Anleihen Schock am Bondmarkt

Investoren fliehen in sichere Bundesanleihen. Anleihen der Euro-Randländer werfen sie aus den Depots. Doch eine neue Euro-Krise droht nur bei einem „Rosenkrieg“ zwischen den Briten und der EU.

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Der Brexit hat auch Rentenanleger auf dem falschen Fuß erwischt. Quelle: dpa

Frankfurt Der Brexit ist da – und der Blick auf die erste Reaktion der Anleihemärkte nach dem Votum der Briten gegen die Europäische Union weckt böse Erinnerungen an die Euro-Krise. Das Misstrauen gegenüber den Anleihen der Euro-Randländer Spanien, Italien und Portugal ist wieder da. Die Kurse ihrer Anleihen fallen, und die Renditen schnellen zwischen 0,15 und 0,30 Prozentpunkte nach oben. Das klingt zunächst nicht nach viel, sind aber am Rentenmarkt deutliche Sprünge innerhalb so kurzer Zeit.

Gleichzeitig greifen Investoren zu Bundesanleihen, bei denen sie keinen Zahlungsausfall erwarten. „Wenn Großbritannien, die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt nicht mehr in der EU bleiben will, kommen wahrscheinlich Zweifel auf, ob die EU in ihrer derzeitigen Form fortbestehen kann“, meint David Zahn, Leiter des Anleihegeschäfts beim Fondshaus Franklin Templeton.

Die Rendite der viel beachteten zehnjährigen deutschen Staatsanleihe fällt um bis zu 0,12 Prozentpunkte auf minus 0,17 Prozent. So niedrig lag sie noch nie. Investoren, die jetzt einsteigen und die Bonds bis zur Fälligkeit halten, machen garantiert einen Verlust. Doch das ist ihnen offensichtlich egal, solange das Geld zumindest mit Blick auf die Zahlungsfähigkeit des Bundes sicher angelegt ist.

Hinzu kommt: Kurzfristig könnten deutsche Anleihen Investoren sogar noch Gewinne bescheren. So rechnen die Strategen der DZ Bank damit, dass die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe auf bis zu minus 0,25 Prozent sinken könnte. Das würde im Umkehrschluss einem Kursgewinn von rund zwei Prozent entsprechen. In diesem Jahr ist der Kurs der zehnjährigen Bundesanleihe bereits um mehr als sechseinhalb Prozent gestiegen.

Die Renditen zehnjähriger spanischer und italienischer Staatsanleihen steigen im Gegenzug auf bis zu 1,8 Prozent, die der portugiesischen auf bis zu 3,5 Prozent. Die Risikoprämien – also der Renditeabstand zu deutschen Bundesanleihen – haben sich damit um 0,3 und 0,5 Prozentpunkte vergrößert. Einen so deutlichen Anstieg innerhalb weniger Stunden gab es lange nicht. Später fallen die Renditen der Euro-Randländer allerdings von ihren Tageshoch. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen notiert immer noch im Minus, aber nicht mehr ganz so niedrig wie zu Handelsbeginn.

Insgesamt erinnern die ersten Marktreaktionen aber an die Zeiten der Euro-Krise, die erst gestoppt wurde, als Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) in seiner berühmten Londoner Rede am 26. Juli 2012 versprach, die Notenbank werde alles in ihrer Macht stehende tun, um den Euro zu retten. Dennoch: Panik ist nicht angebracht. Die Renditen auch der Euro-Randländer sind nämlich trotz des Anstiegs immer noch sehr niedrig. Vor der Draghi-Rede vor gut vier Jahren lagen sie zwischen 6,5 Prozent für Italien und mehr als elf Prozent für Portugal.


Zentralbanken stehen bereit, um zu handeln

So glaubt auch David Zahn von Franklin Templeton, dass sich die Risikoprämien der Anleihen nicht so sehr ausweiten werden, dass die Investoren die Zukunft der EU infrage stellen. Dabei dürfte auch helfen, dass die EZB ihre lockere Geldpolitik fortsetzt und im Zweifelsfall ihr Anleihekaufprogramm ausweitet, meint Zahn. „Die Zentralbanken stehen bereit, um zu handeln“, betont auch Mondher Bettaieb, Fondsmanager bei Vontobel Asset Management. Dazu kommt: Wie die Briten jetzt mit dem Ausgang des Referendums umgehen, ist völlig unklar.

Nur wenn es zu einem „Rosenkrieg“ kommt, ist mit einer Rückkehr der Euro-Krise zu rechnen, betonen die Strategen der DZ Bank. Dafür malen sie alleridings ein Horrorszenario: Nach dem bereits angekündigten Rücktritt von Großbritanniens Premier David Cameron würden die Schotten ein neues Unabhängigkeitsreferendum durchsetzen und die politische Unsicherheit würde die Verhandlungen über die Konditionen für den Brexit erschweren. „In diesem Fall würde der Austritt der Briten Begehrlichkeiten unter den EU-kritischen Parteien wecken und die Krise würde neue entfacht“, meint die DZ Bank. Dann würden auch die Risikoprämien „nach oben schießen.

Doch dass es so weit kommt, glauben Strategen eben nicht. Nicht nur die DZ Bank setzt auf eine „einvernehmliche Scheidung“, bei der eine innenpolitische Krise in Großbritannien ausbleibt, die Schotten keine neue Unabhängigkeitsbewegung anstreben und die Verhandlungen konstruktiv vorangehen, da beide Seiten an einer Einigung interessiert sind. Damit würde auch eine politische Krise innerhalb des Euro-Raum ausbleiben. Nach der anfänglichen Unsicherheit würde sich so auch am Markt wieder die Überzeugung durchsetzen, dass der Brexit zwar die britische Wirtschaft dämpft, aber keine Rezession und kein Auseinanderbrechen der Euro-Zone droht.

„Alles hängt davon ab, wie die Beziehung zwischen Großbritannien und Europa verhandelt wird“, meint auch Eric Lonergan, Fondsmanager bei M&G Investments: „Entscheidend ist von daher nicht wie der heutige Tag ausgeht, sondern wo wir in einem Monat oder einem Jahr stehen.“ Für Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, ist die Sache klar: „Jetzt heißt es erst einmal einen kühlen Kopf bewahren. Das britische Votum bedeutet nicht das Ende des europäisch-britischen Verhältnisses.“ Auch Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz mahnt zur Besonnenheit: „Die Sorge, dass der britische Austritt den Anfang vom Ende der EU einläutet, halten wir für übertrieben.“ Die EU müsse sich allerdings deutlich stärker um die Befindlichkeiten von Euro-Skeptikern und politischen Protestbewegungen kümmern.

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