Atomkraft "Der globale Uranbedarf wird zunehmen"

Eine Abkehr von der Atomenergie kann sich die Welt nicht leisten, meint der Vorsitzende der nordamerikanischen Urangesellschaft Uranerz Energy Dennis Higgs.

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Dennis Higgs, Aufsichtsratschef von Uranerz Energy Quelle: Pressebild

Mister Higgs, Uran ist der wichtigste Brennstoff für Atomkraftwerke. Atomenergie wird seit der Katastrophe von Fukushima verteufelt. Deutschland will komplett aussteigen. Selbst in der Atomstrom-Nation Frankreich zeichnet sich ein Umdenken ab. Wird der Rohstoff Uran auf lange Sicht überflüssig?

Higgs: Absolut nicht. Auf Deutschland entfallen ja nur fünf Prozent der globalen Urannachfrage. Weltweit sind 435 Atomkraftwerke am Netz, davon 104 in den USA. Die werden nicht einfach abgeschaltet. Die USA sind der weltgrößte Markt für Uran. Diesen Markt werden wir beliefern, wenn unsere erste Mine in Wyoming in Produktion geht. Der jährliche Uranbedarf der USA liegt derzeit bei rund 50 Millionen Pound Uranoxid U3O8. Im Land selbst werden aber nur fünf Millionen Pound gefördert.

US-Präsident Barack Obama hat Garantien für den Ausbau der Atomenergie zugesagt. Kann sich die Industrie darauf verlassen?

Davon gehe ich aus. Der Präsident hat sich ziemlich eindeutig für den Ausbau der Kernenergie als saubere Energieform ausgesprochen.

Wird das ein Republikaner im Weißen Haus auch machen?

Bei Republikanern ist die Zustimmung zur Atomenergie noch größer als bei den Demokraten.

Das bittere Fazit aus einem Jahr Energiewende
Kühltürme des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG im brandenburgischen Jänschwalde (Spree-Neiße) Quelle: dpa
Freileitungen verlaufen in der Nähe eines Umspannwerkes bei Schwerin über Felder Quelle: dpa
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Ein Strommast steht neben Windkraftanlagen Quelle: AP
Windräder des Windpark BARD Offshore 1 in der Nordsee Quelle: dpa
Eine Photovoltaikanlage der Solartechnikfirma SMA Quelle: dpa
Euroscheine stecken in einem Stromverteile Quelle: dpa

In Japan ist derzeit kein AKW am Netz. Die Lichter dort gehen trotzdem nicht aus. Vielleicht lässt sich Atomenergie ja doch schneller ersetzen als gedacht?

Die japanischen Reaktoren werden gerade einem Stresstest unterzogen. Im Sommer, wenn der Stromverbrauch steigt, etwa durch die Klimaanlagen, wird sich zeigen, wie Japan ohne Nuklearenergie klar kommt. Ich rechne mit Problemen. Es kostet Japan 100 Millionen Dollar pro Tag, den Ausfall über zusätzliche Energieimporte zu kompensieren. Ökonomen habe berechnet, dass die japanische Wirtschaft ohne Atomenergie 2012 nur um ein Prozent wachsen wird. Mit Atomenergie wären fast zwei Prozent Wachstum machbar.

Was zählt das mit Blick auf die menschliche Tragödie?                              

Das sind leider die Fakten. Anders herum: Was bringt es, in Deutschland Meiler vom Netz zu nehmen, dann aber aus dem Ausland wieder Atomstrom einzukaufen, um drohende Versorgungslücken zu schließen? In Deutschland mögen auf lange Sicht alle 17 Reaktoren vom Netz genommen werden, aber allein in China werden gerade 26 neue gebaut. Weltweit sind derzeit 60 neue Reaktoren in der Bauphase, weitere 163 stecken in der Planungsphase. Der wichtigste Treiber für den globalen Uranmarkt sind die großen Schwellenländer wie China, Indien und Russland.

Uranpreis ist auf Dauer zu niedrig

Arbeiter im inzwischen abgeschalteten Kernkraftwerk Krümmel in Schleswig-Holstein Quelle: dpa/dpaweb

Auch dort war unmittelbar nach Fukushima zu hören, man wolle die eigenen atomaren Pläne überdenken. Waren das nur Lippenbekenntnisse?

Ein gewisses Maß politische Korrektheit mag in den Aussagen mit Blick auf die Tragödie in Japan mitgespielt haben. Aber im Kern ging es darum, die Sicherheitsfragen bei den Plänen höher zu gewichten, was auch richtig ist.

