Annäherung zwischen USA und Kuba Aktien für das kubanische Wirtschaftswunder

Das Ende der Eiszeit zwischen den USA und Kuba macht Anlegern Hoffnung. Welche Unternehmen durch die wirtschaftliche Annäherung die besten Chancen haben, worauf Aktionäre jetzt setzen können.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Anleger hoffen auf Kuba und USA Quelle: Bloomberg

Fondsmanager Tom Herzfeld hat bewiesen, dass er einen langen Atem hat. Als er 1994 seinen The Herzfeld Caribbean Basin Fund gründete, hielten ihn viele für einen Fantasten. Kein Brokerhaus und keine Investmentbank an der Wall Street war bereit, den Fonds zu zeichnen. Schließlich wollte Herzfeld damit in Aktien von Unternehmen investieren, die von einer marktwirtschaftlichen Öffnung Kubas profitieren würden.

Zwei Dekaden lang bewegte sich der Kurs des an der US-Börse Nasdaq und auch in Deutschland als Aktie gehandelten geschlossenen Fonds Einklang mit den Gerüchten über das baldige Ende des Tropen-Sozialismus. „Jede Nachricht über den angeblichen Tod von Fidel Castro ließ den Kurs in die Höhe schießen“, beobachtet der inzwischen 70-jährige Börsenprofi, der rund 40 Millionen Dollar in seinem Fonds verwaltet. „Bei jeder Tragödie in der Karibik, an der Kuba die Schuld gegeben wurde, brach die Aktie ein.“

Investieren in Kuba

Doch seit dem 17. Dezember 2014 ist das vorbei: Nach 18 Monaten Geheimverhandlungen kündigten die Präsidenten der USA und Kuba in simultanen Fernsehansprachen an, sich nach mehr als einem halben Jahrhundert Funkstille wieder annähern zu wollen: mit einer Aufnahme der diplomatischen Beziehungen und Erleichterungen für Handel, Finanzbranche und Tourismus. Der Kurs von Herzfelds Fonds schoss nach oben. Zeitweise war der Fonds doppelt so viel wert wie die in ihm versammelten Aktien. Als sich jetzt in Panama beim Amerika-Gipfel die Präsidenten Obama und Castro die Hand reichten, legte Herzfelds Fonds erneut deutlich zu. Der Kuba-Experte ist zuversichtlich, dass die USA sogar noch dieses Jahr das Embargo gegen Kuba aufheben könnten. Trotz der ersten Annäherungen ist es US-Unternehmen aber weiter untersagt, wirtschaftliche Beziehungen mit der Insel vor Miami zu unterhalten.

US-Konzerne machen Druck

„Es gibt hinter den Kulissen einen starken Druck von US-Unternehmen, den Handel zu normalisieren“, beobachtet Herzfeld. So war gerade Andrew Cuomo, der Gouverneur des US-Bundesstaates New York, mit einer Gruppe von 20 Unternehmensvertretern, darunter Manager von Mastercard und Pfizer, in Kuba zu Verhandlungen. Das zunehmende Engagement Chinas in Kuba spornt die US-Politik zu größerer Eile an. Dass Obama direkt nach seiner Rückkehr aus Panama ankündigte, Kuba von der Liste der Terrorunterstützer zu nehmen, gibt Herzfeld recht.

Die Geschichte der Kuba-Krise

Mark Mobius, Managing Director bei Franklin Templeton Investments, ist dagegen noch skeptisch. Der fast schon legendäre Schwellenländer-Fondsmanager mit deutschen und puerto-ricanischen Vorfahren bezweifelt, dass ein mehrheitlich republikanischer Kongress und die konservativen Exil-Kubaner in den USA kurzfristig eine Liberalisierung des Handels mit Kuba zulassen werden. Dennoch sieht er Marktchancen für eine ganze Reihe von Unternehmen – vor allem aus Europa und Lateinamerika. „Am Anfang dürfte die neue Entspannungspolitik eher für Unternehmen außerhalb der USA ein Vorteil sein“, sagt Mobius. Auch Exporteure kubanischer Produkte könnten profitieren.

