Beging Deutsche-Börse-Chef Insiderhandel? Was Sie zum Verdacht gegen Kengeter wissen müssen

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter wegen Insiderhandels. Was hat er falsch gemacht und was bedeutet es für die Fusion mit der Londoner Börse? Die wichtigsten Antworten zur Affäre.

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Carsten-Kengeter Quelle: dpa

Warum hat Carsten Kengeter überhaupt Aktien gekauft?

Der ehemalige Investmentbanker kam im April 2015 zur Deutschen Börse. Ende des Jahres hat die Börse ihr Vergütungssystem für Vorstände geändert – das neue Programm soll den Vorstand darin bestärken, „die eingeschlagene Wachstumsstrategie nachhaltig zu verfolgen“ – soll heißen: weniger kurzfristige Orientierung, keine Boni, die, wie bei Banken in der Finanzkrise, zum Eingehen zu hoher Risiken verführen. Auch nach diesem neuen Programm bekommen Vorstände Aktien, deren Wert sich am Gewinn der Börse und am Abschneiden der Börsen-Aktie orientiert.

Ein anderes Programm aber, aus dem auch andere Vorstände bedient wurden, lief zum Jahresende aus, der so genannte Co-Performance-Investment Plan (CPIP). Der Aufsichtsrat der Börse wollte Kengeter aber noch etwas zukommen lassen und beschloss deshalb, ihm „einmalig die Möglichkeit zur Teilnahme am CPIP zu gewähren.“ Wenn er für maximal 4,5 Millionen Euro Aktien der Börse privat kaufen würde, bekäme er noch einmal für 4,5 Millionen Euro so genannte „Co-Performance Shares“, deren Wert am Erfolg der Deutschen Börse hängt. Geschenkt. Das ganze musste vermutlich, weil ab 2016 ja das neue Vergütungssystem in Kraft trat, noch flott vor Jahresende passieren. Und so geschah es dann auch.

Börsenchef Kengeter in Schwierigkeiten

Hat Kengeter von den Aktienkäufen profitiert?

Mit Sicherheit. Zum einen schenkte die Börse ihm knapp 69.000 Aktien (Co-Performance Shares) für 4,5 Millionen Euro. Wenn er nicht privat die anderen Aktien gekauft hätte, hätte er diese nicht bekommen. Zum anderen haben sich die gekauften Aktien gut entwickelt: Kengeter hat am 14. Dezember über das Handelssystem Xetra 60.000 Aktien zu einem Durchschnittspreis von 75,05 Euro gekauft, also Papiere für ziemlich genau 4,5 Millionen Euro. Die Aktie der Börse notierte zuletzt bei 81,50 Euro, im Moment hat Kengeter also einen Buchgewinn von knapp 390.000 Euro. Ganz nett, aber nicht unbedingt gewaltig angesichts einer Jahresvergütung von bis zu fünf Millionen Euro und der genannten 4,5 Millionen in Co-Performance Shares.
Kleiner Haken: Die gekauften Aktien darf er erst ab Anfang 2020 verkaufen, die geschenkten Aktien werden in drei Tranchen zwischen März 2019 und März 2021 ausgezahlt.

Was genau wird ihm vorgeworfen?

Insiderhandel, der laut Wertpapierhandelsgesetz verboten ist. Konkret heißt das: Niemand darf unter Verwendung einer Insiderinformation Aktien kaufen oder verkaufen. Eine Insiderinformation ist eine noch nicht öffentlich bekannte Information über Umstände, die geeignet sind, den Kurs der Aktie „erheblich zu beeinflussen.“ Die Tatsache, dass Deutsche Börse und London Stock Exchange über eine Fusion reden, ist ohne Zweifel eine Insiderinformation. Unstrittig ist auch, dass Kengeter Aktien gekauft hat. Noch nicht klar ist, wie konkret die Fusionspläne am 14. Dezember waren, als Kengeter die Aktien kaufte. Die Staatsanwaltschaft sagt, schon im Sommer 2015 habe es Gespräche des Top-Managements über eine Fusion gegeben.

Verdacht stärkt Bild des Boni-Bankers

Was wollten die Ermittler finden?

Laut Staatsanwaltschaft sollte der Gang der Verhandlungen zwischen Deutscher Börse und London Stock Exchange bis zum 23. Februar 2016 geklärt werden. An diesem Tag hatte die Börse in einer ad-hoc-Mitteilung „als Reaktion auf aktuelle Marktgerüchte erstmals öffentlich bestätigt, dass Gespräche über einen möglichen Zusammenschluss der Börsenbetreiber stattgefunden haben,“ so die Staatsanwaltschaft. Letztlich geht es darum, dass die Staatsanwaltschaft beweisen will, dass Kengeter, als er die Aktien kaufte, schon lange über die Fusion Bescheid wusste.

Wird Kengeter dadurch entlastet, dass die Käufe nicht heimlich abliefen?

Die Börse hat die Aktienkäufe offiziell gemeldet, im Geschäftsbericht ausführlich erklärt und von ihren Juristen prüfen lassen. Das zeigt, dass sich alle sehr sicher waren, ändert aber nichts daran, dass es sich um Insiderhandel gehandelt haben könnte.

Wer hat die Ermittlungen ausgelöst?

Offenbar nicht die zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), sondern zwei Strafanzeigen, eine anonyme und eine von einem Privatanleger. Die BaFin ermittelt auch in der Sache , hat sie aber noch nicht bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.

Staatsanwälte, Landeskriminalbeamte und Finanzaufseher habe die Räume der Deutschen Börse und weitere Objekte durchsucht. Grund ist der Verdacht auf Insiderhandel durch Vorstandschef Carsten Kengeter.
von Annina Reimann

Wann und wo wurde durchsucht?

Am Mittwochvormittag wurden Kengeters Büro in der Deutsche-Börse-Zentrale in Eschborn und seine Privatwohnung im Frankfurter Westend durchsucht.

Was sagt die Börse zu den Vorwürfen?

Das Erwartbare: Börse und Kengeter „kooperieren in vollem Umfang mit der Staatsanwaltschaft“, sein Aufsichtsratschef Joachim Faber, der ihm das Aktien-Bonbon ja mit verschafft hat, nennt die Vorwürfe „haltlos“.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt gegen den Chef der Deutschen Börse Carsten Kengeter. Der Vorwurf: Insiderhandel. Aufsichtsratschef Faber stellt sich hinter seinen Vorstandsvorsitzenden.

Platzt jetzt die Fusion mit London?

Wacklig ist das Vorhaben ohnehin schon, spätestens, seit die Briten sich für den Brexit entschieden haben. Das politische Klima dürfte die Affäre auf keinen Fall zugunsten Kengeters verbessern. Die Aktienkäufe in letzter Minute und die üppige Zugabe von 4,5 Millionen Euro sind nicht gerade ein Zeichen für Mäßigung, sondern entsprechen eher dem Bild des Boni-Bankers, der den Hals nicht voll bekommt. Das könnte politischen Widerstand gegen Kengeters Pläne beflügeln.

Die hessische Landesregierung und auch Berlin stören sich jetzt schon daran, vor allem an dem geplanten Sitz der neuen Superbörse in London. Rein formal haben Insideraffäre und Fusion aber rein gar nichts miteinander zu tun, zudem gilt auch für Kengeter die Unschuldsvermutung. Sollte er verurteilt werden, wäre er vermutlich als Chef einer fusionierten Börse nicht haltbar, doch das ist Spekulation – und harte Strafen wegen Insiderhandels sind eher die Ausnahme als die Regel.

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