Anleihe-Versteigerung Bund kommt für 30 Jahre so günstig an Geld wie nie

Deutschland leiht sich Geld für 30 Jahre und bietet dafür eine Rendite von weniger als einem halben Prozent. Dennoch ist die Nachfrage nach der Anleihe groß. Die Risiken sind es aber auch.

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Selbst für eine 30-jährige Bundesanleihe gibt es kaum noch Zins. Quelle: Imago

Frankfurt Schon wieder ein Rekord am Rentenmarkt. Und ein gutes Geschäft für Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und damit für den deutschen Steuerzahler: Deutschland hat seine in 30 Jahren fällige Anleihe aufgestockt und muss Anlegern dafür nur eine Rendite von 0,45 Prozent zahlen. So günstig kam der Bund über diese lange Laufzeit noch nie an frisches Geld. Vor gut einem Monat zahlte er bei einer Auktion für einen 30-Jahres-Bond noch 0,62 Prozent.

Weniger als ein halbes Prozent Rendite ist selbst bei der aktuellen Mini-Inflation von 0,3 Prozent kein gutes Geschäft, wenn man bedenkt, was in 30 Jahren alles passieren kann. 1986 waren zum Beispiel BRD und DDR noch zwei getrennte Staaten. Die 30-jährige Anleihen der BRD rentierten im Herbst 1986 mit über sechs Prozent. Damals lag die Inflationsrate angesichts eines kollabierten Ölpreises sogar bei minus 0,1 Prozent. Doch nach der Wiedervereinigung schnellte die Inflationsrate Anfang der 1990-er Jahre auf bis zu fünf Prozent, und die 30-jährige Bundesanleihe warf zwischen 7,2 und 8,6 Prozent Rendite ab.

Von solchen Renditen können Anleger heute nur träumen. Positive Renditen sind bei Bundesanleihen Mangelware. Deutsche Staatspapiere mit bis zu zehn Jahren Laufzeit rentieren im Minus. Wer heute eine zweijährige Bundesanleihe kauft und sie bis zur Fälligkeit hält, macht damit einen Verlust von 0,6 Prozent, bei fünfjährigen Papieren sind es 0,5 und bei der zehnjährigen 0,04 Prozent.

In der Minus-Welt scheinen somit die 30-jährigen Anleihen vergleichsweise attraktiv. „Investoren suchen aufgrund der politischen Unsicherheit einerseits weiter nach sicheren Häfen, gleichzeitig aber aufgrund der niedrigen Renditen dieser Titel nach Vermögenswerten, die noch einen auskömmlichen Ertrag versprechen“, erklärt Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege für Deutschland, Österreich und die Schweiz beim Fondshaus Blackrock.

Doch „sichere Häfen“ sind deutsche Bundesanleihen allenfalls für Investoren, die sie bis zur Fälligkeit halten. Dann wissen sie jetzt schon, dass sich ihr Investment über 30 Jahre jedes Jahr mit den mageren 0,4 Prozent verzinst. Doch auch Anleihen werden während der Laufzeit gehandelt und bergen damit Kursrisiken. Bei den Langläufern sind die Absturzgefahren so groß, dass einem schwindlig werden kann. Dass es Kursrisiken gibt, zeigt schon ein Blick auf die Inflationsprognosen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will die Teuerungsrate im Euro-Raum mittelfristig wieder auf knapp zwei Prozent bringen. Dabei gibt sie alles, um die Kreditvergabe und damit die Wirtschaft und die Inflationsrate anzukurbeln: Der Leitzins ist bei null Prozent, der Einlagenzins, zu dem Banken Geld bei der EZB parken, liegt bei minus 0,4 Prozent, es gibt Langfristkredite für Banken, die tatsächlich Geld verleihen wollen, zu Mini- bis Minus-Zinsen. Dazu kommt das inzwischen pro Monat 80 Milliarden Euro schwere Anleihekaufprogramm der EZB. Zwar zweifeln viele Ökonomen an der Wirkung der europäischen Geldpolitik. Doch dass die Inflation in 30 Jahren noch so niedrig liegt wie heute, glaubt niemand.

Mit steigenden Teuerungsraten, die empfindlich an den Erträgen von Anleihen zehren, steigen in der Regel aber auch die Kapitalmarktzinsen, sprich die Anleiherenditen. Wichtig zu wissen: Anleihen mit längerer Laufzeit reagieren empfindlicher auf Zinssteigerungen, weil Anleger ihr Kapital länger binden. Das bedeutet: Die Kurse der Langläufer beziehungsweise der Anleihen mit hoher Duration fallen stärker, wenn die Kapitalmarktzinsen steigen. Verstärkt wird das durch die niedrigen Zinskupons.


