Es ist Saison: Von den großen Aktiengesellschaften informierte am vergangenen Montag Lkw-Hersteller MAN über seine Bilanz, am Mittwoch stellten sich Metro und Tui auf der Hauptversammlung den Aktionärsfragen zum Konzernabschluss, an diesem Donnerstag informiert die Commerzbank über das abgelaufene Geschäftsjahr, Chipproduzent Infineon lädt seine Aktionäre nach München, in der Schweiz will Lebensmittelriese Nestlé mit seinem Jahresergebnis überzeugen.
Spätestens auf ihrer Hauptversammlung sollten die gedruckten Geschäftsberichte der Konzerne vorliegen. Fondsmanager, Analysten, Beteiligungsgesellschaften sowie kreditgebende Banken lesen sie mit Akribie. Aber die meisten Privatanleger sind entmutigt, wenn sie in den dicken Geschäftsberichten der Unternehmen blättern, in die sie ihr Geld investiert haben. Lesbar und verständlich sind meist noch die Berichte von Vorstand und Aufsichtsrat, die sowohl das vergangene Geschäftsjahr Revue passieren lassen als auch einen Ausblick auf die Geschäftsentwicklung vermitteln wollen. „Der Konzernlagebericht ist vom Tiger zum Bettvorleger geworden“, sagt etwa Ralf Frank, Geschäftsführer der Analystenvereinigung DVFA. „Konzipiert als eine knappe, präzise Zusammenfassung, sind sie heute ganze Romane.“
Aber spätestens beim eigentlichen Zahlenwerk steigen viele Anleger aus. Zu undurchsichtig, kompliziert und finanzmathematisch sind die Aufstellungen, noch dazu gespickt mit Fachtermini.
Die kritischsten Zahlen im Fokus
Den ausführlichen Konzernabschluss zu ignorieren, ist für Anleger jedoch fatal. Denn gerade diese Zahlen und Bilanzposten bieten noch das unbestechlichste Bild vom Zustand eines Unternehmens – und sind zudem die Basis für die Ausschüttungen an die Aktionäre sowie die weitere Kursentwicklung. Die nackten Zahlen eines von Wirtschaftsprüfern testierten Abschlusses sprechen Bände - und folgen strengeren Regeln als die in den Pressemitteilungen und Präsentationen oft kolportierten künstlichen Kennzahlen zweifelhafter Aussagekraft - zu denen wir später noch kommen werden.
Leider ist aber der Informationsaufwand für Anleger größer geworden. Früher, als noch ausschließlich nach den HGB-Regeln bilanziert wurde, hätte für Anleger ein genauer Blick in Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung genügt, um zu wissen, ob das Unternehmen gut wirtschaftet, erinnert sich Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer bei der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Damit sich heute ein Anleger ein treffendes Bild vom Zustand eines Unternehmens machen kann, muss er gleich vier Bestandteile eines Konzernabschlusses nebeneinander legen: Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Kapitalflussrechnung und den Eigenkapitalspiegel“, sagt Rechtsanwalt Tüngler.
Bilanzbegriffe und was sie bedeuten
HGB steht für Handelsgesetzbuch. Nach dessen Vorschriften müssen Unternehmen in Deutschland ihren Jahresabschluss vorlegen. Der Abschluss nach HGB ist für die auszuschüttenden Dividenden und die Steuerrechnung maßgeblich. Die internationalen Rechnungslegungsstandards nach IFRS, nach denen große Kapitalgesellschaften ihre Konzernbilanz aufstellen müssen, orientieren sich eher an den amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften nach US-GAAP. Die internationalen Regeln machen Konzernabschlüsse grundsätzlich besser vergleichbar, folgen aber anderen Grundsätzen, zum Beispiel bei der Bewertung von Unternehmenskäufen oder anderen Vermögenswerten. Leider werden die IFRS-Regeln deutlich häufiger vom International Accounting Standards Board (IASB) geändert, als dies bei den HGB-Vorschriften im deutschen Rechtsystem der Fall ist.
Die in eine Unternehmung eingebrachten (investierten), auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesenen Vermögenswerte, vor allem Grundstücke, Gebäude, Maschinen und maschinelle Anlagen, Beteiligungen, Vorräte, Forderungen etc. Grundsätzlich sind die Unternehmen verpflichtet, entgeltlich erworbene Vermögenswerte zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren. Der Wertminderung unterliegende Vermögensteile müssen während ihrer Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Die Aktivseite informiert über die Mittelverwendung, also in welchen Werten das beschaffte Kapital investiert ist. Aus der Zusammensetzung der Aktivseite können – begrenzt – Schlüsse auf die Leistungsfähigkeit der Unternehmung gezogen werden, bei Gegenüberstellung zur Passivseite gegebenenfalls auch auf die Zahlungsbereitschaft.
Die auf der rechten Seite der Bilanz stehenden Bilanzpositionen, im Wesentlichen Eigenkapital und Verbindlichkeiten. Die Passivseite der Bilanz zeigt die Quellen, aus denen ein Unternehmen finanziert wird.
Die Umsatzrendite beschreibt das Verhältnis von Gewinn und Umsatz eines Unternehmens. Sie beschreibt, welchen Teil des Umsatzes das Unternehmen als Gewinn verbuchen kann. Der Gewinn eines Unternehmens ist jedoch Schwankungen unterworfen (z.B. Branchenabhängigkeit, Produktabhängigkeit), die eine genaue Bestimmung der Rentabilität erschweren können. Die Umsatzrendite eignet sich vor allem für unternehmensinterne Vergleiche. Sie gibt Aufschluss darüber, welche Rendite die verschiedenen Geschäftsbereiche eines Konzerns erwirtschaftet haben.
