Angebliche Geheimtipps Die Gewinnlüge unseriöser Börsenbriefe

Mit den Rekordbörsen locken Börsenbriefe verstärkt neue Kunden. Doch manchmal sind die vollmundigen Versprechen unseriös, die Anlagetipps fragwürdig. Woran Anleger unseriöse Börsenbriefe erkennen.

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Quelle: Screenshot

Welcher Anleger wünscht sich das nicht: "Fünf-Sterne-Aktie mit 20,46 % Dividende" wirbt etwa der Börsenbrief Gelfarths Dividenden-Letter. Der Börsenbrief Neuronales System-Trading wirbt mit "So werden Sie in fünf Minuten zum Börsenmillionär". Was dieser Tage wieder vermehrt im Briefkasten und E-Mail-Postfach landet und Anleger auf zahllosen Finanzseiten im Internet als Anzeige anblinkt, ist häufig reißerisch und mitunter substanzlos. Die versprochenen Anlagetipps lassen den Leser schnell ins Träumen geraten: "3666,67 Euro im Monat mit dem vollautomatisierten Aktien-Gewinn-Programm – damit können Sie aufhören zu arbeiten" heißt es etwa in "Morrien's Schlussgong" oder "Möchten Sie 2000 Euro in 250.303 Euro verwandeln?" fragt eine Mail des Börsenverlags GeVestor. Einfach den Newsletter durch Eintragung der E-Mail-Adresse abonnieren – und los geht’s Richtung Reichtum, so die Botschaft.

Aber die Aufsichtsbehörde BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) warnt nachdrücklich vor Empfehlungen in Börsenbriefen, durch ungebetene Anrufer oder Spams. 2012 hatte das Amt 250 Untersuchungen wegen Marktmanipulation eingeleitet, so viele wie nie zuvor. Oftmals ging es dabei um den Verdacht manipulierter Aktienkurse durch entsprechende Empfehlungen der vermeintlichen Börseninsider.

Die Aufsichtsbehörde Bafin erhält regelmäßig Hinweise von den Handelsüberwachungsstellen der Börsen über auffällige Kursbewegungen, aber auch Beschwerden von Privatanlegern und Polizeidienststellen über fragwürdige Börsenbriefe und dubiose Investmentwerbung. Nur wenn sich Verdachtsmomente zu einer möglichen Kursmanipulation ergeben, geht die Behörde den Hinweisen nach. So passiert es, dass die Bafin auch gezielt vor Kauftipps zu einzelnen Aktien warnt. Zuletzt veröffentlichte die Behörde Warnungen zu Kaufempfehlungen bezüglich der Aktien Lambda TD Software, World Moto Inc. und Blueweb Mobile Media, die allesamt mittels unerbetener Anrufe, Spam-Mail, Fax oder Börsenbriefen verbreitet wurden. Diese Hinweise veröffentlicht die Bafin auf ihrer Internetseite in der Rubrik Verbraucher. Eine Warnung spricht die Bafin aus, wenn in den Empfehlungen unrichtige oder irreführende Angaben gemacht wurden oder Interessenkonflikte - etwa wenn der Tippgeber selbst die Aktie hält - pflichtwidrig verschwiegen wurden. Wer erfahren will, ob ein derartiger Interessenkonflikt vorliegt, sollte bei Börsenbriefen auch das Kleindruckte genau studieren.

Bafin warnt vor dubiosen Börsenbriefen ohne Urheber

Ein Börsenbrief oder Newsletter mit Anlageempfehlungen ist nicht etwas per se Schlechtes, sie spiegeln im Zweifel die Meinung des dahinter stehenden Finanzanalysten oder Autors wider und können interessante Informationen zu Aktien und Anlagemärkten liefern. Das Problem: Die Seriösität ist kaum überprüfbar. Börsenbriefe und ihre digitalen Abkömmlinge sind nicht gesetzlich geregelt. Es gibt lediglich eine Meldepflicht nach Paragraf 34c Wertpapierhandelsgesetz. Erst im März hatte die Bafin daher explizit vor Börsenbriefen gewarnt, deren Urheber oder Verlage entweder nicht identifizierbar oder für die Bafin nicht erreichbar waren, weil Adressen nicht vorhanden oder nutzlos waren. Die Warnung bezieht sich auf die Börsenbriefe Swiss Money Report, Bull Investor, European Stock Report, Kursraketen24.de, Lombards Investorenbrief, Westhouse Report, Aktienteufel, Bulle & Bär, derhebel.de, derhebelgrowth.de, Hotstock-Depot.com, boersenbrief24.com und Boersenlounge.com.

