Anleihenmarkt Diese Blase darf nicht platzen

Die Rendite von vielen Staatsanleihen ist am Mittwoch auf neue Rekordtiefs gefallen. Warum diese Bonds trotz Minuszinsen weiter gefragt sind und was passieren kann, wenn die Anleihenrenditen wieder steigen sollten.

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Eine riesige Seifenblase schwebt vor dem Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB). Sollte die derzeitige Anleihenblase platzen, dürfte es fatale Auswirkungen auf den Finanzmärkten geben. Quelle: dpa

Düsseldorf Die Renditen vieler Staatsanleihen sind am Donnerstag leicht gestiegen, nachdem sie am Vortag in einigen Fällen Rekordtiefstände erreicht. US-Treasuries rentierten einen knappen Basispunkt höher bei 1,38 Prozent, und die Rendite deutscher Bunds war bei minus 0,176 Prozent wenig verändert. Der Bund Future gab vier Basispunkte auf 167,68 Prozent nach.

Die Käufer nehmen die Negativrenditen in Kauf, weil sie nicht nur zu schätzen wissen, dass beim deutschen Staat angelegtes Geld zumindest gegen Totalausfälle gesichert sein dürfte. Sie spekulieren auch darauf, dass die Anleihen weiter ein Kaufmagnet sind. Wer schon Papiere hat, wenn andere einsteigen, kann sie mit Kursgewinnen verkaufen. Doch daraus kann mittelfristig ein Problem erwachsen: Wenn der Markt sich dreht, bleiben Investoren auf Papieren sitzen, die sie bei Minusrenditen ins Depot genommen haben.

Ein Ende des Rendite-Abwärtsstrudels ist bei den Staatsanleihen allerdings kurzfristig nicht in Sicht: Experten gehen davon aus, dass die Rendite sogar auf minus 0,5 Prozent fallen könnte. Vor dem Brexit-Referendum lag die Rendite immerhin noch bei plus 0,05 Prozent. In den USA ist das Bild ähnlich: Hier fiel die Rendite zehnjähriger US-Treasuries seit dem Nein der Briten zur EU um knapp 0,4 Prozentpunkte auf das Rekordtief von 1,34 Prozent.

Für Sparer ist das alles verheerend. Für Starinvestor Bill Gross, der Pimco einst zur weltgrößten Anleihefondsfirma gemacht hat, „seien Staatsanleihen zu riskant“ bei Renditen, die in vielen entwickelten Märkten nahe am jeweiligen Allzeittief liegen. Er sprach bereits von einer Supernova – also einem explodierenden Stern. Er befürchtet, dass die Minuszinsen die Finanzwelt zerstören könnten. Weltweit erreicht das Volumen von Anleihen mit Negativrendite fast zehn Billionen Dollar, was knapp 40 Prozent der Papiere im Bloomberg-Index für Staatsanleihen aus den Industrieländern (Global Developed Sovereign Bond Index) entspricht.

Für den Marktstrategen Robert Halver von der Baader Bank haben sich die Anleger an immer billigeres Geld gewöhnt. „Kein Investor unter 55 Jahren kennt mehr steigende Anleiherenditen“, sagte er. Eine Richtungsänderung aber hätte fatale Auswirkungen, meint er. Bei einer Umkehr drohe an den Bondmärkten eine Verkaufspanik. Eine große Blasengefahr sieht auch Andreas Gruber, Chefanlagestratege bei der Allianz – gerade bei Bundesanleihen.

Und die Frage ist: Was eigentlich mit den Anleihen, wenn die Europäische Zentralbank ihr Kaufprogramm in Höhe von monatlich 80 Milliarden Euro entweder ausbaut oder im Gegenteil stoppt? Mittlerweile sind fast ein Drittel aller von der Bonität her geeigneten Papiere wegen zu niedriger Zinsen für sie tabu. Manche Analysten rechnen damit, dass die EZB bald vor Engpässen steht, sollte sie die Eckpunkte ihres Kaufprogramms nicht noch verändern.


Kuriose Welt in Großbritannien

Und die Anleihenwelt wird immer kurioser: In Großbritannien stürzen sich Investoren auch auf Anleihen - und das, obwohl die Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit Großbritanniens inzwischen als geringer einschätzen als vor dem Brexit-Votum. Die Rendite zehnjähriger britischer Staatsanleihen lag gestern mit 0,73 Prozent auf einem historischen Tief und ist seit dem Referendum um mehr als 0,6 Prozentpunkte abgesackt.

Auch am Donnerstag waren die neuen Briten-Bonds gefragt. Dem Brexit und seinen Unwägbarkeiten zum Trotz greifen Anleger bei britischen Anleihen beherzt zu. Die 2,25 Milliarden Pfund (2,6 Milliarden Euro) schwere Emission zehnjähriger und mit 1,5 Prozent verzinster Papiere war 2,3-fach überzeichnet, wie die britische Schuldenagentur am Donnerstag mitteilte. Das ist die höchste Überzeichnung für einen konventionellen britischen Bond seit dreieinhalb Jahren. Nur einige indexgebundene Anleihen haben seither größeres Investoreninteresse auf sich gezogen.

Die Durchschnittsrendite der neuen Papiere lag den Angaben zufolge bei 0,91 Prozent. Bei der vorangegangenen Auktion vergleichbarer Papiere Anfang Mai hatte sie noch bei 1,65 Prozent gelegen. Die bereits an der Börse gehandelten zehnjährigen Bonds rentierten am Donnerstag mit 0,79 Prozent nur knapp über ihrem Rekordtief von 0,72 Prozent vom Vortag.

Auf 1,27 Prozent gestiegen ist am Mittwoch die Rendite zehnjähriger italienische Bonds – doch eher aus Sorge um die Zukunft des Landes. Denn wenige Wochen nach ihren Erfolgen bei den Bürgermeister-Stichwahlen ist die Partei „Fünf Sterne“ in Umfragen mit 30 Prozent die stärkste politische Kraft Italiens, noch vor dem Mitte-Links-Lager des Ministerpräsidenten Matteo Renzi. Die EU-kritische Protestpartei will unter anderem die Italiener über einen Verbleib Italiens in der Euro-Zone abstimmen lassen.

Reguläre Parlamentswahlen stehen zwar erst 2018 auf dem Terminplan, Renzi hat seine politische Zukunft aber an das für Oktober angesetzte Referendum über die Verfassungsreform geknüpft. Sie soll unter anderem die Macht des Senats beschneiden und so das politische System Italiens stabiler machen. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat keine Regierung ihre volle fünfjährige Amtszeit überstanden.

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