Berichtssaison an der Börse Wie Anleger eine Bilanz entschlüsseln

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Passiva - die Substanz- und Schuldenseite

Wer wissen will, was ein Unternehmen aus eigener Kraft an Kapital geschaffen hat und welche Schulden dem gegenüberstehen, sollte sich die Passiva-Seite einer Bilanz genauer ansehen.

Wo finden Anleger die Zahlen zu Eigenkapital und Schulden?

Unter Passiva ist einerseits das Eigenkapital genannt, dass aus gezeichnetem Kapital, Rücklagen und dem Nettogewinn (Jahresüberschuss) besteht, als auch die Schulden, die das Unternehmen hat. Die Schulden werden nochmal grob zwischen den kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten (zum Beispiel Bankkredite, unbezahlte Rechnungen, ausstehende Anleihen) und Rückstellungen unterschieden. Rückstellungen stehen hierbei für Aufwendungen, die das Unternehmen erst in der Zukunft zu leisten hat.

Der Eigenkapitalspiegel in Kombination mit dem darin enthaltenen sogenannten neutralen Ergebnis hingegen sei wichtig, so Tüngler, um zum Beispiel zu erkennen, ob und in welcher Höhe zukünftig Belastungen drohen, die noch nicht ergebniswirksam erfasst wurden. „Ein guter Geschäftsbericht erklärt alle Veränderungen in den Zahlen“, sagt Aktionärsschützer Tüngler. Neben dem Eigenkapitalspiegel, auch Eigenkapitalveränderungsrechnung genannt, finden interessierte Anleger Erläuterungen zur Eigenkapitalentwicklung auch in den Anhängen zur Bilanz.

Welche Rendite die Dax-Aktien liefern
Dividendenrendite sinktFast 9800 Punkte Mitte Januar: Über die vergangenen zwölf Monate ist der Dax zu neuer Höchstform aufgelaufen. Doch kaum eines der großen deutschen Unternehmen wird die Dividende je Aktie im gleichen Maß anheben, wie die Kurse angezogen sind. Nach Berechnungen der Commerzbank (Stichtag 20.1.2014) ist die Dividendenrendite, das Verhältnis von der Ausschüttung je Aktie zum Kurs, im Dax flächendeckend gesunken. Und mit K+S, Eon oder RWE liegen gerade solche Unternehmen vorn, deren Kurse sich weniger berauschend entwickelt haben. Die Dividende dagegen schwankt nicht so stark, sie kann gleich bleiben oder nur leicht zurückgehen. Quelle: dpa
Platz 1: Munich ReAktionäre des größten weltweiten Rückversicherers können sich freuen: Voraussichtlich wird kein anderer Dax-Konzern 2014 relativ zum Aktienkurs mehr ausschütten. Zum 20.1. errechnet die Commerzbank eine Dividendenrendite von 4,59 Prozent. Damit kommen Anteilseigner jedoch schlechter weg als noch vor einem Jahr. Damals betrug das Verhältnis von Dividende zu Kurs mehr als fünf Prozent. Grund: Munich Re könnte laut Studie mit 7,25 Euro nur 25 Cent mehr ausschütten als noch 2013. Das wäre ein geringer Anstieg angesichts satter Kursgewinne (+12 Prozent) im vergangenen Jahr. Quelle: dpa
Platz 2: EonDividendenrenditen von mehr als sieben Prozent wie im vergangenen Jahr kann auch der Energieversorger Eon seinen Aktionären nicht mehr liefern. Atomausstieg und Erneuerbares Energiegesetz (EEG) hat dem Versorger zugesetzt. Nach einem Gewinneinbruch von mehr als 50 Prozent, schaffte der Aktienkurs auf Jahressicht lediglich ein Plus von 1,76 Prozent. Laut Commerzbank könnte Eon daher die Dividende von 1,10 Euro auf 60 Cent kürzen. Dennoch bietet das Unternehmen Aktionären im Dax-Vergleich mit 4,39 Prozent Rendite noch den zweitgrößten Ertrag im Verhältnis zum Aktienkurs. Quelle: dpa
Platz 3: K+SWegen politischer Querelen zwischen Russland und Weißrussland hat der Aktienkurs des Düngemittel-Herstellers im vergangenen Jahr eine rasante Talfahrt durchgemacht. Als die beiden Großkonzerne Uralkali (Russland) und Belaruskali (Weißrussland) ihr Kartell beendeten und damit einen Preisverfall auf dem Markt für Düngemittel auslösten, riss es auch die K+S-Aktie nach unten. In den vergangenen zwölf Monaten büßten K+S-Papiere rund 33 Prozent ein. Die Dividende allerdings könnte weniger stark nachgeben: die Commerzbank rechnet mit Kürzungen von 40 Cent je Aktie – oder 28 Prozent. Dann würde die Dividendenrendite insgesamt nicht fallen, sondern im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht anziehen, von vier auf 4,07 Prozent. Quelle: dpa
Platz 4: Deutsche TelekomAktionäre der Deutschen Telekom können über 3,98 Prozent Dividendenrendite freuen, schätzt die Commerzbank. Das wäre das viertbeste Verhältnis zwischen Ausschüttung je Aktie und Kurs. Die meisten dürfte das dennoch enttäuschen: im Vorjahr konnten Anteilseigner noch 8,14 Prozent Dividendenrendite einstreichen. Grund für den starken Rückgang: Während die Telekom ihre Dividende je Aktie laut Commerzbank für 2014 von 70 auf 50 Cent sogar senken könnte, war der Aktienkurs binnen eines Jahres um 42,6 Prozent gestiegen. Quelle: dpa
Platz 5: AllianzAuch die Allianz hat mit geschätzten 3,95 Prozent eine niedrigere Dividendenrendite vorzuweisen als im vergangenen Jahr (4,29 Prozent). Trifft die Einschätzung zu, würde das Verhältnis zwischen Dividende und Aktienkurs etwa auf dem Stand von 2007 liegen. Der Aktienkurs des Versicherers ist um rund 19,5 Prozent gestiegen. Bei der absoluten Dividende erwarten die Analysten der Commerzbank einen Anstieg von 4,5 Euro auf 5,25 Euro je Aktie. Quelle: dpa
Platz 6: RWEMit RWE findet sich ein weiterer Versorger unter den Dax-Konzernen mit der höchsten Dividendenrendite. Sie soll für das Jahr 2013 bei 3,71 Prozent liegen und ist damit rund 2,7 Prozent niedriger als im Vorjahr. Wie Eon und EnBW hatte auch RWE mit der Energiewende und den daraus entstehenden Verlusten zu kämpfen. Die Commerzbank erwartet, dass der Versorger seinen Anlegern einen Euro pro Aktie statt zwei Euro wie im vergangenen Jahr zahlt. Der Kurs der RWE-Aktie hat im vergangenen Jahr rund 4,1 Prozent verloren. Quelle: dpa