Der Bestand an Kapital einer Unternehmung kann aus zwei Quellen zugeführt worden sein: Vermögen der Eigentümer durch: Einzahlung der Unternehmer, Einbehaltung angefallener Gewinne, also Selbstfinanzierung; Vermögen Dritter. Eigenkapital in weitester Deutung sind sämtliche den Gläubigern einer Unternehmung haftenden Mittel, also auch z.B. das Privatvermögen eines voll haftenden Gesellschafters. In engerer Fassung wird unter Eigenkapital das bilanzielle Eigenkapital verstanden, das als Residualgröße aus den übrigen Positionen der Bilanz ermittelt werden kann, wodurch sich die Abhängigkeit des Kapitalausweises von den Bewertungen der Bilanzposten erklärt. Rechnerisch ergibt sich seine Höhe aus der Gleichung: Eigenkapital = Vermögen (Aktivseite der Bilanz) – Schulden – Einlageneinbehaltene Gewinne – Entnahmen – eingetretene Verluste
Die Eigenkapitalquote beschreibt die Beziehung zwischen Eigen- und Gesamtkapital. Dazu wird das auf der Passiva-Seite einer Bilanz ausgewiesene Kapital ins Verhältnis zur Bilanzsumme gesetzt. Je mehr Eigenkapital ein Unternehmen zur Verfügung hat, desto besser ist in der Regel die Bonität eines Unternehmens, desto höher ist die finanzielle Stabilität und desto unabhängiger ist das Unternehmen von Fremdkapitalgebern. Da Eigenkapital jedoch teurer ist als Fremdkapital belastet eine hohe Eigenkapitalquote die Rendite auf das eingesetzte Kapital.
Als Dividende bezeichnet man den Anteil am Gewinn, der je Aktie vom Unternehmen ausgeschüttet wird. Die Hauptversammlung beschließt nach dem Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat über die Höhe. Die Dividende ist immer vom Bilanzgewinn abhängig und kann daher schwanken oder auch ganz ausfallen, etwa wenn die Ertragslage schlecht ist. Sie kann sogar aus den Rücklagen finanziert werden, wenn die Unternehmensgewinne nicht ausreichen.
Die Equity-Methode kommt bei der Bilanzierung von Unternehmensbeteiligungen zum Einsatz, an denen der Konzern weniger als 50 Prozent der Anteile hält. Dabei wird der Umfang der Beteiligung am Eigenkapital der Beteiligungsgesellschaft als Grundlage genommen, um den bilanziellen Anteil an Vermögenswerten in der Konzernbilanz abzubilden. Die wesentliche Größe ist dabei der anteilige Anspruch auf den Gewinn, der dem Konzern aus der Beteiligung zusteht. 100-prozentige Tochterunternehmen sind in einer Konzernbilanz hingegen unsichtbar, weil sie in den regulären Bilanzposten enthalten sind.
Während nach HGB in vielen Fällen die Anschaffungskosten von Finanz- und Sachanlagen in die Bilanz einflossen, fordert die Bilanzierung nach IFRS vorrangig eine Bewertung, die sich an den Marktpreisen orientiert. Existiert für diese Vermögenswerte kein Markt, wird der Bar- oder Zeitwert einer Vermögensposition durch die abgezinsten, monetären Vorteile, die dem Konzern bis weit in die Zukunft daraus erwachsen, durch finanzmathematische Verfahren und aufgrund von Schätzungen im Finanzplan ermittelt. Diese Bewertung nach Fair Value soll ein realistischeres Bild von Vermögenswerten liefern, als die puren Anschaffungspreise.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Latente Steuern sind noch nicht entstandene Steuervor- und nachteile. Zumeist sind sie in nennenswerter Höhe unter den Aktiva einer Bilanz zu finden. Dabei handelt es sich überwiegend um sogenannte Verlustvorträge, die einer Steuerersparnis entsprechen. Macht ein Unternehmen Verlust, erwartet aber in Zukunft wieder Gewinne, können die bereits entstandenen Verluste die Steuerlast in den kommenden Jahren mindern. Die dann zu erwartende Steuerersparnis können Konzerne laut IFRS als Vermögenswert in der Bilanz ansetzen. Diese verbessern das Konzernergebnis, obwohl sie davon abhängen, dass ein Unternehmen den Weg in geplantem Umfang zurück in die Gewinnzone schafft. Passive latente Steuern sind entsprechend Steuerschulden, die erst in der Zukunft entstehen. Macht ein Konzern Verlust, bilanziert aber keine aktiven latenten Steuern, bedeutet das im Umkehrschluss, dass der Wirtschaftsprüfer nicht an einen Rückkehr in die Gewinnzone glaubt.
Im Zuge einer Unternehmenssanierung trennen sich Konzerne oftmals von ganzen Geschäftsbereichen. Um dem Leser einer Bilanz möglichst große Transparenz zu bieten, werden zum Verkauf stehende Geschäftsbereiche gesondert in der Bilanz aufgeführt. Damit wird die Bilanz um Unternehmensteile bereinigt, die in Zukunft wegfallen sollen. Gelingt der Verkauf jedoch nicht, kann das aber auch revidiert werden. Dann fließen die Bilanzgrößen der nicht fortgeführten Geschäftsbereiche zurück in die Bilanz.
Kapital- und Gewinnrücklage unterscheiden sich in der Art ihrer Entstehung. Die Gewinnrücklage speist sich aus den Jahresüberschüssen der Vorjahre und sind quasi das Sparschwein eines Unternehmens. Die Kapitalrücklage hingegen speist sich aus Einzahlungen der Gesellschafter. Insbesondere für Mittelständler sind Kapitalrücklagen ein Steuersparmodell für die Eigentümer. Wie eine Schenkung an das Unternehmen lassen sich Gelder in der Bilanz parken, auf Beschluss der Eigentümer und er Geschäftsführung jedoch auch wieder auflösen. Aktienrückkäufe, wie sie zur Kurspflege derzeit bei vielen Börsenunternehmen beliebt sind, speisen sich zumeist aus Gewinn- und Kapitalrücklagen. Werden sie aus dem Handel genommen, senken sie in Höhe ihres Nominalwertes das gezeichnete Kapital, dass unter den Passiva zum Eigenkapital des Konzerns zählt.
