Anleihen-Crash Abpfiff für die Zinswende

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Volatilität könnte weiter steigen

Durch das QE-Programm ist die EZB selbst ein beherrschender Spieler am Markt geworden und das Bankensystem ist der Broker für dieses Programm. Somit ist das Handelsmotiv die treibende Kraft am Markt. Anleiheinvestments bringen durchaus noch Rendite, nämlich dann, wenn die Anleihen wie Aktien gehandelt werden. Die Spekulation richtet sich auf die Kurs- beziehungsweise Renditeveränderung.

Das absolute Renditeniveau und die Frage, ob daraus Verpflichtungen erfüllt werden können, treten in den Hintergrund. Insofern verwundert es nicht, wenn die Big Five der weltweit agierenden US-Banken (Goldman Sachs, Citigroup, Bank of America, JP Morgan und Wells Fargo) ihren Reingewinn des ersten Quartals in Höhe von zusammen 22 Milliarden Dollar maßgeblich im Anleihehandel verdient haben. Und die Volatilität könnte noch weiter steigen.

Ökonomen zu den Staatsanleihenkäufen der EZB

Am 21. April twitterte der US-Starinvestor Bill Gross, Wetten auf fallende Kurse zehnjähriger Bunds seien der Short des Lebens. Dass „Bond-Gurus“ wie Gross öffentlich über das Eingehen von Short-Positionen sinnieren – fraglich bleibt, ob sie derartige Strategien auch selbst umsetzen oder lieber nach ihren medienwirksamen Statements heimlich auf die Gegenseite gehen – könnte bei den Lenkern des Smart Money, die gerne jede Kurve am Markt ausfahren, den Spieltrieb geweckt haben.

Die EZB wird es gewiss gewurmt haben, dass ausgerechnet seit Beginn des QE-Programms die Renditen gestiegen sind. Aber kein Leerverkauf ohne eine Wertpapierleihe! Worüber trotz der großen Relevanz noch nicht viel berichtet wurde: Die EZB selbst stellt dem Markt die zuvor aufgekauften Anleihen per Wertpapierleihe zur Verfügung. Damit soll ein Austrocknen des Marktes verhindert werden.

Mario Draghi dürfte sich also die Hände reiben, wenn „Shorties“ großvolumig Anleihen am Markt leer verkaufen. Denn so kann er jederzeit einen Short-Squeeze auslösen. Die kurzfristig angekündigte Volumenausweitung des QE-Programms in den kommenden Wochen könnte genau darauf abgezielt haben. Offiziell mit saisonalen Liquiditätsschwankungen am Markt während der Sommermonate begründet, drängt sich der Verdacht auf, dass der eigentliche Hintergrund der Aktion war, eine kraftvolle Gegenreaktion auf den jüngsten Renditeanstieg auszulösen.

Die EZB will so eindrucksvoll beweisen, dass nur sie allein die Zügel führt und entscheidet, wohin Renditen, Euro und Aktien laufen. Die EZB macht deutlich, dass sie sich, trotz der Fragwürdigkeit ihres Programms, noch nicht am Ziel fühlt und ein Stopp der Anleihekäufe kaum in Frage kommt. Das ist noch kein fester Boden, auf dem eine Zinswende gedeiht.

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