Bayer will Monsanto kaufen Das steckt hinter dem Milliarden-Deal

Mit dem 55 Milliarden Euro schweren Übernahmeangebot an Monsanto will Bayer nicht nur die weltweite Agrarwirtschaft dominieren – die ganze Gesellschaft soll profitieren. Zunächst gilt das aber nur für Monsanto-Aktionäre.

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Die größten Deals deutscher Firmen im Ausland
Bayer will Monsanto kaufen Quelle: AP
Bayer AG und Merck & Co Consumer Care Business Quelle: dpa
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Linde und BOC Group Quelle: AP
Merck und Sigma-Aldrich Quelle: dpa
Heidelberg Cement Quelle: dapd

62 Milliarden Dollar, umgerechnet gut 55 Milliarden Euro, will der Leverkusener Chemiekonzern Bayer für den US-Wettbewerber Monsanto auf den Tisch legen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn es handelt sich um eine Barzahlungsofferte. Monsanto-Aktionäre bekämen gegenüber dem Schlusskurs am 9. Mai von rund 89 Dollar somit 122 Dollar, also einen Aufschlag von 37 Prozent. Für Investoren ist das ein fast unwiderstehliches Angebot.

Als am vergangenen Donnerstag Gerüchte über die Übernahmeofferte die Börse erreichten, sprang der Kurs der Monsanto-Aktien auch mal eben um mehr als acht Prozent nach oben. Am Freitag ging die Aktie in New York oberhalb von 101 Dollar aus dem Handel und liegt damit schon 14 Prozent im Plus.

Unwiderstehlich für Monsanto-Aktionäre

Sobald die Wall Street öffnet, dürfte es nochmals deutlich nach oben gehen. In Frankfurt konnten Monsanto-Aktien am Montagmittag bereits ein neuerliches Tagesplus von zehn Prozent verzeichnen. Und für den Aktienkurs ist kurzfristig noch deutlich mehr Luft nach oben. Gemessen am Euro-Dollar-Wechselkurs notiert Monsanto also noch bei nur 111,60 Dollar – da geht noch was, bis die gebotenen 122 Dollar erreicht sind.

Mehr als 55 Milliarden Euro will Bayer für Monsanto bieten. Die WirtschaftsWoche hat Analysten und Investoren gefragt, wie attraktiv der Deal ist.
von Annina Reimann, Mark Fehr

Umgekehrt kommt das Übernahme-Angebot bei den Bayer-Aktionären nicht gut an. Seit Donnerstag hat das Papier gut zehn Prozent verloren, seit erste Gerüchte aufkamen. Die Investoren befürchten ein schlechtes Geschäft, obwohl das weltweit größte Unternehmen für Agrarchemikalien und Saatgut entstünde. Vor dem Hintergrund einer rapide wachsenden Weltbevölkerung eigentlich ein vielversprechender Markt. Durch die Übernahme entstünde ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 60 Milliarden Euro (plus 30 Prozent) und 140.000 Beschäftigten (plus 20 Prozent).

Neue Aktien für Bayer-Aktionäre

Doch die 62 Milliarden Dollar schwere Offerte stößt den Aktionären von Bayer sauer auf. Die Aktie sackte am Montag nochmal um bis zu 3,6 Prozent auf ein Zweieinhalb-Jahres-Tief von 86,30 Euro ab. "Das Angebot ist ziemlich hoch, wenn man bedenkt, dass das der erste Versuch ist", kommentierte ein Aktienhändler das Angebot. Bayer-Aktionäre sorgen sich vor allem um zwei Dinge: Die hohen Schulden, mit denen Bayer die Übernahme finanzieren will, und den extrem schlechten Ruf, den Monsanto hat. Laut Umfragen zählt es zu den meistgehassten Unternehmen der Welt.

Die Aktien der Agrarchemie-Riesen

Dabei sollten die Schulden Bayer nicht allzu sehr drücken. Die angestrebte Mischung aus Eigen- und Fremdkapital für die Bezahlung der Monsanto-Aktionäre dürfte die Kreditwürdigkeit Bayers Analysten zufolge kaum belasten. Ein Viertel des Kaufpreises soll zudem durch eine Kapitalerhöhung über Bezugsrechte gestemmt werden. Bayer ist selbst nach den Kursabschlägen der vergangenen Tage mit einem Börsenwert von 74 Milliarden Euro kapitalisiert, Monsanto ist an der Börse zurzeit 42 Milliarden Euro wert.

Der Saatgutkonzern Monsanto

Eine Ausgabe von Bezugsrechten an die Bayer-Altaktionäre würde eine Verwässerung der Gewinne pro Aktie und Dividenden verhindern. Sie müssten nur bereit sein, neue Aktien für insgesamt rund 14 Milliarden Euro abzunehmen. Angesichts der Unmengen Geld, das dank der Notenbanken lukrative Anlagemöglichkeiten sucht, erscheint das nicht unmöglich.