Hinter den sperrigen Begriffen verbirgt sich nichts anderes, als das flüssige Geld in der Unternehmenskasse. Hierzu zählen insbesondere die jederzeit verfügbaren liquiden Mittel auf Firmenkonten, aber auch andere Zahlungsmittel breiter Akzeptanz, zum Beispiel Goldmünzen, oder Wertpapiere.
Anleger müssen jedoch nicht den ganzen Geschäftsbericht durcharbeiten. Oft genügt es schon, sich auf einige wesentliche Zahlen und Rechnungsposten zu konzentrieren. Im Folgenden wird es daher darum gehen, die neuralgischen Punkte eines Konzernabschlusses aufzuspüren und zu erklären, was sich dahinter verbirgt und worauf Anleger besonders achten sollten. Als Beispiel zur Erläuterung dient der Konzernabschluss von ThyssenKrupp. Zum einen, weil das Geschäftsjahr schon am 30. September endet und der Geschäftsbericht für 2013 daher schon vorliegt, zum anderen, weil es in Bilanz des Stahlkonzerns deutliche Bewegungen gab.
Grundsätzliches zum Jahresabschluss
Zunächst einmal: Jahresabschluss und Bilanz sind nicht dasselbe, auch wenn die Begriffe gern synonym verwendet werden. Bestandteile des Jahresabschlusses, den das Handelsgesetzbuch (HGB) ab 500.000 Euro Umsatz oder 50.000 Euro Gewinn vorschreibt, sind mindestens die Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Bilanz. Hinzu kommen mitunter noch der Lagebericht der Geschäftsführung, eine Kapitalflussrechnung, ein Eigenkapitalspiegel und erläuternde Anhänge.
Nach deutschem Recht müssen Unternehmen einen Jahresabschluss nach den Regeln des HGB erstellen und im Bundesanzeiger veröffentlichen. Der HGB-Jahresabschluss – bei einer Unternehmensgruppe spricht man von einem Konzernabschluss - ist für die Ausschüttungen an die Aktionäre und die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich. Große Kapitalgesellschaften – also auch alle börsennotierten Unternehmen - müssen darüber hinaus auch einen Abschluss nach den internationalen Rechnungslegungsvorschriften, den International Financial Reporting Standards (IFRS), vorlegen. In der Regel werden es Anleger mit einem Konzernabschluss nach den IFRS-Regeln zu tun haben.
Laut DSW-Chef Tüngler ist das Lesen von Konzernabschlüssen seit der Einführung der internationalen Bilanzierungsregeln nach IFRS deutlich komplizierter geworden. „Zwar ist das Gesamtbild, das Anleger durch die Geschäftsberichte erhalten insgesamt besser geworden. Gleichzeitig haben aber die Unsicherheiten in Bezug auf Vermögenswerte und Ertragsgrößen durch Bewertungsmethoden nach IFRS nicht unbedingt abgenommen“, sagt Tüngler.
In unserem Ratgeber stellen wir die kritischsten Positionen in den Geschäftsberichten für Aktionäre vor und erklären, worauf Sie in Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Co. achten sollten.
Die Bilanz - Unternehmenswert zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Wo stehen die Vermögenswerte?
Die Bilanz soll Aufschluss über den Wert eines Unternehmens geben, indem sie alle kurz- und langfristigen Vermögensbestandteile (Aktiva) der Kapitalisierung des Unternehmens, also der Summe aus Eigenkapital und Schulden (Passiva) gegenüberstellt. Die Summe aller Aktiva muss der Summe der Passiva entsprechen. Anders ausgedrückt: Auf der Aktiva-Seite einer Bilanz steht alles für das Unternehmen werthaltige, auf der Passiva-Seite ist aufgelistet, in welchem Umfang diese Vermögenswerte aus dem Eigenkapital oder durch Schulden finanziert wurden. Zum Leidwesen der Investoren stecken in einer Konzernbilanz zahlreiche Schätzungen, Prognosen und Annahmen über die Zukunft.
Was sind die Aktiva?
Auf der Aktiva-Seite sind sowohl das langfristige Anlagevermögen, etwa Maschinen und Produktionsanlagen, Gebäude oder Grundstücke (Sachanlagen) sowie Beteiligungen, vergebene Kredite oder strategische Wertpapierbestände (Finanzanlagen) aufgeführt. Besitzt ein Unternehmen Markenrechte oder Patente, so sind diese unter „immaterielle Vermögensgegenstände“ mit ihrem Wert aufgeführt. Während immaterielle Vermögensgegenstände, Sachanlagen und Finanzanlagen zu den langfristigen Vermögensgegenständen zählen, gehören zum kurzfristigen Umlaufvermögen Posten wie bevorratetes Material, Forderungen (offenen Kundenrechnungen), schnell veräußerbare Wertpapiere und Bankguthaben.
Welche Zahlen sind für Anleger wichtig?
Gerade die langfristigen Vermögensgegenstände sollten sich Anleger genauer ansehen. Denn viele davon sind mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, weil es für die einzelnen Posten oftmals keinen klaren Marktpreis gibt. Dann wird der Wert dieser Positionen anhand eines Finanzplans, den das Management aufstellt, geschätzt. Dabei wird auch weit in die Zukunft kalkuliert und anschließend auf den heutigen Zeitwert zurückgerechnet - finanzmathematisch spricht man von abgezinst oder diskontierten Werten. Besonderes Augenmerk verdienen die immateriellen Vermögensgegenstände, die finanziellen Vermögenswerte und die aktiven latenten Steuern - denn sie sind mit großen Unsicherheiten verbunden.
