Anleihezins auf Rekordtief Schuldenkrise? War da was?

Draghi gab vor zwei Jahren den Startschuss, seitdem sind Staatsanleihen aus Südeuropa der Renner an der Börse. Dabei sind die Probleme noch längst nicht behoben. Trotzdem verteilen Anleger fleißig Vorschusslorbeeren.

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Vor zwei Jahren fürchtete man noch den Zerfall der Euro-Zone. Heute ist von dieser Angst nichts mehr zu sehen. Quelle: dpa

Frankfurt Derzeit sind sie an den internationalen Finanzmärkten der letzte Schrei: Staatsanleihen aus Spanien und Italien. Dabei ist es gerade mal zwei Jahre her, dass Anleger einen großen Bogen um die Bonds der hoch verschuldeten Länder im Süden Europas machten. Die Sorge vor einem auseinanderbrechen der Währungszone verunsicherte die Investoren. Doch dann bot Mario Draghi den Spekulanten die Stirn: Am Donnerstag, den 26. Juli 2012, verkündete der EZB-Chef in London, dass die Europäische Zentralbank für den Euro alles Erforderliche tun werde. „Und glauben Sie mir, das wird reichen.“ Die Anleger glaubten ihm. „Draghi hat damals den Startschuss für diese Rally gegeben“, erklärt Analyst Sebastian Sachs von der Metzler Bank.

Das lässt sich am besten an der Entwicklung der Rendite der zehnjährigen spanischen Staatsanleihen ablesen: Noch am Tag vor dem Draghi-Auftritt erreichten sie mit 7,781 Prozent ein Allzeithoch. Am Dienstag rutschten sie auf ein Rekordtief von 2,461 Prozent. Damit liegen die Zinsen für die spanischen Schulden in etwa auf dem Niveau von US-Staatsanleihen. Die weltgrößte Volkswirtschaft zahlt also den Anlegern genauso viel Zinsen auf ihre Bonds wie Spanien, gerade mal die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone.

Ähnlich ist die Entwicklung bei den Anleihen anderer südeuropäischer Länder. Aktuell machen die Analysten der Commerzbank Kuponzahlungen und Kapitalrückflüsse für die Entwicklung verantwortlich. Doch der Trend werde anhalten. Denn schließlich liegen die Leitzinsen in der Euro-Zone auch nur noch bei 0,15 Prozent.

Als ein Grund für den Run auf die Staatsanleihen insgesamt gelten die zahlreichen Krisenherde: Wegen der Konflikte in der Ukraine, dem Krieg im Gaza-Streifen oder die immer wieder aufflackernden Kämpfe im Irak, Libyen oder Syrien scheuen viele Anleger das Risiko. „Nur aus der Euro-Zone selbst kommen derzeit keine Störfeuer“, erklärt ein Händler.

Viele Börsianer halten zwar den Rückgang der Renditen angesichts der fundamentalen wirtschaftlichen Entwicklung in den südeuropäischen Ländern für übertrieben und warnen vor Gegenreaktionen. „Allerdings war der Anstieg vor zwei Jahren auch nicht gerechtfertigt“, schränkt einer ein. Und in einigen Ländern habe sich die Konjunktur zudem doch verbessert. Erst am Dienstag erhöhte Spaniens Regierung ihre Wachstumsprognose . „Die Euro-Schuldenkrise ist vorbei“, sagt ein Börsianer. „Auch wenn die Probleme noch nicht behoben sind. Es gibt aber Fortschritte, und das honorieren die Anleger.“

Skeptiker verweisen aber auf die weiter verheerende Lage an den Arbeitsmärkten in Südeuropa. So fiel in Spanien die Arbeitslosigkeit im zweiten Quartal zwar unter die 25-Prozent-Marke. Doch bleibt sie immer noch eine der höchsten in der Europäischen Union.


Investoren vertrauen auf Draghi

Hinter der Entwicklung könnten auch Umschichtungen asiatischer Marktteilnehmer stecken, mutmaßt ein anderer Experte. „Das sieht so aus, als würden dort viele Investoren den Dollar nicht mehr wollen.“ Beweisen könne er das aber nicht. Die Kursentwicklung des Euro spreche aber für seine These.

Die Gemeinschaftswährung hat seit Jahresbeginn Federn gelassen. Doch angesichts der gegensätzlichen geldpolitischen Ausrichtungen in den USA und in der Euro-Zone ist der Euro mit Kursen über 1,34 Dollar relativ stabil. Denn während die EZB weitere Geldspritzen vorbereitet, drosselt die US-Notenbank Fed schon die Dollar-Flut. Für nächstes Jahr wird sogar mit einer Zinswende gerechnet. Davon hat der Dollar bislang nur wenig profitiert. Zum Vergleich: Als Draghi den Euro vor zwei Jahren in London verteidigte, notierte er unter 1,23 Dollar.

Hinter den Kapitalströmen dürfte auch die Suche der Anleger nach Rendite stecken. Denn zehnjährigen Bundesanleihen bringen derzeit gerade mal etwas mehr als ein Prozent. „Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann eine null vor dem Komma steht“, warnt ein Händler.

Am Dienstag kam die Rendite der Bundesanleihe mit dem Rekordtief von 1,119 Prozent der null schon recht nahe. Spaniens Papiere rentieren immerhin rund 140 Basispunkte mehr. Und das Risiko für den Anleger, dem Mittelmeerstaat sein Geld anzubieten, gilt als relativ gering. Denn die EZB steht ja schon Gewehr bei Fuß, um im Herbst gezielt gerade die Länder der Peripherie mit zusätzlichen Geldspritzen zu versorgen. „Solange Draghi sein Versprechen hält, ist das Risiko gering“, fasst Sachs zusammen.

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