Das geht oftmals zusammen: Das weltweite Exportmonopol der berühmten kubanischen Zigarren besitzt die britische Imperial Tobacco, die vor sieben Jahren den spanischen Konkurrenten Altadis übernommen hat. Mit im Übernahmepaket war auch das Joint Venture mit dem staatlichen kubanischen Zigarrenhersteller Cooperación Habanos SA. Seitdem beliefert die in London notierte Imperial Tobacco Zigarrenfans weltweit mit Cohibas, Montecristos und Partagas – nur eben nicht direkt in den USA, dem weltweit größten Markt für Zigarren. Eine Importliberalisierung würde die Zigarrenumsätze von Imperial Tobacco rasant steigern. Auf den Nettogewinn des Giganten von zuletzt umgerechnet zwei Milliarden Euro würde sich dies allerdings nur im Promillebereich auswirken. Die Aktie ist aber immer noch nicht teuer und sicher einen Blick wert.

Streit um Entschädigung

Ähnlich monopolartig wie Imperial die Zigarren vertreibt der französische Schnapskonzern Pernod Ricard weltweit die kubanische Rummarke Havana Club. Jahrelang stritt sich Pernod Ricard mit dem Konkurrenten Bacardi darüber, wer den Markennamen weltweit benutzen darf. Bacardi hatte den Markennamen der von den kubanischen Revolutionären enteigneten Eigentümerfamilie Arechabala vor 20 Jahren abgekauft und vertreibt den Rum seitdem in den USA unter dem Namen Havana Club. Das starke Lobbying Bacardis in Washington soll 1996 mit zum Helms-Burton Gesetz geführt haben, welches das US-Embargo gegen Kuba noch mal verschärfte. Eine Neuauflage der juristischen Auseinandersetzungen ist wahrscheinlich, sollten kubanische Erzeugnisse schon bald in die USA exportiert werden.

Diese US-Städte blühen auf
Platz zehn: San Antonio-New Braunfels (Texas) Das amerikanische Milken Institut hat Städte und Regionen in den USA mit Blick auf Wirtschaftswachstum, Entwicklung der Arbeitslosenrate und Anstieg der Gehälter untersucht. Dabei kommen die Gemeinden am besten weg, die zur Heimat der Techbranche oder der Ölindustrie geworden sind. Auf Platz zehn des "Best performing cities report 2014 " schafft es die Region San Antonio-New Braunfels in Texas. Die Gesundheitsbranche in der Region ist Arbeitgeber für mehr als 100.000 Menschen. Quelle: USA Today Sports
Platz neun: Dallas-Plano-Irving (Texas)In Dallas sind diverse High-Tech-Firmen beheimatet. Jedoch wächst die Branche dort langsamer als andernorts. Arbeitgeber wie Toyota sowie der Finanzsektor sorgen für steigende Beschäftigtenzahlen und damit für Pluspunkte. Quelle: AP
Platz acht: Fort Worth-Arlington (Texas)Im vergangenen Jahr belegte die Metropolregion Forth Worth und Arlington noch Rang 16 unter den "best performing cities" der USA. 2014 stieg die Region dank General Motors, US Airways und American Airlines um acht Plätze auf Rang acht nach oben. Die genannten Unternehmen sorgten für mehr Arbeitsplätze, steigende Löhne und somit für ein besseres Wirtschaftsklima in der Region. Quelle: REUTERS
Platz sieben: Houston–Sugar Land–Baytown (Texas)Auch der siebte Platz geht an eine Region in Texas: Dank der Öl- und Gasförderung wächst in Houston die Wirtschaft und die Zahl der Beschäftigten. Die Löhne stiegen in der Region um Houston im vergangenen Jahr um bis zu 22 Prozent über dem US-Durchschnitt. Quelle: REUTERS
Platz sechs: Salt Lake City (Utah)Großer Arbeitgeber in Salt Lake City ist beispielsweise die US-Bank Goldman Sachs. Nach New York City ist Salt Lake City der zweitgrößte Standort der Bank. Auch die Universität von Utah ist dort beheimatet. Dank der ansässigen Techfirmen entwickeln sich außerdem Löhne und Bruttoinlandsprodukt in der Region überdurchschnittlich (plus 13 Prozent). Quelle: AP
Platz fünf: Raleigh–Cary (North Carolina)Raleigh ist die Hauptstadt des US-Bundesstaates North Carolina und bildet ein Dreieck mit den Nachbarstädten Chapel Hill und Durham. Die Region verdankt ihr starkes Wirtschaftswachstum der Technologiebranche. Sowohl die Luftfahrtindustrie als auch die IT-Branche sorgen in der Region für Auftrieb. Quelle: AP
Platz vier: San Jose–Sunnyvale–Santa Clara (Kalifornien)In der Region San Jose–Sunnyvale–Santa Clara ist die Dominanz des Technologiesektors entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg. Die Firmen im Silicon Valley beschäftigen mehr als 270.000 Menschen - bei stetig steigenden Löhnen. Quelle: REUTERS