Worauf Anleger achten sollten
Bei den Bewertungen des Vermögens auf der Aktiva-Seite können die Unternehmen oftmals unter alternativen Methoden auswählen. Einige Posten unter Sachanlagen werden zum Beispiel nur mit ihrem Anschaffungspreis gebucht und dann über ihre Nutzungsdauer abgeschrieben. Fahrzeuge werden deshalb oft nach fünf Jahren bilanziell wertlos, weil steuerlich nur eine Nutzungsdauer von fünf Jahren unterstellt wird. Damit sinkt ihr bilanzieller Wert jedes Jahr um ein Fünftel, dann spielen sie keine Rolle mehr, obwohl sie noch für etliche tausend Euro verkauft werden könnten.
Andere Posten werden aber mit dem sogenannten „Fair value“, also ihrem fairen Wert, in der Bilanz verbucht werden. Das soll zu realistischen Bilanzgrößen führen, weil die Fair-value-Methode versucht, sich einem Marktpreis anzunähern. Problematisch ist das aber zum Beispiel bei den immateriellen Vermögensgegenständen, zu denen unter anderem werthaltige Rechte und Patente gehören können, aber auch Firmenwerte von zugekauften Tochtergesellschaften. Solange ein Konzern seine Rechte - zum Beispiel Markenrechte - nicht verkauft, kann es nur schätzen, wie viel diese wert sind. Und sind sie unverkäuflich, wären sie eigentlich auch bilanziell nichts wert. Erhöht ihr Besitz jedoch den Ertrag eines Unternehmens jetzt oder in der Zukunft, können hier erhebliche Summen stehen, die mit Prognoseunsicherheiten behaftet sind. Das können auch Ausgaben für Forschung und Entwicklung sein, die noch nicht zu marktreifen Produkten geführt haben. Derlei Aufwendungen sind insbesondere in der Automobil- und Pharmabranche sehr hoch, ihr Wert ist aber an Erfolge in der Zukunft geknüpft.
Beispiele für Aktivposten
In der Bilanz von ThyssenKrupp erläutert etwa der Anhang zur Bilanzposition der immateriellen Vermögenswerte, was sich dahinter verbirgt. Zum Ende des Geschäftsjahres am 30. September 2013 fanden sich dort Konzessionen, Rechte und Lizenzen im Wert von rund 1,4 Milliarden Euro, Entwicklungskosten nebst selbstentwickelter Software und Internetseite im Wert von 580 Millionen Euro und schließlich Firmenwerte im Volumen von mehr als vier Milliarden Euro. Insgesamt hat ThyssenKrupp damit mehr als sechs Milliarden Euro an immateriellen - also nicht greifbaren - Vermögenswerten in seiner rund 35 Milliarden Euro schweren Bilanz. Insbesondere hohe Firmenwerte, auch Goodwill genannt, sollten Anleger kritisch hinterfragen. Sie beziffern den fiktiven Wert von Tochtergesellschaften für den Mutterkonzern.
Wie sich ihre Bewertungen unter Aktiva im Vergleich zum Vorjahr durch Abschreibungen verändert hat, ist in den Anhängen zu den einzelnen Posten auf der Aktivseite dargestellt. So ist etwa dem Anhang "05 Sachanlagen" zur ThyssenKrupp-Bilanz zu entnehmen, dass Sachanlagen im Wert von 979 Millionen Euro abgeschrieben wurden. Die Vermögensseite des Konzern schrumpfte so in nur einem Jahr um knapp eine Milliarde Euro.
Goodwill, Abschreibungen und aktive latente Steuern
Was bedeuten Firmenwert (Goodwill) und Impairment-Test?
Als kritisch können sich insbesondere die Bewertungen von zugekauften Unternehmen erweisen. Zum besseren Verständnis ein Beispiel: Ein Unternehmen übernimmt einen kleineren Zulieferer. Für den Anschaffungspreis erhält der neue Mutterkonzern Vermögen und Schulden des übernommenen Unternehmens, sowie den geschätzten monetären Vorteil, den der Kauf birgt. Der entsteht zum Beispiel durch Einsparungen beim zentralisierten Einkauf oder Produktvertrieb und die von der neuen Tochter erzielbaren Gewinnbeiträge. Diese werden über einen langen Zeitraum zunächst geschätzt und dann auf ihren heutigen Zeit- oder Nutzungswert abgezinst. Je optimistischer die Prognose, umso höher der bilanzielle Wert.
Für den Teil des Kaufpreises, der nicht durch die Vermögenswerte des übernommenen Unternehmens gedeckt ist, bildet der Mutterkonzern einen neuen Bilanzposten: den Firmenwert, auch Goodwill genannt. Die englische Bezeichnung bringt dabei klar zu Ausdruck, dass nicht präzise greifbar ist, wofür genau so viel bezahlt wurde. Zugleich drückt er aus, dass der Mutterkonzern hofft, dieser Firmenwert wäre durch den Nutzungswert gedeckt. Der Goodwill gilt daher unter fachkundigen Anlegern als Hoffnungswert und damit als Risikogröße. Welche Annahmen und Prognosen diesen Hoffnungswerten zugrunde liegen, erfährt der Anleger aus den Anhängen zur Bilanz.
