Auf der Couch by Markus Koch Zwei Bullen auf der Harley Davidson

Wie ticken die Menschen, die Milliarden verwalten? Was treibt sie an? Börsenexperte Markus Koch hat auf die Couch im Münchener Rationaltheater geladen. So persönlich hat man seinen Gast Klaus Kaldemorgen selten erlebt.

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Der Fondsmanager mit dem Börsenexperten auf der Harley.

München Eine alte Couch mit viel Patina, ein roter Sessel für den Gastgeber und ein Couchtisch, der auch schon bessere Zeiten erlebt hat. Das ist die stilvolle Kulisse, irgendwo zwischen Wohnzimmer aus den 60er-Jahren und gediegenem Club, in der Börsenexperte und Moderator Markus Koch seine Gäste empfängt. „Auf der Couch by Markus Koch“ im Münchener Rationaltheater sitzt an diesem Abend unter anderem Klaus Kaldemorgen, Senior Strategist Equities und Managing Director bei der Deutsche Asset Management, der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank. „Es geht heute Abend um Geld, aber der Mensch steht im Mittelpunkt“, sagt Markus Koch. Doch wenn ein Kaldemorgen da ist, dann kann es nicht nur um Psychologie und seine Leidenschaft für Harley Davidson gehen, dann geht es immer auch um das aktuelle Marktgeschehen.

Seit mehr als drei Jahrzehnten ist Kaldemorgen mit Leidenschaft dabei. Anleger haben seinem Fonds, dem Deutsche Concept Kaldemorgen, fast fünf Milliarden Euro anvertraut. Er ist ein Star der Branche. Oder um es mit dem Worten von Markus Koch zu sagen: „Wenn Duplo die wahrscheinlich längste Praline der Welt ist, dann ist dieser Mann der wohl wichtigste und bekannteste Fondsmanager Deutschlands.“ Mit ihm auf der Couch machte es sich Christian Kratz, Gründer und Partner von Rhein Asset Management, gemütlich.

Und auf die Couch gehören natürlich auch Kissen. Die beiden dürfen zwischen zwei herzförmigen wählen. Zierten bei der Premiere im Frühjahr die Notenbankpräsidenten Mario Draghi und Janet Yellen die Kissen, sind es dieses Mal die US-Präsidentschaftskandidaten Hillary Clinton und Donald Trump. Nur wer soll welches Kissen bekommen? Wer darf zuerst auswählen? „Vielleicht können wir uns eins teilen“, scherzt Kaldemorgen. Clinton machte das Rennen, zumindest auf der Couch.

Die Wahl ist ein Thema, dass die Märkte beschäftigt. Darauf, wer ins Weiße Haus einzieht, wollen sich die beiden Anlageexperten nicht festlegen lassen. Das Szenario sei unsicher, man müsse sich als Investor immer auf das Schlimmste vorbereiten, sagt Kaldemorgen. „Politische Börsen haben kurze Beine“, ergänzt Kratz. Das habe die Abstimmung der Briten über den Brexit, also den Ausstieg aus der Europäischen Union, gezeigt. Doch solche politischen Entscheidungen seien eher Momentaufnahmen, auf die man die Portfoliostrategie nicht ausrichten sollte.

Kaldemorgen vergleicht solche Börsenphasen mit einem Zahnarztversuch mit Wurzelbehandlung. Am ersten Tag tue es sehr weh, am nächste schon weniger und am übernächsten schon fast gar nicht mehr. Seine Prognose für die kommenden Monate: „Die Unsicherheit wird zunehmen, allerdings wird uns die Notenbankpolitik von Fed-Chefin Janet Yellen mehr beschäftigen als Trump oder Clinton.“


„Wir sind klassische Kümmerer“

Einigkeit herrscht in der Runde darüber, dass die Zinsen nicht so bald wieder steigen werden. Kaldemorgen wiederholt seine Kritik an der Politik der Notenbanken, die schlecht Wirtschaft, Unternehmen und natürlich auch für Anleger sei. „Die deutschen Sparer möchten aus ihrer Komfortzone mit vier bis fünf Prozent Zinsen nicht raus“, sagt er. Nur gebe es diese Renditen bei Spareinlagen nicht mehr. Vor diesem Hintergrund seien Aktien sind mit einer Dividendenrendite von drei oder vier Prozent „eine tolle Sache“. Und obwohl das Bühnenbild das Symbol für fallende Kurse ziert, nämlich ein Bärenfell mit Kopf, glauben die Gäste auf der Couch, dass der Bullenmarkt noch nicht endet.

Doch eigentlich soll es an diesem Abend um die Menschen gehen. Standen es in der ersten Folge „Auf der Couch“ noch die Anleger im Mittelpunkt, geht es an diesem Abend um die Herren des Geldes, also all jene, die das Geld der Anleger verwalten und hoffentlich auch mehren. Wie fühlt es sich also an, so viel Geld zu verwalten, wollte Koch wissen. „Die Menge ist nicht das Problem“, so Kaldemorgen. Für ihn mache es keinen Unterschied, ob er eine Million oder eine Milliarde verwalte. „Ich denke nicht in absoluten Größen.“ Beides seien für ihn 100 Prozent und es sei entscheidender, ob er 0,3 oder 0,5 Prozent gewonnen oder verloren habe.