Wird sich der Ausbau dadurch verzögern und verteuern?

Das ist denkbar, aber er wird deshalb nicht abgesagt. China hat sich außerdem verpflichtet, die Emission von Treibhausgasen deutlich zu reduzieren. Ohne den Beitrag der Atomenergie ist das nicht erreichbar. Klar ist, dass der globale Uranbedarf zunehmen wird. Analysten rechnen bis 2020 gegenüber 2011 mit einer Zunahme um gut 50 Prozent auf dann 280 Millionen Pound Uranoxid pro Jahr. Eine Unterversorgung und ein steigender Uranpreis sind absehbar.

Auch, wenn die Minenproduktion mit vergleichbaren Raten wachsen sollte wie der Bedarf, was Analysten ebenfalls voraussagen?

Auch dann. Trotz massiver Ausweitung der Uranförderung in den vergangenen Jahren reicht das Minenangebot allein nicht, um den jährlichen Bedarf zu decken. Die Angebotslücke liegt bei gut einem Viertel des jährlichen Bedarfs. Diese Lücke wird heute noch geschlossen aus Lagerbeständen von Regierungen und Versorgern, aus Nuklearsprengköpfen und aufbereiteten Brennstäben. Doch diese sekundären Quellen versiegen. Nur neue Uranminen können für den nötigen Nachschub sorgen. Dafür brauchen sie einen langfristig höheren Uranpreis.

Kursentwicklung Uranerz Energy und Uranpreis

Der Spotpreis für Uranoxid bewegt sich seit Monaten knapp über 50 Dollar pro Pound. Reicht das nicht, um dauerhaft profitabel produzieren zu können und Investitionen in weitere Projekte zu stemmen?

Wir kämen derzeit klar damit, aber für den Uranbergbau insgesamt ist dieses Niveau auf Dauer zu niedrig. 

Wird ihre erste Mine in Wyoming die Produktion wie geplant im Herbst aufnehmen?

Davon gehe ich aus.

Was fehlt noch?

Wir benötigen noch eine Zulassung der Umweltbehörde.

Worum geht es da?

Es geht um das Verfahren, wie wir Abwasser entsorgen. In Wyoming wird, wie häufig in den USA, Uran aus Sandstein im Lösungsbergbau gewonnen. Dabei bleibt Restwasser übrig, das entsorgt werden muss.

Investoren bleiben an Bord

Das Atomkraftwerk San Onofre in Kalifornien, USA Quelle: dapd

Ihre Projekte dort grenzen an Fördergebiete der großen Uranproduzenten Cameco und Uranium One. Wenn Sie in Produktion gehen, werden sie die Verarbeitungskapazitäten von Cameco nutzen. So gesehen wäre Uranerz gut aufgehoben unter dem Dach eines dieser Produzenten.

Diese Einschätzung überlasse ich Ihnen.

Hätten Sie denn was gegen ein Übernahmeangebot?

Da kein Angebot vorliegt, werden Sie dazu von mir auch nichts hören.

Wie sich der globale Energiehunger zusammensetzt, was bei der Energiewende auf uns zukommt und wer davon profitiert.

Sie haben mit Exelon und einem weiteren großen US-Versorger langfristige Lieferverträge unterzeichnet. Wie lange laufen die Verträge, welche Mengen und zu welchen Preisen müssen sie liefern?

Der Verträge starten bei Produktionsbeginn und laufen jeweils über fünf Jahre. Sie umfassen knapp die Hälfte der Produktionsmenge eines Jahres. Diese wird sich anfänglich bei etwa 600 000 Pound Uranoxid bewegen. Ein Vertrag ist ausgestattet mit einer regelmäßigen fixen Preisanpassung nach oben, der andere enthält eine Kombination aus Spot- und Langfristpreis mit einer unteren und oberen Preisgrenze.

Halten sich institutionelle Investoren zurück mit Investitionen in Uranaktien, weil sie um ihr Image besorgt sind?

Wir spüren das nicht.

Noch erzielt Uranerz keine operativen Mittelzuflüsse und ist vor allem auf Eigenkaptalfinanzierungen angewiesen. Hohe Risikoaversion an den Börsen bekommt ihrem Aktienkurs nicht so gut?

Das lässt sich nicht leugnen, gehört aber zu unserem Geschäft. Wir sind nicht Coca-Cola, sondern immer noch ein Explorationsunternehmen im Uranbergbau. Aber ich bin überzeugt, dass wir unsere operativen Ziele umsetzen. Wenn die Stimmung an den Börsen wieder dreht, werden unsere Aktionäre dafür belohnt.

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