Worauf Anleger achten sollten
Stellt sich der Zukauf für die Muttergesellschaft als wertlos heraus, löst sich der Goodwill schnell in Luft auf, die dann notwendige Abschreibung belastet das Zahlenwerk. Nach den Bilanzierungsregeln des HGB muss dieser Firmenwert schrittweise abgeschrieben werden. Die internationalen Rechnungslegungsvorschriften nach IFRS eröffnen den Konzernen hingegen erhebliche Spielräume. Damit unter der Position Goodwill beziehungsweise Firmenwert sich nicht irgendwelche Fantasiewerte aufblähen, müssen Wirtschaftsprüfer laut IFRS den Impairment-Test, also einen Wertminderungstest machen. Weil dabei im Grunde der Nutzungswert des zugekauften Unternehmens anhand eines neuen Finanzplans berechnet wird, werden die alten Annahmen und Schätzungen nur durch neue ersetzt. Bis die Neuberechnung Eingang in die Bilanz findet, können zudem einige Jahre verstreichen. Durch die IFRS-Methode wird grundsätzlich das Konzernergebnis gegenüber der Abschreibungsvariante des HGB verbessert. Gerät ein Unternehmen jedoch in wirtschaftlich schlechte Zeiten, kann es mit einer IFRS-Bilanz in diesem Punkt wegen der notwendigen Abschreibungen zu einer stärkeren Ergebnisbelastung kommen als bei einer Bilanz nach HGB.
Besonders heikel sind auch die sogenannten aktiven latenten Steuern - insbesondere bei Unternehmen, die gerade Verluste schreiben. Dabei handelt es sich um Steuerersparnisse, die bereits als Vermögensposition auf der Aktiva-Seite verbucht sind, obwohl sie erst in der Zukunft entstehen. Der Löwenanteil geht zumeist auf das Konto von steuerlichen Verlustvorträgen, die künftige Gewinne mit Verlusten aus den Vorjahren verrechenbar machen. Kehrt ein Unternehmen aber nicht wie geplant in die Gewinnzone zurück, ist diese Bilanzposition nichts mehr wert und muss - ergebniswirksam - aufgelöst werden. Bei ThyssenKrupp machten diese aktiven latenten Steuern im abgelaufenen Geschäftsjahr immerhin 1,7 Milliarden Euro auf der Vermögensseite aus, die somit das Konzernergebnis deutlich besser erscheinen lassen.
Fallstrick Fair value
Die Bewertung nach der Fair-value-Methode führt laut Tüngler dazu, dass der Unternehmenswert grundsätzlich genauer abgebildet würde. Beispielsweise könnten Unternehmen keine stillen Reserven mehr ausweisen, sondern müssten den Gegenwert von Vermögenspositionen möglichst realistisch einschätzen – auch wenn es dafür keine Marktpreise gibt. Aber der Ansatz von Bar- und Zeitwerten führe gerade bei der Bilanzierung von Unternehmenstöchtern und Beteiligungen dazu, dass die angesetzten Vermögenswerte immer wieder korrigiert werden müssten – meist nach unten. „Die Ergebnisse in den Konzernabschlüssen schwanken stärker, denn sie reagieren viel empfindlicher auf aktuelle Entwicklungen“, ist Tüngler überzeugt. „Kommt es zu einer Korrektur aufgrund des jährlichen Impairment-Tests und müssen Bilanzposten abgeschrieben werden, hat das unmittelbare Auswirkungen auf weitere Bilanz- und Ergebnisgrößen. Das wirkt direkt auf die ausgewiesenen Gewinne und belastet den Aktienkurs. Solche Korrekturen sind eine bittere Pille für den Konzern und seine Aktionäre.“
Beispiele für unrealistische Bewertungen
Bei Immobilien, die das Unternehmen schon seit Jahrzehnten nutzt, kann die Wahl der Bewertungsmethoden einen gewaltigen Unterschied ausmachen. Ausgehend von den seinerzeit niedrigen Anschaffungskosten und einer langen Abschreibungsdauer können Betriebsgebäude vollständig abgeschrieben gar nicht mehr in der Bilanz auftauchen oder mit lächerlichen Werten verbucht sein, obwohl aufgrund der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt und der allgemeinen Inflation schon einen zigfachen aktuellen Marktwert hat. Die Fair-Value-Bewertung ist aber nur für betrieblich nicht notwendige Anlagen – beispielsweise Wohnungen für Mitarbeiter – zwingend vorgeschrieben.
Passiva - die Substanz- und Schuldenseite
Wo finden Anleger die Zahlen zu Eigenkapital und Schulden?
Unter Passiva ist einerseits das Eigenkapital genannt, dass aus gezeichnetem Kapital, Rücklagen und dem Nettogewinn (Jahresüberschuss) besteht, als auch die Schulden, die das Unternehmen hat. Die Schulden werden nochmal grob zwischen den kurz- und langfristigen Verbindlichkeiten (zum Beispiel Bankkredite, unbezahlte Rechnungen, ausstehende Anleihen) und Rückstellungen unterschieden. Rückstellungen stehen hierbei für Aufwendungen, die das Unternehmen erst in der Zukunft zu leisten hat.
Der Eigenkapitalspiegel in Kombination mit dem darin enthaltenen sogenannten neutralen Ergebnis hingegen sei wichtig, so Tüngler, um zum Beispiel zu erkennen, ob und in welcher Höhe zukünftig Belastungen drohen, die noch nicht ergebniswirksam erfasst wurden. „Ein guter Geschäftsbericht erklärt alle Veränderungen in den Zahlen“, sagt Aktionärsschützer Tüngler. Neben dem Eigenkapitalspiegel, auch Eigenkapitalveränderungsrechnung genannt, finden interessierte Anleger Erläuterungen zur Eigenkapitalentwicklung auch in den Anhängen zur Bilanz.