Doch er gibt auch zu, dass es teilweise belastend sei, dass es nicht sein Geld sei. „Man möchte die Erwartungen erfüllen“, so Kaldemorgen. Das ist gar nicht so einfach, vor allem mit Blick auf die Erwartungshaltung der Investoren. „Anleger denken prozyklisch und das ist nicht gut“, sagt Kratz. Anlageprofis können hier helfen. „Wir sind klassische Kümmerer“, so Kratz, der in seiner Freizeit Kinderbücher schreibt und als Fußballtrainer arbeitet.

Krawatte trägt an diesem Abend niemand, Sakko sowieso nicht. Es ist glühend heiß im Theater. Die Gäste sitzen dicht gedrängt und schwitzen bei Kaltgetränken. Sie hören gespannt zu, als die Profis über ihre tägliche Arbeit berichten. „Einzelentscheidungen sind aber gar nicht wesentlich“, so Kratz. „Wichtiger ist es, auf welche Anlageklasse ein Investor setzen und welche Strategie er verfolgt.“

Und wie sieht es mit den Emotionen aus, will ein Anlegerclub wissen, der ein Public Viewing am Starnberger See organisiert hat. Der Abend wird nämlich via Live-Stream übertragen „Ich schaue mir gerne die Erwartungen der Anleger an“, sagt Kaldemorgen. „Am unwohlsten ist mir, wenn die Laune extrem gut ist und die Kurse gleichzeitig steigen.“ Für Profis sind überbordende Erwartungen ein Warnsignal dafür, dass sich ein Trend bald drehen könnte.


Soundcheck vor der Tür

Apropos Emotionen: Kaldemorgen hatte kurz vor dem Couch-Talk Geburtstag und natürlich gibt es ein hochemotionales Ständchen. Allerdings wird nicht gesungen und auch Pianist Alexander Müller, der den Talk musikalisch begleitet, greift nicht in die Tasten. „Das Orchester“ steht vor der Tür des Theaters. Und zwar in Form einer Harley Davidson, die jetzt ordentlich röhrt. Bis zum nächsten Morgen dürfe Kaldemorgen „sein Geschenk“ behalten, auch eine Lederkutte habe er besorgt, sagt Koch. Da strahlt der Harley-Fan.

Um schnelle Maschinen geht es auch im nächsten Gespräch mit Bernhard Langer, Chief Investment Office bei Invesco. Dort verantwortet er die quantitative Strategie. Sein Motto: „Rund um die Uhr am Puls der Maschinen“. Mit seinem Team in den USA, Japan, Australien und Deutschland verwaltet Langer rund 35 Millionen Euro. Eigentlich mag Langer keine Talkshows, doch für Koch hat der studierte Ingenieur eine Ausnahme gemacht und hält eine flammende Rede für seine Anlage-Roboter. „Wir fliegen alle mit Flugzeugen, die vom Autopiloten gesteuert sind“, sagt er. „Es wäre doch bescheuert, wenn bei Turbulenzen der Pilot eingreifen würde.“ Für solche Fälle gebe es Regelwerke, nicht anders sei es bei der quantitativen Geldanlage.

Doch der Roboter übernimmt die Kontrolle nicht komplett. Sie erstellt Prognosen, doch bevor gehandelt wird, überprüft ein Mensch die Analyse. „Es geht aber nicht darum, die Entscheidung zu hinterfragen, sondern einen Qualitätscheck vorzunehmen“, so Langer. Schließlich könnten Daten auch mal fehlerhaft sein oder neue Informationen wurden nicht berücksichtigt. Kaldemorgen sieht das als aktiver Fondsmanager kritisch, schließlich könnten Maschinen Informationen nicht gewichten. „Es gibt 50 Faktoren im Markt, aber nur drei Gründe dafür, eine Aktie zu kaufen“, gibt er zu bedenken.

Und dann haben die Aktiengesellschaften das Wort, vertreten durch Kay Bommer, Geschäftsführer des Deutschen Investor Relations Verband (DIRK). Was bedeutet das, wenn der Investor eine Maschine oder ein passivere ETF ist? Bommer sieht sich als Art „Beziehungsmanager“ zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt, also Sprachrohr. Und ja, die Ansprechpartner hätten sich geändert. Während er von seiner täglichen Arbeit berichtete, röhrt draußen die Harley. Kaldemorgen hat das Theater verlassen, die Maschine vor der Tür ist dann doch zu verlockend.

Doch er kommt schnell zurück, unterhält sich nach den Couch-Gesprächen noch stundenlang mit den Gästen. Irgendwann sitzt Koch neben Pianist Müller am Klavier und singt. Aus der Harley-Tour wird dann nichts mehr, aber ein ausgiebiges Probesitzen von Kaldemorgen mit Koch auf dem Sozius samt Motorenaufheulen, das muss sein. Die Spritztour will Kaldemorgen aber auf jeden Fall bei seinem nächsten Besuch in München nachholen. 

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