Nicht nur um kubanischen Rum dürfte mit der Öffnung zwischen Kuba und den USA in der Justiz gestritten werden. Zahlreiche Unternehmen und Immobilien wurden von den Revolutionären ohne Entschädigung verstaatlicht. Die Nachfolger – darunter Coca-Cola, ExxonMobil und Colgate-Palmolive – dürften versuchen, nachträglich für die Verstaatlichung entschädigt zu werden. Auf mehr als 1,8 Milliarden Dollar erkannte das US-Justizministerium in den Siebzigerjahren die Entschädigungssumme in 6000 Fällen an – das wären heute mit Zinsen rund sieben Milliarden Dollar. Einige Unternehmen, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, bereiten sich schon länger darauf vor, Klagen gegen Kuba zu erheben. Besonders exotisch ist der Fall des Büroartikelherstellers Office Depot. Nach mehreren Vereinbarungen und Fusionen in den letzten Jahren gehört dem Marktführer für Bürobedarf in den USA und Kanada heute der staatliche kubanische Stromproduzent – zumindest auf dem Papier. Im Revolutionsjahr versorgte das Stromunternehmen 90 Prozent Kubas mit Strom. Auch der Bergbaukonzern Freeport McMoRan Copper & Gold verlangt Entschädigungen für eine enteignete Nickel-Kobalt-Mine in Moa Bay von Kuba. Die Starwood-Hotel-Kette hat jahrelang gezielt Titel und Urkunden von enteigneten Immobilien in Kuba aufgekauft. Heute gehört Starwood eine große Immobilie nahe des Flughafens von Havanna – theoretisch.

Investitionen in Aktien von Unternehmen, die auf Entschädigung setzen, sind allerdings ein langwieriges und höchst unsicheres Geschäft: Ob die klagenden Unternehmen jemals in Dollar entschädigt werden, ist ungewiss. Im Fall Argentinien versuchen Investoren seit mehr als zehn Jahren das zahlungsunwillige Pampaland auf Entschädigung zu verklagen. Obwohl sie wichtige Etappensiege in der US-Justiz erreicht haben, gehen sie bisher leer aus. Auch in Kuba ist unwahrscheinlich, dass Kläger die geschätzt sieben Milliarden Dollar Abfindung erhalten. Realistischer dagegen könnte sein, dass Unternehmen als Entschädigungen staatliche kubanische Lizenzen erteilt bekommen: Etwa im Bergbau, Tourismus und Transportwesen.

Diese Dax-Aktien sind jetzt noch kaufenswert

Kuba liegt nur 180 Kilometer von den USA entfernt und war schon einmal vor der Revolution das bevorzugte Reiseziel von US-Touristen. Drei Millionen Amerikaner machten damals jährlich in Havanas Kasinos und Nachtclubs sündigen Urlaub, der in den prüden USA nicht möglich war.

Flug in die Karibik

Der nordamerikanische Gangsterboss Meyer Lansky hatte dort die Vergnügungsindustrie in der Nachkriegszeit fest in der Hand und wurde einer der wichtigsten Berater von Diktator Batista, bevor der von Fidel und Che gestürzt wurde. Heute reisen gerade mal 300.000 US-Touristen umständlich über Kanada und andere Karibikstaaten nach Kuba. Am besten auf einen Tourismusboom vorbereitet sind Unternehmen wie die Copa-Airlines aus Panama. Die Fluglinie ist schon lange auf Reiseziele in der Karibik, Südamerika und den USA spezialisiert. Mit Sitz und regionalem Hub in Panama-Stadt bedient die Gesellschaft, eine Tochter der United Continental Holdings, 34 Ziele in der Karibik. Niemand sonst kennt sich dort so gut aus wie die Piloten aus Panama. Eine ähnlich große Erfahrung in der Karibik mit Routen und Tourismus hat die Kreuzfahrtgesellschaft Royal Caribbean Cruises, die von Miami aus mehrere regionale Kreuzfahrtanbieter gekauft hat. Die Tochter Pullmantur etwa ist darauf spezialisiert spanische Touristen nach Kuba zu bringen. Schon lange auf der Insel mit Hotels vertreten ist die spanische Hotelkette Meliá International: 27 Häuser hat sie auf der größten Antillen-Insel verteilt. Die Aktie wird auch in Deutschland gehandelt.

