Bayer bekäme bei erfolgreicher Übernahme nicht nur den größten Saatguthersteller der Welt, sondern auch jede Menge Know-how im Bereich der Kulturpflanzen-Biotechnologie. Die Art von gentechnisch modifiziertem Saatgut, die Monsanto vor zwei Jahrzehnten zu vermarkten begann, macht nun den überwiegenden Teil des in den Vereinigten Staaten angebauten Getreides und der Sojabohnen aus. Damit ist Monsanto auch Südamerika und Indien sehr erfolgreich.
Für ein Investment winkt den Anteilseignern nach Angaben von Bayer im vierten Jahr nach der Fusion ein Gewinnanstieg im zweistelligen Prozentbereich, vor allem durch Einsparungen von jährlich 1,5 Milliarden Euro sowie ein integriertes Produktangebot. „Wir sind seit langem von Monsanto beeindruckt und teilen die Überzeugung, dass durch ein integriertes Geschäft erheblicher Wert für die Aktionäre beider Unternehmen entstehen würde“, erklärte Werner Baumann, seit einem Monat Vorstandschef bei Bayer.
Baumann preist vor allem die Innovationskraft des fusionierten Agrarchemie- und Saatgutgiganten: Von dessen Innovationskraft sollen Landwirte, Konsumenten, Mitarbeiter, ja die ganze Gesellschaft profitieren. Bayer setzt darauf, dass sich die Unternehmen einerseits bei der Marktabdeckung gut ergänzen.
Monsanto ist auf dem amerikanischen, Bayer auf dem europäischen und asiatischen Markt stark im Geschäft. "Wir sind vollkommen überzeugt von unserer Offerte", erklärte Bayer-Chef Baumann. In Leverkusen erwartet man eine positive Antwort von Monsanto.
Übernahmeschlacht unter Branchengrößen
Zudem dürfte Bayer vom umfangreichen Saatgutgeschäft Monsantos stark profitieren. Hier hat Bayer Nachholbedarf. Konkurrent Syngenta, den Monsanto bereits im Februar für 43 Milliarden Dollar übernehmen wollte, ist bereits anderweitig vergeben. Monsanto hatte sein Angebot zurückgezogen und zusehen müssen, wie die China Chemical Corp. den Schweizer Saatgut- und Pflanzenschutzhersteller schluckte. Zudem formiert sich durch die geplante Fusion von Dow Chemical und Dupont ein neuer Chemieriese in der Agrarwirtschaft. Wenn Bayer nicht bald zuschlägt und sich attraktive Unternehmen sichert, dürfte der Leverkusener Konzern alsbald im Weltmarkt abgehängt werden und womöglich selbst das Ziel von Übernahmen werden.
Aspirin für den Teufel
Ohne Frage ist die Monsanto-Übernahme durch Bayer eine unter ökonomischen Aspekten große Chance für die deutsche Industrie-Ikone. Andererseits besteht tatsächlich die Gefahr, dass Bayer sein gutes Aspirin-Image durch den Monsanto-Kauf nachhaltig schädigt. Der Aktienkurs ist binnen eines Jahres bereits um gut 35 Prozent gefallen. Hält Bayer an seinen Plänen fest, könnte es weiter abwärts gehen.
Stationen des Bayer-Konzerns
Bayer übernimmt vom Schweizer Pharmakonzern Roche das Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln.
Trennung von der Chemie, Teil eins: Die Leverkusener spalten das Kautschukgeschäft und weitere Teile ab und bringen das Unternehmen als Lanxess an die Börse.
Bayer kauft das Berliner Pharmaunternehmen Schering für 17 Milliarden Euro.
Übernahme des deutschen Medikamentenherstellers Steigerwald, bekannt für das Magenmittel Iberogast.
Bayer zahlt umgerechnet 10 Milliarden Euro für das Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln des US-Pharmakonzerns Merck & Co. Zwei Milliarden Euro ist Bayer das norwegische Pharmaunternehmen Algeta wert, ein Spezialist für Krebserkrankungen.
Trennung von der Chemie, Teil zwei: Bayer gibt die Abspaltung der Kunststoffsparte (Bayer Material Science) bekannt.
Der Börsengang von Covestro, ehemals Bayer Material Science, im Oktober 2015 war einer der größten in Deutschland seit dem Boomjahr 2000.
Die Chance, dass sich die Bayer-Aktie deutlich erholt, wäre mit einer Absage der Übernahmepläne kurz- bis mittelfristig sicher am größten. Langfristig aber bleibt Bayer gar nichts anderes übrig, als im weltweiten Übernahmepoker der Big Player im Agrarmarkt mitzumischen.
Schafft Bayer die Imagewende für Monsanto?
Ideal wäre es für Bayer-Aktionäre daher, wenn die Übernahme gelingt und das Bayer-Management anschließend die Chance nutzt, um bei umstrittenen Produkten wie Glyphosat und den Imageproblemen Monsantos gründlich aufzuräumen.
Wenn es Bayer gelänge, aus Monsanto ein von der Öffentlichkeit geschätztes Unternehmen zu machen, wäre der Nutzen für Aktionäre, Kunden und Gesellschaft sicherlich am höchsten.