Massive Kursverluste drohen

Wenn die Rendite der jetzt aufgestockten 30-jährigen Anleihe von 0,5 auf zwei Prozent steigt, geht dies mit einem Kursverlust von sage und schreibe 47 Prozent einher. Bei einer zehnjährigen Anleihe ginge ein ähnlicher Renditeanstieg mit einem Kursverlust von 18 Prozent einher, bei einer fünfjährigen wären es gut zehn Prozent und bei einer zweijährigen etwas mehr als 3,5 Prozent. Und es geht sogar noch besser: Andere Länder wie Frankreich oder Italien haben sogar Anleihen mit Laufzeiten von 50 Jahren ausstehen. Hier drohen bei Zinsanstiegen noch größere Kursverluste.

Doch das schert institutionelle Investoren auf der Suche nach Rendite aktuell nicht. Dazu kommt, dass gerade Versicherer Anleihen mit langer Laufzeit und festen Kupons suchen, um ihre Auszahlungsverpflichtungen begleichen zu können. Außerdem spielt auch die Spekulation auf zunächst noch weiter steigende Kurse eine Rolle.

Ein Grund dafür ist das Anleihekaufprogramm der EZB. Da inzwischen Bundesanleihen mit einer Laufzeit von bis zu sieben Jahren unter dem negativen Einlagensatz der Notenbank von minus 0,4 Prozent rentieren, darf die EZB diese Papiere nicht kaufen. Die EZB beziehungsweise die Bundesbank müssen aber pro Monat Bundesanleihen im Umfang von mehr als zehn Milliarden Euro erwerben. Deshalb wendet sich auch die EZB verstärkt den Langläufern zu. Und das – so die Spekulation – wird die Kurse noch weiter treiben – und die Renditen im Umkehrschluss drücken.

Bislang hat das auch funktioniert. Der Kurs der mit einem Kupon von 2,5 Prozent verzinsten Bundesanleihe liegt schließlich bei 165 Prozent. Anfang des Jahres waren es noch 129 Prozent bei einer Rendite von gut einem Prozent. Investoren, die Anfang des Jahres zugriffen, konnten also allein einen Kursgewinn von mehr als 20 Prozent verbuchen.

Das weckte den Appetit der Investoren auf mehr: Der Bund hatte jedenfalls auch kein Probleme mit der Nachfrage bei der Aufstockung der 30-jährigen: Für die Anleihe im Umfang von einer Milliarde Euro gab es Kaufaufträge im Volumen von 1,2 Milliarden Euro, der Bond war damit – anders als viele andere Bundesanleihen in diesem Jahr – bei der Platzierung überzeichnet. Allerdings ist das Volumen von einer Milliarde Euro auch überschaubar. Seit diesem Jahr bietet der Bund den Investoren die 30-jährigen Anleihen in den Auktionen in kleineren Aufstockungshäppchen von nur einer Milliarde Euro an – und bekam dabei in bislang fünf von sieben Fällen mehr Nachfrage als Angebot.

Die nächste Aufstockung der 30-jährigen Anleihe steht am 14. September auf der Agenda – sechs Tage nach der September-Ratssitzung der Europäischen Zentralbank. Bei dieser will die Notenbank ihre neue Wachstums- und Inflationsprognosen für die Euro-Zone vorstellen. Die professionellen Marktbeobachter, die regelmäßig von der EZB in einer Umfrage nach ihren Wirtschafts- und Inflationsprognosen befragt werden, hatten in der vergangenen Woche ihre Prognosen gesenkt. Dies, meint Christian Reicherter, Analyst bei der DZ Bank, könnte die EZB zum Anlass nehmen, ihr bislang auf bis mindestens März 2017 datiertes Anleihekaufprogramm zu verlängern. Bei der letzten Sitzung hatten die Währungshüter erneut Bereitschaft, Handlungswillen und Handlungsfähigkeit betont.

Eine Verlängerung des Anleihekaufprogramms könnte in der Tat den Anleihen nochmal kurzfristig einen Kursschub nach oben geben und die Renditen somit weiter drücken. Dennoch sind die Aussichten für Anleihen auf nur etwas längere Sicht schlecht. Denn selbst die gesenkten Inflationsprognosen der von der EZB befragten Analysten liegen – unter anderem wegen des gestiegenen Ölpreises – für 2017 bei 1,2 und für 2018 bei 1,5 Prozent. Auch Experten wie zum Beispiel Franceso Garzarelli, der bei Goldman Sachs das Märkte- und Makro-Research leitet, warnen schon lange, dass die Inflationserwartungen an den Märkten zu gering sind – und dies Investoren teuer zu stehen kommen könnte.

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