Worauf Anleger achten sollten
Die Unsicherheiten in der Bewertung der Vermögensgegenstände auf der Aktiva-Seite findet auch unter Passiva eine Entsprechung. Während die Verbindlichkeiten eines Unternehmens eine sichere Größe darstellen, weil Rechnungen, Kredite, Gehälter oder auch Anleihen nun mal bezahlt werden müssen, sind beispielweise Rückstellungen mit hohen Schätzrisiken verbunden. Hier finden sich Schulden, deren Höhe sich erst in der Zukunft genau beziffern lässt. Ein großer Posten sind beispielsweise Rückstellungen für die betriebliche Altersvorsorge. Da aber Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit bei Renteneintritt und die Gehaltsentwicklung der Mitarbeiter nur geschätzt werden können und auch die Entwicklung der Anlagezinsen ungewiss ist, können Rückstellungen für später zu zahlende Betriebsrenten nur näherungsweise kalkuliert werden. Die Deutsche Bank etwa geriet nach mehreren Urteilen und Vergleichen wegen ihrer Rolle in der US-Hypothekenkrise oder der Manipulation von Zinssätzen in die Kritik, weil ihre Rückstellungen für Prozessrisiken womöglich zu gering angesetzt waren. Müssen Rückstellungen nachträglich erhöht werden, belastet das die Gewinne eines Unternehmens unmittelbar. Werden Rückstellungen aufgelöst, wirkt sich das positiv auf das Konzernergebnis aus.
Beispiele für Eigenkapital und Schulden
In der ThyssenKrupp-Bilanz wurden gleich zwei Kernprobleme des Konzern nach seinen Fehlinvestitionen in Stahlwerke in Brasilien und USA offensichtlich: Das Eigenkapital schmolz dahin und die Schulden stiegen. Aus der Eigenkapitalveränderungsrechnung geht etwa hervor, dass die Gewinnrücklagen bilanziell negativ wurden, die betrugen minus 3,8 Milliarden Euro. Da gezeichnetes Kapital und Kapitalrücklagen unverändert blieben, sank das Eigenkapital von 4,5 auf 2,5 Milliarden Euro. Die Finanzschulden, so ist der Passiv-Seite der Bilanz zu entnehmen, stiegen gegenüber dem Vorjahr von 5,3 auf 7,0 Milliarden Euro. Weitere Details dazu finden sich in den Anhängen.
Gewinn- und Verlustrechnung - Ergebnis ohne Kosmetik
Für Aktionäre ist natürlich der Gewinn, den eine Aktiengesellschaft erzielt, die alles entscheidende Größe. Schließlich ist dieser auch der wichtigste Einflussfaktor für die Kursentwicklung der Aktie und die ausgeschütteten Dividenden.
Die meisten Anleger konzentrieren sich bei der Vorlage der Jahresabschlüsse auf die Ergebnisrechnung. Auch hier soll primär die Konzernberichterstattung in Form einer Konzerngesamtergebnisrechnung im Vordergrund stehen. Wer es genauer wissen möchte, muss in Gewinn- und Verlustrechnung der Tochtergesellschaften schauen.
Es geht darum, sich nicht blenden zu lassen, denn schließlich ist es letzten Ende immer der Gewinn, der auf lange Sicht für die Kursentwicklung einer Aktie ausschlaggebend ist.
Wo finden sich Zahlen zu Gewinnen und Verlusten?
Gerne stellen Konzerne ihren Bilanzkennzahlen Gewinngrößen voran, die nicht unbedingt den Bilanzierungsregeln entsprechen. Da ist dann vom operativen Ergebnis oder EBIT (Earnings before interest and taxes, also Gewinne vor Steuern und Zinsen) die Rede. Teilweise werden sogar noch Abschreibungen und Zuschreibungen, also Wertminderungen und -erhöhungen von Vermögenswerten, oder sogar Sondereffekte herausgerechnet. Dann wird der Gewinn als "bereinigt" bezeichnet. Für derlei Gewinngrößen gibt es keine allgemeingültigen Definitionen. Sie sind auch nicht vorgeschriebener Bestandteil einer Bilanz oder der vorgeschriebenen Gewinn- und Verlustrechnung.
Die aussagekräftigste Gewinnkennzahl ist daher der Jahresüberschuss, auch Nettogewinn. Hier steht, was unterm Strich tatsächlich übrig bleibt beziehungsweise wie viel Verlust ein Unternehmen macht. Er steht am Ende der Gewinn- und Verlustrechnung. Wer wissen will, wie es im operativen Geschäft läuft, kann sich auch das betriebliche Ergebnis in der Gewinn- und Verlustrechnung ansehen. Darin sind die Aufwendungen für Kreditraten, Steuern und die Beiträge von Beteiligungen noch nicht enthalten.
Was Gewinnkennzahlen aussagen, welche taugen
Hinter EBIT verbergen sich die „Earnings before interest and taxes“, also die Gewinne vor Steuern und Zinsen. Gemeinhin wird EBIT auch als operativer Gewinn bezeichnet. Gerade bei großen Konzernen gehören Steuern und Zinszahlungen und -einkünfte jedoch zum täglichen Zahlenwerk. Kaum ein Unternehmen kommt ohne Kredite aus, dementsprechend sind auch immer Zinsen zu zahlen. Entscheidend ist der Finanzierungsanteil durch Fremdkapital. Je höher die Kreditschuld, um schöner erscheint die Gewinngröße EBIT. Steuern hingegen fallen vor allem in Jahren mit hohen Gewinnen an, in Verlustjahren können sie über Verlustvorträge die Steuerlast in der Zukunft senken. Kritiker halten deshalb wenig von dieser konstruierten Gewinnkennzahl.
Je mehr Bilanzposten aus dem Gewinn herausgerechnet werden, umso höher fällt regelmäßig der ausgewiesene Gewinn aus. Bei den „Earnings before interest, taxes, depreciation and amortization" wird der Konzerngewinn berechnet, der ohne Steuern, Zinsen, Abschreibungen auf Sachanlagen und Amortisation von immateriellen Vermögenswerten entstanden wäre. Die Kennzahl soll den internationalen Vergleich der operativen Ertragskraft von Gesellschaften ermöglichen, da nationale Steuern keine Berücksichtigung finden. Wird besonders gerne verwendet, wenn ein Unternehmen einen hohen Goodwill (geschätzten Firmenwert) hat, den es abschreiben muss - was natürlich das Ergebnis belastet. Mit dem EBITDA wird ein möglichst positives Bild von der operativen Gewinnsituation in den Vordergrund gestellt. Mit der wirtschaftlichen Realität hat diese Kennzahl nicht mehr viel gemein.
