Anlagestrategie Die Scheinwelt der Börsengurus

Banken verkaufen gerne Produkte, die auf den Strategien von Börsengurus basieren. Davon haben Anleger oft wenig. Denn solche Anlageprodukte floppen allzu oft.

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Erst schlechter, dann aufgeholt

Das eine ist die Theorie, das andere die Praxis. In der Theorie kennt sich der mittlerweile emeritierte Banken-Professor Wolfgang Gerke bestens aus. In der Praxis zahlte der heute 67-Jährige zunächst Lehrgeld – oder besser gesagt, alle Anleger, die auf seinen Namen vertrauten. Fünf Jahre ist es her, da brachte Gerke mit der Landesbank Berlin (LBB) zusammen ein Zertifikat auf den Markt. Doch sein Q-Dow-Jones-EuroStoxx-50-Effizienzportfolio-Index entwickelte sich anfangs deutlich schlechter als der Markt. Ende 2007 hatten Anleger mit dem Zertifikat auf Gerkes per Computersoftware kreierten Index, der das Risiko minimieren soll, rund sechs Prozent verloren. Der Vergleichsindex EuroStoxx 50 hatte dagegen mehr als zehn Prozent zugelegt. Dumm gelaufen.

Von einigen Anlegern besser Abstand halten

Wolfgang Gerke, Warren Buffett, Jim Rogers – Anleger investieren oft blind in Produkte, wenn diese mit klangvollen Namen aus der Investmentszene beworben werden. Doch viele Zertifikate, die tatsächlich oder vermeintlich auf Strategien von Börsengurus basieren, halten ihre Versprechen nicht. „Es gab eine Zeit lang geradezu einen Hype, möglichst jedes Know-how in ein Zertifikat zu verpacken, welches dann aktiv verwaltet wurde“, weiß Thomas Kolb von der Derivatebörse Scoach. Da ist es wichtig, zu wissen, welche Papiere wirklich ins Depot dürfen – und von welchen Anleger besser Abstand nehmen.

Bei Gerkes ehemaligem Liebling ist das leicht zu sagen. Zwar hat sich seit Herbst 2008 das Bild für Anleger aufgehellt. Während das Zertifikat von August 2008 bis heute mit einem Plus von 0,2 Prozent seinen Wert bewahren konnte, verlor der EuroStoxx 50 fast 32 Prozent (siehe Chart). Das Problem ist nur: Schon seit Mitte Juni vergangenen Jahres ist Gerke nicht mehr an Bord. Anleger wissen also nicht mehr, ob noch Gerke drin ist, wo Gerke einmal draufstand. „Die Zusammensetzung wird durch die LBB selbst bestimmt“, sagt eine Sprecherin der Bank. Gerke begründet das damit, dass „er nur das Modell geliefert hat“. Angst um seine Reputation habe ihn keineswegs zum Rückzug getrieben.

Kleiner Mann mit Fliege

Unangefochtener Spitzenreiter bei Zertifikaten bekannter Persönlichkeiten aus der Finanzszene ist die Royal Bank of Scotland (RBS). Die Schotten werben allem voran mit dem Rohstoffguru Jim Rogers. Der 68-jährige, kleine Mann mit Fliege und Hosenträgern legte den Grundstein für seinen Erfolg bereits vor 40 Jahren, als er mit George Soros den legendären Hedgefonds Quantum führte. Dieser erwirtschaftete in knapp zehn Jahren mehr als 4000 Prozent Rendite, während der US-Aktienindex S&P 500 gerade einmal um 50 Prozent zulegte. Danach bereiste Rogers die Welt und begann, Bücher zu schreiben. Sein zweiter Coup: 1998 legte er seinen ersten Rohstoff-Index auf – zu Beginn des Megazyklus bei Rohstoffen. Auf den Index und weitere Rogers-Vorgaben gibt es Zertifikate. Ein Sprecher eines RBS-Konkurrenten unkt: „Ich behaupte mal, die Zertifikate laufen nur so gut, weil es Rohstoff-Zertifikate sind, nicht wegen Jim Rogers.“ Da könnte er recht haben. Das Zertifikat auf den Rogers International Commodity Index, kurz RICI, ist in den vergangenen zwölf Monaten um 8,4 Prozent gestiegen. Abzüglich der 1,5 Prozent Managementgebühr pro Jahr bleiben dem Anleger also noch 6,9 Prozent Rendite. Ein paar Prozentpunkte kostet natürlich auch noch die Geld-Brief-Spanne beim Kauf. Zum Vergleich: Der älteste Rohstoff-Index der Welt, der CRB-Index, kletterte im gleichen Zeitraum um 6,1 Prozent. Rogers Anteil am Erfolg: Er sucht die derzeit 38 Rohstoffe aus und setzt ihre Gewichtung im RICI fest, darunter etwa 35 Prozent Erdöl, je 4,75 Prozent Weizen und Mais bis hin zu 0,1 Prozent Schafswolle.

