das hat die AGI nicht gemeldet. Unterstellt man Vorsatz, hätten die Fonds über sieben Millionen Euro Boss-Dividende kassiert, die ihnen wegen Verletzung der Meldepflichten möglicherweise nicht zustanden.
Beispiel Hamborner Reit: Ende September hielten zwei AGI-Fonds 1,8 Millionen Aktien der Immobiliengesellschaft. Das entspricht einem Anteil von etwa vier Prozent. Hierfür hatten die Fonds Dividenden in Höhe von 0,74 Millionen Euro erhalten.