Worauf Anleger achten sollten

Die Unsicherheiten in der Bewertung der Vermögensgegenstände auf der Aktiva-Seite findet auch unter Passiva eine Entsprechung. Während die Verbindlichkeiten eines Unternehmens eine sichere Größe darstellen, weil Rechnungen, Kredite, Gehälter oder auch Anleihen nun mal bezahlt werden müssen, sind beispielweise Rückstellungen mit hohen Schätzrisiken verbunden. Hier finden sich Schulden, deren Höhe sich erst in der Zukunft genau beziffern lässt. Ein großer Posten sind beispielsweise Rückstellungen für die betriebliche Altersvorsorge. Da aber Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit bei Renteneintritt und die Gehaltsentwicklung der Mitarbeiter nur geschätzt werden können und auch die Entwicklung der Anlagezinsen ungewiss ist, können Rückstellungen für später zu zahlende Betriebsrenten nur näherungsweise kalkuliert werden. Die Deutsche Bank etwa geriet nach mehreren Urteilen und Vergleichen wegen ihrer Rolle in der US-Hypothekenkrise oder der Manipulation von Zinssätzen in die Kritik, weil ihre Rückstellungen für Prozessrisiken womöglich zu gering angesetzt waren. Müssen Rückstellungen nachträglich erhöht werden, belastet das die Gewinne eines Unternehmens unmittelbar. Werden Rückstellungen aufgelöst, wirkt sich das positiv auf das Konzernergebnis aus.

Beispiele für Eigenkapital und Schulden

In der ThyssenKrupp-Bilanz wurden gleich zwei Kernprobleme des Konzern nach seinen Fehlinvestitionen in Stahlwerke in Brasilien und USA offensichtlich: Das Eigenkapital schmolz dahin und die Schulden stiegen. Aus der Eigenkapitalveränderungsrechnung geht etwa hervor, dass die Gewinnrücklagen bilanziell negativ wurden, die betrugen minus 3,8 Milliarden Euro. Da gezeichnetes Kapital und Kapitalrücklagen unverändert blieben, sank das Eigenkapital von 4,5 auf 2,5 Milliarden Euro. Die Finanzschulden, so ist der Passiv-Seite der Bilanz zu entnehmen, stiegen gegenüber dem Vorjahr von 5,3 auf 7,0 Milliarden Euro. Weitere Details dazu finden sich in den Anhängen.

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