Die Internet-Riesen kommen

Den Mangel an Betten in Kuba macht sich ein unbequemer Konkurrent internationaler Hotelketten zunutze: Airbnb wies in ganzseitigen Anzeigen in den großen US-Zeitungen darauf hin, dass es künftig einen der letzten weißen Flecken weltweit bei seiner privaten Zimmervermittlung erobert habe. Hunderte von privaten Bed & Breakfast, legale sogenannte casas particulares, hat Airbnb nun im Angebot. Obwohl erst ein Fünftel der Kubaner Zugang zum Internet hat und die meisten Vermittlungen über Internet-Cafés laufen, ist sich Airbnb sicher, dort schneller wachsen zu können als konventionelle Hotelketten. Auch der private Taxidienst Uber soll sich in Kuba bereits nach Marktmöglichkeiten umschauen.

Solange das Helms-Burton-Gesetz gilt, das Unternehmen für Kuba-Geschäfte empfindlich bestraft, müssen US-Konzerne bei ihrer Expansion vorsichtig vorgehen. Verschärft werden die Strafen noch, wenn die Unternehmen – auch ohne es zu wissen – von enteignetem ehemaligem US-Besitz profitieren. Die französische BNP Paribas wurde gerade mit 7,4 Milliarden Euro Strafe belegt – unter anderem, weil sie Geschäfte mit Kuba abwickelte. Die Kreditkartengesellschaft Mastercard dagegen darf bereits seit Dezember letzten Jahres in Kuba abrechnen. Auch dürfen Kubaner bei anderen US-Instituten Konten eröffnen.

Gute Startchancen in Kuba haben auch Konzerne aus Mexiko und Brasilien. Unternehmer aus beiden Staaten sind zusammen mit ihren Regierungen dabei, Investitionsmöglichkeiten auf der Insel zu checken. Brasiliens staatlicher Ölkonzern Petrobras etwa sucht vor Kuba nach Öl. Aus Mexiko gelten der Zementhersteller Cemex sowie Carlos Slims Telekomriese America Móvil als aussichtsreich, ihre Positionen auf Kuba auszubauen. Cemex hat in Mexiko das Logistik-Know-how perfektioniert, wie kleine Bauherren mit Material versorgt werden müssen. Tycoon Slim hat in ganz Lateinamerika den größten Telekomkonzern der Region geschmiedet. Die Chancen stehen gut, dass Slim auch in Kuba zum Zuge kommt. Er hat in komplizierten Märkten der Region bewiesen, dass er gut mit Politik und Behörden zurechtkommt.

Den längsten Atem müssen jedoch Investoren beweisen, die direkt auf den kubanischen Markt setzen: Denn das Monatsgehalt eines Arztes von 25 Dollar zeigt, wie arm die Bürger der Karibik-Insel nach 55 Jahren Sozialismus sind. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von der Größenordnung Sri Lankas, welches sich pro Kopf auf der Höhe des Kongo bewegt, darf die Bedeutung Kubas nicht überschätzt werden: Dort leben mit elf Millionen Einwohnern so viel Menschen wie in Belgien, aber auf einer dreimal so großen Fläche.

Fonds für Direktinvestments

Investor Herzfeld ist dennoch zuversichtlich, dass sich auch Kuba selbst schneller in Richtung Marktwirtschaft entwickelt als allgemein erwartet. Er will jetzt für Anleger, die direkt in Kuba investieren wollen, einen Private-Equity-Fonds auflegen – auch wenn es vermutlich noch eine Weile dauern wird, bevor ausländische Direktinvestitionen dort erlaubt werden. Herzfeld ist die Kritik an seinem Kuba-Enthusiasmus schon bekannt: „Ich weiß, dass ich mit meinen Investitionen möglicherweise meiner Zeit etwas zu weit voraus bin.“

Grundsätzlich hat das an der Börse aber noch nie geschadet.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%