Imageprobleme dank Gentechnik und Glyphosat

Allerdings treiben den Bayer-Aktionären die Imageprobleme Monsantos Sorgenfalten auf die Stirn. Der US-Saatgutriese gilt in der Öffentlichkeit als skrupelloser Geschäftemacher, der Bauern genmanipuliertes, teures Saatgut aufzwingt und dadurch Landwirte in den Ruin treibt und die Umwelt aus Profitgier zerstört. Zudem ist Monsanto Hersteller des Unkrautvernichters Glyphosat, der im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Klare Anzeichen dafür sind jedoch auch neuen Studien bislang nicht zu entnehmen. Aus Sicht der Bayer-Aktionäre ist die umstrittene Zulassungsverlängerung von Glyphosat in der EU jedoch eine schwere Hypothek.

Saatgut mit hoher Rendite

Bayer bekäme bei erfolgreicher Übernahme nicht nur den größten Saatguthersteller der Welt, sondern auch jede Menge Know-how im Bereich der Kulturpflanzen-Biotechnologie. Die Art von gentechnisch modifiziertem Saatgut, die Monsanto vor zwei Jahrzehnten zu vermarkten begann, macht nun den überwiegenden Teil des in den Vereinigten Staaten angebauten Getreides und der Sojabohnen aus. Damit ist Monsanto auch Südamerika und Indien sehr erfolgreich.

Für ein Investment winkt den Anteilseignern nach Angaben von Bayer im vierten Jahr nach der Fusion ein Gewinnanstieg im zweistelligen Prozentbereich, vor allem durch Einsparungen von jährlich 1,5 Milliarden Euro sowie ein integriertes Produktangebot. „Wir sind seit langem von Monsanto beeindruckt und teilen die Überzeugung, dass durch ein integriertes Geschäft erheblicher Wert für die Aktionäre beider Unternehmen entstehen würde“, erklärte Werner Baumann, seit einem Monat Vorstandschef bei Bayer.

Bayer hat sein offizielles Angebot für den umstrittenen US-Saatgutkonzern Monsanto vorgelegt. Mit der Übernahme würden die Leverkusener zum weltgrößten Saatguthersteller aufsteigen.
von Siegfried Hofmann

Baumann preist vor allem die Innovationskraft des fusionierten Agrarchemie- und Saatgutgiganten: Von dessen Innovationskraft sollen Landwirte, Konsumenten, Mitarbeiter, ja die ganze Gesellschaft profitieren. Bayer setzt darauf, dass sich die Unternehmen einerseits bei der Marktabdeckung gut ergänzen.

Monsanto ist auf dem amerikanischen, Bayer auf dem europäischen und asiatischen Markt stark im Geschäft. "Wir sind vollkommen überzeugt von unserer Offerte", erklärte Bayer-Chef Baumann. In Leverkusen erwartet man eine positive Antwort von Monsanto.

Übernahmeschlacht unter Branchengrößen

Zudem dürfte Bayer vom umfangreichen Saatgutgeschäft Monsantos stark profitieren. Hier hat Bayer Nachholbedarf. Konkurrent Syngenta, den Monsanto bereits im Februar für 43 Milliarden Dollar übernehmen wollte, ist bereits anderweitig vergeben. Monsanto hatte sein Angebot zurückgezogen und zusehen müssen, wie die China Chemical Corp. den Schweizer Saatgut- und Pflanzenschutzhersteller schluckte. Zudem formiert sich durch die geplante Fusion von Dow Chemical und Dupont ein neuer Chemieriese in der Agrarwirtschaft. Wenn Bayer nicht bald zuschlägt und sich attraktive Unternehmen sichert, dürfte der Leverkusener Konzern alsbald im Weltmarkt abgehängt werden und womöglich selbst das Ziel von Übernahmen werden.  

Aspirin für den Teufel

Ohne Frage ist die Monsanto-Übernahme durch Bayer eine unter ökonomischen Aspekten große Chance für die deutsche Industrie-Ikone. Andererseits besteht tatsächlich die Gefahr, dass Bayer sein gutes Aspirin-Image durch den Monsanto-Kauf nachhaltig schädigt. Der Aktienkurs ist binnen eines Jahres bereits um gut 35 Prozent gefallen. Hält Bayer an seinen Plänen fest, könnte es weiter abwärts gehen.

Stationen des Bayer-Konzerns

Die Chance, dass sich die Bayer-Aktie deutlich erholt, wäre mit einer Absage der Übernahmepläne kurz- bis mittelfristig sicher am größten. Langfristig aber bleibt Bayer gar nichts anderes übrig, als im weltweiten Übernahmepoker der Big Player im Agrarmarkt mitzumischen.

Schafft Bayer die Imagewende für Monsanto?

Ideal wäre es für Bayer-Aktionäre daher, wenn die Übernahme gelingt und das Bayer-Management anschließend die Chance nutzt, um bei umstrittenen Produkten wie Glyphosat und den Imageproblemen Monsantos gründlich aufzuräumen.

Wenn es Bayer gelänge, aus Monsanto ein von der Öffentlichkeit geschätztes Unternehmen zu machen, wäre der Nutzen für Aktionäre, Kunden und Gesellschaft sicherlich am höchsten.

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