Sind EBIT oder EBITDA „bereinigt“, so sind dort in der Regel Sondereffekte wie Unternehmenskäufe oder -verkäufe aus der Gewinnkennzahl entfernt. Der Informationsgehalt für Anleger ist schwach, denn Sondereffekte können in zahllosen Varianten auftreten und gehören in Großkonzernen schon fast zum Alltag. Was ein Sondereffekt ist, liegt im Ermessen der Unternehmensführung.
Die operative Gewinnmarge gibt an, welcher Anteil am Umsatz vor Steuern und Zinsen als Gewinn im Unternehmen verbleibt. Ist das Unternehmen jedoch zum Beispiel hoch verschuldet, können die fälligen Zinszahlungen den Nettogewinn aufzehren. Die EBIT-Marge zeichnet daher ein Bild von der Rentabilität eines Unternehmens in einer idealen Welt ohne Schulden und Steuerpflicht.
Der Jahresüberschuss wird auch als Nettogewinn oder Nettoreingewinn bezeichnet und ist die einzig harte Gewinngröße eines Unternehmens. Hier steht, was dem Unternehmen am Jahresende tatsächlich übrig geblieben ist, nachdem alle Rechnungen bezahlt, alle Kredite bedient, die Steuerpflicht beglichen und alle notwendigen Abschreibungen erfolgt sind. Der Jahresüberschuss wird auch verwendet, um den Gewinn je Aktie (Earnings per share, EPS) zu ermitteln. Diese Zahl ist wiederum Basis für die Berechnung des Kurs-Gewinn-Verhältnisse (aktueller Kurs dividiert durch Gewinn je Aktie). Das so ermittelte KGV ist eine wichtige und beliebte Kennzahl für die Bewertung des Unternehmens an der Börse. Gemeinhin gilt: Ein KGV unter zehn signalisiert eine niedrig bewertete Aktie, ein Wert über 15 gilt als teuer. Das KGV kann auch mit den Gewinnschätzungen des kommenden Geschäftsjahres berechnet werden. Deshalb steht oftmals eine Jahreszahl bei diesem Wert.
Der Cash-Flow (Kassenfluss) nennt vereinfacht dargestellt den Nettozufluss liquider Mittel eines Unternehmens ab. Dazu werden alle Zahlungsströme eines Unternehmens erfasst. Ein Unternehmen, das mehr Geld einnimmt als es ausgibt, hat also immer einen positiven Cash-Flow. Bei einem negativen Cash-Flow spricht man daher auch von Cash-Drain oder Cash-Loss, also Geldvernichtung. Der Cash-Flow muss positiv sein, damit ein Unternehmen Investitionen tätigen, Schulden tilgen und Dividenden ausschütten kann – es sei den, es zehrt sein Eigenkapital und damit seine Substanz auf. Bei einem negativen Cash-Flow droht früher oder später Insolvenz. Es gibt allerdings verschiedene Cash-Flow-Größen, die sich auf das operative Geschäft, die Investitionstätigkeit oder die Finanzierungstätigkeit beziehen können. Eine Cash-Flow-Rechnung (Kapitalflussrechnung) ist für börsennotierte Unternehmen zwingend vorgeschrieben und Bestandteil des Jahresabschlusses.
Der Cash-Flow eines Unternehmens kann auf verschiedenen Wegen berechnet und ermittelt werden. Eine gerne von Unternehmen präsentierte Kennzahl ist der Operative Cash-Flow, der darstellen soll, wie viel Geld im Unternehmen hängen bliebe, wenn man nur das operative Geschäft, also die Kerntätigkeit betrachtet und Abschreibungen, Änderungen bei den gebildeten Rückstellungen, Anlagenverkäufe, sowie Änderungen bei Vorräten, Forderungen und Verbindlichkeiten unberücksichtigt ließe. Durch entsprechende Maßnahmen vor dem Bilanzstichtag ist diese Größe vom Unternehmen beeinflussbar und daher wenig aussagekräftig.
Der Free Cash-Flow wird ausgehend vom Nettogewinn eines Unternehmens ermittelt. Vom zunächst kalkulatorischen Netto-Cash-Flow werden dazu Ausgaben für Privatentnahmen der Gesellschafter, Steuern, Investitionen, den Auf- oder Abbau von Rücklagen oder Einnahmen aus Verkäufen von Vermögenswerten abgezogen beziehungsweise addiert. Der so ermittelte frei verfügbare Cash-Flow gilt vielen kritischen Anlegern als die einzige Kennzahl, die eindeutig belegt, wie viel Geld in einem Unternehmen am Jahresende verbleibt und damit für Investitionen und Dividendenausschüttungen zur Verfügung steht.
