Unseriös sind oft solche Börsengänge, bei denen das Anlegergeld überwiegend bei den bisherigen Eigentümern landet. Denn dann fehlt dem Unternehmen Geld für wegweisende Zukunftsinvestitionen, während die Alteigner sich weitgehend aus dem Staub machen und nur noch kleine Anteilspakete behalten. Das kann das Angebot unglaubwürdig machen und ist besonders schade, weil die Alteigentümer dadurch dem Ruf ihres an sich soliden Unternehmens schaden können. Dagegen steigern Alteigentümer Vertrauen in den Börsenkandidaten, indem sie auch nach dem Börsengang einen gewichtigen Aktienbestand halten und vor dem Verkauf ihrer Restaktien verbindliche Mindesthaltedauern einhalten.
Auf diese Weise bleibt das finanzielle Schicksal der alten Eigentümer für einige Zeit mit dem der neuen Aktionäre verbunden, die das Unternehmen noch nicht so lange kennen. Wer sich als Privatanleger eine Meinung über ein an die Börse strebendes Unternehmen bilden will, kann aus der geplanten Verteilung des IPO-Erlöses mitunter mehr herauslesen als aus den oft rosigen Prognosen der Investmentbanken über die angeblichen Wachstumschancen eines Börsenkandidaten.
Manchmal sind es die Gründer oder deren Erben, die ein Unternehmen an die Börse bringen. Oft sind aber professionelle Finanzinvestoren am Ruder, die ihre Anteile nur einige Jahre gehalten haben. Die Bewertung der Leistung dieser Finanzinvestoren aus Sicht der Anleger kann unterschiedlich ausfallen. Im guten Fall haben sie dem Unternehmen zu Wachstum verholfen, sodass es eine für den Kapitalmarkt kritische Masse erreichen konnte und ein professionelles Management eingesetzt, das fit für die Börse ist. Im schlechten Fall haben sie dem Unternehmen hohe Schulden aufgebrummt und fleißig Gewinne abgeschöpft und wollen nun die ausgezehrte Substanz dem Kapitalmarkt unterjubeln.
Mit einem Börsengang gehen also viele Risiken einher. Ökonomisch gesprochen, stecken in einem Börsengang die perfekten Zutaten für „Moral Hazard“, also für verdeckte Handlungen zum Schaden anderer: Es handelt sich um ein komplexes Produkt, dessen Qualität kaum abschätzbar ist, dazu verfügen die Alteigentümer über einen gewaltigen Wissensvorsprung gegenüber den Neuaktionären und außerdem kann selbst der bestinformierte Investor die unsichere Zukunft nicht vorhersehen.
Risikoscheue Anleger sollten sich daher bei Börsengängen lieber zurückhalten. Wenn der Neuzugang sich am Markt bewährt hat, kann man die Aktie immer noch jederzeit kaufen. Dafür ist die Börse schließlich da.
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