Erst schlechter, dann aufgeholt

Erfolgreich stellen ihre Expertise der RBS auch der Aktien-Value-Investor Joel Greenblatt und der Future-Händler Victor Sperandeo, bekannt als Trader Vic, für ein Zertifikat zur Verfügung. Allerdings gibt es ihre Papiere nur über die Zürcher Börse zu kaufen – mit dem Nachteil, dass sie in Dollar oder Schweizer Franken notieren und Anleger deshalb Währungsrisiken eingehen. Der heute 53-jährige Greenblatt startete seinen Hedgefonds Gotham Capital 1985. Bekannt geworden ist er vor allem durch sein Buch „Die Börsen-Zauberformel“, in dem er versucht zu belegen, wie Anleger mit einer Filterung durch nur zwei Kennzahlen, der Kapital- und der Gewinnrendite, besser abschneiden können als der gesamte Markt. Sein Zertifikat Gotham Enhanced US Value Index TR basiert auf der Methode und hat in den vergangenen zwölf Monaten beachtliche 5,5 Prozent an Wert gewonnen – wohlgemerkt mit Aktien, nicht mit Rohstoffen. Der US-Index S&P 500 verlor in der Zeit 0,8 Prozent. Das Zertifikat Trader Vic Managed Futures Index TR erzielte immerhin noch ein Plus von 3,4 Prozent.

Börsen-Zauberformel

Deutschen Anlegern ist der Pullacher Vermögensverwalter Jens Ehrhardt eher ein Begriff. Der bekannte Vermögensverwalter, der sich 1974 selbstständig machte, schrieb seine Doktorarbeit über „Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt unter besonderer Berücksichtigung monetärer Determinanten“. Ehrhardt: „Vereinfacht war das Ergebnis die starke monetäre Abhängigkeit der Börsen, unabhängig von fundamentalen Faktoren.“ Die Erkenntnis kommt ihm in der aktuellen Lage zugute, wo in den USA die Zinsen auf null fielen und die Geldmenge sehr expansiv wuchs. „Dies hat eine positive Ausstrahlung auf uns, da sich viele Dax-Aktien im mehrheitlichen Besitz der Angloamerikaner befinden“, so Ehrhardt.

Seine Bekanntheit machte sich die RBS – seinerzeit noch unter dem Namen ABN Amro – zunutze und legte 2002 das „Dr. Jens Ehrhardt Zertifikat“ auf. Ehrhardt ist heute noch davon begeistert: „Das Zertifikat wurde auf Wunsch der ABN Amro Bank aufgelegt und stellt eine Art Quasi-Aktienfonds dar. Seit seiner Auflage im Januar 2002 legte es fast 40 Prozent zu und damit circa dreimal so viel wie der Vergleichsindex Euro‧Stoxx 600 in diesem Zeitraum.“ Kurz- und mittelfristig gesehen, fuhr das strukturierte Produkt des promovierten Experten aber Verluste ein. Und gemessen an anderen Vergleichsindizes, wie etwa dem deutschen MDax, sieht es auch nicht mehr so rosig aus (siehe Grafik).

