Anleihen Anleger fliehen in Sicherheit

Der „Trump-Schock“ treibt Investoren weltweit in die als ausfallsicher geltenden Anleihen aus dem Euro-Raum und den USA. Doch lange anhalten dürfte der Andrang nicht – die Renditen ziehen schon wieder an.

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Der Anleihemarkt schwankt heftig. Quelle: dpa

Frankfurt Zumindest eins funktioniert bei Investoren: der Reflex. Bei Unsicherheiten heißt es: Rein in Anleihen der Industrienationen – bei denen zumindest die Rückzahlung als sicher gilt. Genau das zeichnet sich jetzt ab. Der „Trump-Schock“, wie die Commerzbank den überraschenden Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen nennt, treibt Investoren in Anleihen. Die Kurse steigen, und die Renditen fallen kräftig. Die Rendite der für die Euro-Zone richtungweisenden zehnjährigen Bundesanleihe ist im frühen Handel um neun Basispunkte oder 0,9 Prozentpunkte zunächst auf nur noch 0,9 Prozent abgesackt. Neun Basispunkte klingt nicht nach viel – ist für Bund-Renditen aber eine Menge in so kurzer Zeit. Und das dürfte noch nicht das Ende sein: „Die zehnjährige Bund-Rendite dürfte wieder auf null Prozent fallen“, ist Michael Leister, Zinsstratege bei der Commerzbank überzeugt. Doch eine lineare Bewegung wird das nicht. Zuletzt stieg die Rendite wieder etwas auf 0,14 Prozent.

Nicht nur Bundesanleihen profitieren von der Flucht in die Sicherheit, sondern auch die Bonds von anderen Kernländern der Euro-Zone wie Frankreich, Finnland, Österreich, Belgien oder den Niederlande. Hier sinken die Renditen zehnjähriger Bonds auf zum Beispiel 0,26 Prozent in den Niederlanden und 0,57 Prozent in Frankreich. Die Renditen der Anleihen der schwächeren Euro-Länder halten sich relativ stabil; die zehnjährigen Renditen in Italien steigen marginal auf 1,74 Prozent in Italien und 1,26 Prozent in Spanien und 3,21 Prozent in Portugal. Eine Panik mit steigenden Risikoprämien wie beim Votum der Briten gegen die EU Ende Juni gibt es nicht. Kein Wunder, denn zunächst geht es ja nicht um die Euro-Zone, sondern um die USA.

Der Anleihehandel in den USA eröffnet erst am Nachmittag deutscher Zeit, doch gehandelt werden die Bonds natürlich auch jetzt schon – und auch hier zeichnet sich eine Flucht in die Sicherheit ab. Die Rendite der zehnjährigen Treasuries genannten US-Staatsbonds fiel zunächst um 0,05 Prozentpunkte auf 1,81 Prozent. Die Strategen der britisch-asiatischen Großbank HSBC rechnen damit, dass die Rendite zehnjähriger US-Anleihen auf ein Band zwischen 1,35 und 1,65 Prozent fallen wird. Das liegt auch daran, dass Investoren jetzt zunächst die nächste Leitzinserhöhung der US-Notenbank Fed im Dezember abschreiben. Der Wahlsieg von Trump – beim ebenfalls überraschenden gleichzeitigen Sieg der Republikaner im Repräsentantenhaus im Kongress – wird nach Meinung von Phil Milburn, Fondsmanager bei Kames Capital „in allen Bereichen der Politik so viel Unsicherheit bescheren, dass die Fed wohl zunächst abwarten wird“.

„Würde Trump nur die Hälfte seiner markigen Versprechungen aus dem Wahlkampf einlösen, dürfte dies bereits für viel Unruhe sorgen“, meint auch Stefan Kreuzkamp, Chefanlagestratege bei der Deutsche-Bank-Tochter Deutsche Asset Management. Trump hatte unter anderem für die Einführung von hohen Zöllen für Waren aus Mexiko und China plädiert, er stellt das Freihandelsabkommens Nafta infrage, will eine Mauer entlang der Grenze zu Mexiko bauen und illegale Einwanderer ausweisen.

Dennoch sind Investoren überzeugt, dass es schon bald zu einer Trendumkehr bei US-Staatsanleihen kommen könnte. Der Grund: „Mittelfristig würde eine vollständige Umsetzung von Trumps Vorhaben zu einem kräftigen Anstieg des Haushaltsdefizits führen, da er mindestens doppelt so hohe Infrastrukturausgaben wie Clinton plant und zugleich die Steuern senken will“, warnt Valentijn van Nieuwenhuijzen, Chefstratege beim Fondshaus NN Investment Partners. Die Trump-Politik würde die Inflation anziehen lassen und deshalb könnte es laut van Nieuwenhuijzen „zu einer Trendumkehr bei den Anleiherenditen kommen, so dass diese wieder ansteigen“.

Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn die Fed zur Eindämmung der Inflationserwartungen eine aggressivere Politik verfolgte. Dazu kommt: „Trump hat die Fed deutlich kritisiert und der politischen Einflussnahme bezichtigt, weil sie die Zinsen niedrig hält“, betont Paresh Upadhyaya, Währungsstratege bei Pioneer Investments. Die erste Chance zur Absetzung Fed-Chefin Janet Yellens hätte Trump zwar erst 2018, nach Ende ihrer vierjährigen Amtszeit. Vorher könnte er jedoch ihre Autorität durch die Besetzung zweier Gouverneursposten, von denen er einen als Nachfolger Yellens designieren kann, untergraben. Dabei würde Trump laut Upadhyaya, wohl Kandidaten benennen würde, die sich für steigende Zinsen stark machen.

Doch nicht nur in den USA, sondern auch im Euro-Raum erwarten Strategen schon bald wieder fallende Kurse und steigende Renditen an den Anleihemärkten. Nach Ansicht der Commerzbank dürfte sich der Fokus nach den US-Wahlen nun gerade auf das „Populismus-Risiko“ richten. Dieses dürfte sich mit Blick auf das Referendum in Italien, die Präsidentschaftswahl in Österreich in diesem sowie den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden im kommenden Frühjahr verstärkt haben. Die Commerzbank rät Investoren wegen drohender Kursverluste dazu, italienische Staatsanleihen zu verkaufen.

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