Hat man die Parallele zwischen Geldautomat und Stiftung verstanden, weiß man, warum sich Italiens Bankenkrise nicht durch Pochen auf europäische Währungsregeln wird einfach lösen lassen. Es war Ende der 1990er Jahre und der Finanzkapitalismus hatte seine lukrativste Zeit noch vor sich, als man sich in Siena ein Konstrukt ausdachte: Die 1472 gegründete Banca Monte dei Paschi sollte aus quasi-staatlicher Trägerschaft herausgelöst werden. Eine gewisse Zahl der Anteile sollte an Private gehen, die Mehrheit von mindestens 51 Prozent aber an eine zu gründende Stiftung. Die Geburtsstunde der Fondazione Monte dei Paschi, so steht es in den Geschichtsbüchern. Die Geburtsstunde von La Casta in Siena, so weiß man heute.
Der Deal war einfach: In den Stiftungsgremien saßen Vertreter von Politik, Wirtschaft, Kirche, Kultur, Wissenschaft und Vereinen aus der Region – alles fachfremde Herrschaften, die in ihrem ganzen Unwissen mit Hilfe ihres Mehrheitsanteils den Bankern der Banca Monte dei Paschi den Rücken für irrwitzige Expansionspläne freihielten. Im Gegenzug bedankten sich die Manager, indem sie jährlich hübsche Gewinne auf die Anteile der Stiftung ausschütteten. „So sollte sichergestellt werden, dass die Bank die Interessen der Region berücksichtigt“, sagt Usai, der Nachlassverwalter von außen.
Siena war der Prototyp des perfekten Italiens
Und dabei ging es um richtiges Geld: Die Stiftung saß zwischenzeitlich auf einem Kapitalstock von 7,5 Milliarden Euro. Das erlaubte in guten Jahren, mal 120, mal 150, auch mal 180 Millionen Euro über der Stadt und ihren Bürger auszuschütten. Zwei Milliarden Euro flossen so zwischen 2000 und 2011 von der Bank an die Stiftung in die Stadt mit gerade mal 55000 Einwohnern. Es entstand eine gotisches Gigantopia, der Prototyp des perfekten Italiens: Tolle Landschaft, pompös sanierte Häuser, kostenloser Nahverkehr, beste Kultur. Dazu der beste Basketballverein des Landes, ein Fußballerstligist, eine Top-Universität. Das Manna fiel vom Himmel auf fruchtbaren Boden. „Die Stiftung hat hier bis 2011 alles bezahlt, die hat richtig gute und auch ein paar weniger gute Dinge gemacht. Dieser Stadt ginge es ohne die Stiftung nicht so gut“, sagt Usai.
Der mächtigste Mann der Region war sein Vorgänger, der Stiftungspräsident.
So hätte es immer weiter gehen können, wenn die Gremien der Bank vor lauter Geldausgeben nicht versäumt hätten, ihren Bankmanagern etwas genauer in die Bücher zu schauen. Die wollten nämlich vor allem eins: Nicht nur die älteste Bank der Welt verwalten sondern auch eine der größten.
Wachstum um jeden Preis
Die Chance, ihre Wachstumsphantasien zu erfüllen, sehen die Banker 2007 gekommen. Die Großbank ABM Amro muss ihre italienische Tochter Banca Antonveneta verkaufen. Eine überschaubare Bank, die aber über in Teilen einen attraktiven Kundenstamm verfügt. Man ist sich mit der Pariser Großbank BNP Paribas einig, das Institut für sieben Milliarden Euro zu verkaufen. Da kommen die Toskana-Banker dazwischen und bieten einfach mal neun Milliarden. Ohne Not zwei Milliarden über dem nächst niedrigen Angebot, muss das denn sein? Fragten die Herren in den Aufsichtsgremien. „Wenn wir weiter wachsen, können wir noch mehr ausschütten“, war die Antwort der Banker.
Wer hätte da Nein gesagt?
Den Kauf finanzierten die Anteilseigner über eine Kapitalerhöhung. Leider legte die Finanzkrise recht offen, wie sehr sich die angehenden Weltbanker aus Siena verschätzt hatten. Um das den eigenen Aufsehern zu verheimlichen, schloss man schnell eine ganze Reihe an Derivategeschäften ab. Wie man das so machte, als Großbanker. Leider verstand man die selbst nicht so richtig, weswegen diese Geschäfte die Löcher nicht stopften sondern vergrößerten. Am Ende machte man, was man zu dieser Zeit als Banker von Welt eben machte: Man ging zum Staat und erbat von dort Geld zur Lösung des Probleme.