Große Qualitätsunterschiede

Bei allen übrigen Informationsdiensten und Börsenbriefen, die Anleger ungefragt angeboten bekommen, stellt sich jedoch weiter die Frage, woran sie seriöse von unseriösen Angeboten unterscheiden können? Das Angebot an Börsenbriefen ist riesig. Laut Schätzungen werden in Deutschland rund 1000 Börsenbriefe per Post oder E-Mail vertrieben. Die Qualitätsunterschiede der Anlegerinformationen sind da naturgemäß groß und reichen von fachlich solide und nutzwertig bis hin zu marktschreierisch und dubios. Viele Börsenbriefe sind unter Börsenkennern weithin bekannt und haben sich über Jahre und Jahrzehnte einen Namen gemacht. Andere erscheinen nur für kurze Zeit und verschwinden wieder vom Markt. Oft haben die Verlage gleich mehrere Informationsdienste mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten im Programm.

Der Preis für einen Börsenbrief sagt da nur bedingt etwas aus. Untern den elektronischen Börsenbriefen sind etliche gratis, oder zumindest die ersten Ausgaben der Börsenbriefe sind noch kostenlos, später muss der Leser das Abonnement bezahlen. In der gedruckten Version  - meist sind es vier oder acht Seiten im wöchentlichen Erscheinungsrhythmus  – lassen sich einzelne Ausgaben für Preise zwischen fünf und fünfzehn Euro erwerben. Die günstigsten Abos gibt es ab 110 Euro im Jahr, häufig liegt der Preis pro Jahr jedoch eher ein paar hundert Euro höher. Einzelne Börsenbriefe verlangen für ein Jahresabo sogar 850 Euro. Derart kostspielige Informationen müssen auch einen hohen Nutzwert für den Anleger bieten, mag da mancher Sparer denken.

Leider ist der Weg zum großen Vermögen nicht so einfach, wie es in den Schlagzeilen der Dienste klingt. Die Tipps der Börsenbriefe bergen oft sogar hohe Risiken. Auch scheinbar narrensichere Investments "mit Gewinngarantie" können herbe Verluste mit sich bringen. Denn – darauf weist auch die Finanzaufsicht Bafin im Zusammenhang mit reißerischen Börsenbriefen hin – hohe Gewinnchancen gehen immer mit hohen Risiken einher. Die Traumrendite gibt es an der Börse nicht ohne die Gefahr von Verlusten.

Manipulation durch Kaufempfehlungen

Besonders bitter wird es für Nutzer von Börsenbriefen jedoch, wenn womöglich auch noch Betrug und Marktmanipulation im Spiel ist. Die Masche der Kursmanipulateure gleicht sich der Aufsichtsbehörde Bafin zufolge in den meisten Fällen. Ein Unternehmen bringt seine Aktien zunächst in den weitestgehend unregulierten Freiverkehrshandel einer Börse. Anschließend tauchen massive Kaufempfehlungen für die Aktien des Unternehmens in Börseninformationsdiensten, Telefonkampagnen, Internetforen, E-Mails, Faxen oder Börsenbriefen auf, so dass vermehrt Anleger das Papier kaufen. Den so erzeugten Kursanstieg nutzen die Manipulateure, um die Aktien mit Gewinn zu verkaufen. Endet die Empfehlungskampagne für die Aktie, bricht der Kurs regelmäßig stark ein. Anleger, die auf die Aktientipps hereinfielen, erlitten oftmals hohe Verluste, heißt es in einer Bafin-Mitteilung. Diese Methode, Anlegern mittels Kursmanipulation "das Fell über die Ohren zu ziehen", bezeichnen Handelsexperten daher auch als "Scalping".

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