Anders vorgestellt hatte sich sicherlich auch die Commerzbank den Erfolg ihrer Produkte mit dem Technischen Leiter der Bank, Achim Matzke. Der Chartanalyst, gekürt zum und vermarktet als Analyst des Jahres, tritt nicht nur im bankeigenen TV-Programm auf, sondern auch in anderen Fernsehsendungen. Der Vertrieb freut sich, der Anleger nur bedingt: Hat das ideasTV-Zertifikat von Matzke doch in zwölf Monaten 5,3 Prozent an Wert verloren. Verglichen mit dem Dax, der zehn Prozent einbüßte, ist das zwar eine sogenannte Outperformance von 4,7 Prozentpunkten. Mit einer zehnjährigen Bundesanleihen etwa hätten Anleger aber 4,5 Prozent gewonnen.

Bekannte Namen, kaum Ertrag

Ebenfalls Analyst des Jahres – allerdings in Österreich – konnte sich auch schon einmal Günther Artner nennen. Der 38-Jährige leitet die Research-Abteilung der Ersten Bank aus Wien. Als die österreichische Presse ihn und seine zehn Kollegen regelmäßig auszeichnete, kamen Kunden auf sie zu, „ob sie ihre Empfehlungen nicht in einem Zertifikat bündeln könnten“, erzählt Artner. Und seine Research-Abteilung war gleich so selbstbewusst, nicht nur ein Zertifikat mit einem Korb der von ihnen beobachteten, favorisierten österreichischen Aktien zu lancieren, sondern auch ein dazugehöriges Alpha-Zertifikat, bei dem sich die Rendite des Anlegers aus der Differenz zwischen der Auswahl der Analysten und der Entwicklung des ATX-Index ergibt. Sind die Analysten mit ihren Empfehlungen also besser als der Markt, steht das Alpha-Zertifikat im Plus. Wer das Zertifikat vor drei Jahren gekauft hat, ist heute immerhin um 13,2 Prozent reicher. Die Erste Bank verlangt keine Managementgebühr, behält dafür aber die Dividenden ein und verdient dadurch ihr Geld.

Auch die österreichische Raiffeisen Centrobank (RCB) und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verbriefen das Know-how ganzer Research-Abteilungen. Allerdings bisher weniger erfolgreich.

Hendrik Leber, Gründer von Acatis Investment, kopiert die Anlagestrategien der amerikanischen Universitätsstiftungen. Sein Zertifikat der LBB mit dem klingenden Namen College verlor jedoch fast 20 Prozent innerhalb eines Jahres an Wert.

Geldanlage vom Lobbyblatt

Selbst Presseorgane sind sich nicht zu schade, für Anleger Zertifikate zu entwickeln. So hatte die Zeitschrift „Capital“ (Gruner + Jahr) 2002 in Zusammenarbeit mit der Dresdner Bank das Zertifikat Capital Best Choice World mit fester, bereits geendeter Laufzeit auf den Markt gebracht. Darin sollten die besten zehn Aktien der Welt enthalten sein. Aber schon nach einem halben Jahr lag Best Choice 40 Prozent unter Wasser. Die Auswahl fuhr nicht nur Verluste ein, sondern rief auch den deutschen Presserat auf die Bühne, der einen Interessenkonflikt zwischen Journalisten und Zertifikate-Macher sah.

Auch nicht gerade von Erfolg gekrönt ist das noch laufende Zertifikat der Zeitschrift „Der Aktionär“ (Börsenmedien). Es verbrieft den Index TSI des Blattes, um deren genaue Zusammensetzung das Anlegermagazin allerdings ein Geheimnis macht. Es handelt sich dabei um deutsche Aktien mit einem Aufwärtstrend. In zwölf Monaten verlor das Zertifikat 42,8 Prozent an Wert. Das Lobbyblatt „ZertifikateJournal“ müsste es eigentlich besser wissen. Doch mit seinem Korb aus Zertifikaten schaffte es im gleichen Zeitraum auch nur einen Verlust. Selbst wenn dieser mit minus 13,1 Prozent deutlich kleiner ausfiel. Freude an vermeintlichen Expertenstrategien sieht anders aus.

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