Worauf Anleger achten sollten
Bei den aufbereiteten Gewinnzahlen wie EBIT, EBITDA oder deren bereinigten Varianten sollten Anleger skeptisch sein. Zum Beispiel lässt sich darüber streiten, was ein Sondereffekt ist, der die Konzernergebnisse außergewöhnlich verzerrt. Rechnet ein Unternehmen etwa die Kosten für ein Sanierungsprogramm raus und erhöht so optisch die Gewinnkennzahl, lässt sich für Großkonzern sicher unterstellen, dass in nahezu jedem Jahr irgendwo ein Sanierungsprogramm abläuft. Somit wäre der vermeintliche Sondereffekt Teil des täglichen Geschäfts. So sehen die Gewinne aus der eigentlichen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens gleich viel ansprechender aus. Sie sind aber in ihrer Aussagekraft mit größter Vorsicht zu genießen, weil hohe Schulden oder wertlose Beteiligungen den Konzern schnell in die roten Zahlen manövrieren können. „Unternehmen verteidigen sich gern mit Einmalereignissen. Aber gerade bei großen internationalen Konzerne treten immer irgendwo besondere Umstände ein“, sagt Ralf Frank. „Insofern gehören die vermeintlichen Sondereffekte zum Alltagsgeschäft.“
Cashflow - nur Bares ist Wahres
Cashflow - die Kapitalflussrechnung
Es gibt jedoch auch weitere Zahlen in den Jahresabschlüssen, die völlig frei von Schätzungen oder merkwürdigen Bereinigungen sind. Dazu zählt zum Beispiel die Kapitalflussrechnung, von Fachleuten als Cashflow-Rechnung bezeichnet. Hier geht es schlicht darum, anhand der realen Zahlungsströme abzubilden, wie viel Geld das Unternehmen eingenommen und ausgegeben hat. Eine Binsenweisheit lässt sich hier überprüfen: Nur wenn ein Unternehmen dauerhaft mehr einnimmt, als es ausgibt, ist es überlebensfähig.
Wo stehen die Cashflow-Zahlen?
Wie viel Geld bei einem Unternehmen tatsächlich reinkommt, steht in der Kapitalflussrechnung unter den Zwischensummen zum Cashflow. Zum operativen Cashflow aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit kommt noch der Cashflow aus Investitionstätigkeit - etwa Investitionen in oder Verkäufe von Sachanlagen - und der Cashflow aus Finanzierungstätigkeit - etwa der Begebung oder Tilgung von Anleihen oder Krediten. Aus den drei Größen lässt sich der sogenannte Free Cashflow berechnen. Er gibt an, was tatsächlich am Ende in der Konzernkasse landet und für weitere Ausgaben zur Verfügung steht.
Worauf Anleger achten müssen
Ist der Cashflow negativ lebt ein Unternehmen über seinen Verhältnissen - und zehrt unweigerlich seine Reserven - sprich Eigenkapital - auf. Zwar kann der Cashflow durchaus kurzfristig mal ins Minus rutschen, geschieht dies auf Dauer, ist jedoch die Insolvenz unausweichlich.
Die Kapitalflussrechnung hält DSW-Chef Tüngler deshalb für immens wichtig. „Auch ein Unternehmen kann jeden Euro nur einmal ausgeben. Nur wenn Anleger sich auch den Cashflow genauer ansehen, können sie erkennen, ob ein Unternehmen überhaupt über genügend Geld verfügt, um eine Dividende an die Aktionäre zu zahlen. 2011 hatten wir im Dax sechs Unternehmen, die ihre Ausschüttungen ganz oder teilweise aus dem Eigenkapital finanzierten. Das ist gefährlich, denn solche Unternehmen leben von ihrer Substanz.“
Beispiele für Cashflow-Veränderungen
In der Kapitalflussrechnung von ThyssenKrupp lässt sich erkennen, dass sich die Einnahmenseite allmählich bessert, obwohl der Stahlkonzern noch einen Nettoverlust (Jahresfehlbetrag) von 1,5 Milliarden Euro ausweisen musste. Denn zumindest der operative Cashflow erreichte mit 786 Millionen Euro endlich wieder einen positiven Wert - nach einem Minus von 386 Millionen Euro im Vorjahr. Auch im Bereich der Investitionen gab der Konzern nicht mehr soviel aus wie im Vorjahr. Der negative Cashflow sank hier von -1,3 Milliarden Euro auf nur noch -190 Millionen Euro, die zuviel ausgegeben wurden. Damit erreichte ThyssenKrupp wieder einen freien Cashflow von knapp 600 Millionen Euro, die in der Kasse übrig blieben. Entsprechend findet sich in der Kapitalflussrechnung unter "Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente" - also den liquiden Geldern - ein deutlich höherer Wert als im Vorjahr. Sie stiegen von 2,3 auf 3,8 Milliarden Euro.
Das Hauptproblem jeder Bilanz aus Anlegersicht: Ohne Prognosen und Schätzwerte kommt eine Bilanz nicht aus. Zudem hat der Unternehmenswert, der aus einer Bilanz hervorgeht, nur teilweise etwas mit der Börsenbewertung gemein. Meist liegen beide Werte weit auseinander. So hat beispielsweise der Stahlkonzern ThyssenKrupp, der seinen Konzernabschluss bereits vorgelegt hat, eine Bilanzsumme von 35 Milliarden Euro, ist aber an der Börse nur mit rund 20 Milliarden Euro bewertet. Allein der Umsatz betrug im abgelaufenen Geschäftsjahr mehr als 38 Milliarden Euro.
Insgesamt rechnet Tüngler vom DSW in der laufenden Berichtssaison mit robusten Jahresabschlüssen. Von der guten Stimmung in Wirtschaft und an der Börse sollten sich Anleger aber nicht blenden lassen, mit Rekordzahlen sei nicht zu rechnen. „Es müssen auch nicht immer die besten Zahlen sein, aber es müssen gute Zahlen sein“, mahnt Tüngler. Viele Anleger hätten sich in den vergangenen Wochen sorgenvoll an die DSW gewandt, obwohl oder gerade weil sie auf solide Zahlen hoffen.
Nachdem die aufgelaufenen Gewinne in ihren Depots ihnen seit langem mal wieder viel Freude an ihren Investments bescheren, fürchten sie nun das gestiegene Rückschlagpotenzial. Die Anleger haben aus den Krisen der vergangenen zwölf Jahre offenbar etwas gelernt: Auch die schönsten Bäume wachsen nicht in den Himmel. Anlegern ist der genaue Blick in die Geschäftsberichte daher nur dringend zu empfehlen.