Walter Frick, schrieb sein Anwalt schon früher, habe mit den Vorgängen im Prozess gegen Sohn Markus „nicht das Geringste zu tun“. Er sei ein „schwer arbeitender“ älterer Herr, der die Öffentlichkeit nichts angehe. Seine ISP aber hat zwischen 2010 und Ende November 2012 rund elf Millionen Euro verdient. Sollte der Senior von den fragwürdigen Geschäften seines Sohns und Geschäftsführers tatsächlich nichts bemerkt haben?
Wie das System arbeitet, zeigt das Beispiel der Aktie LetsBuyIt, die Frick empfahl. Einen Teil der Papiere des Unternehmens hielt 2012 zumindest indirekt der Investor Castro Khatib. Der gebürtige Israeli lebt in Monaco, Mitglieder seiner Familie wechselten sich zwischen 2009 und Mitte 2011 im Verwaltungsrat der LetsBuyIt ab. Auch Khatib mischt dort zeitweise mit.
Khatib soll, so sagte in Frankfurt ein Zeuge vor Gericht, „großes Interesse“ an Werbung für die Aktie gehabt haben – vermutlich, um profitabel verkaufen zu können. Für eine Stellungnahme war Khatib nicht erreichbar. In der Frick-Anklage heißt es, dass LetsBuyIt an der Börse Frankfurt von Januar bis Ende April 2012 zwischen 1,80 und 2,05 Euro notiert habe. „Der Umsatz“ sei gering gewesen, „insgesamt wurden überhaupt nur an 11 Tagen Aktien gehandelt. An den übrigen Handelstagen blieb die Aktie umsatzlos“. Khatib hätte seine Anteile bis dahin kaum verkaufen können, schon gar nicht zu einem guten Preis.
Machtlose Aufsicht
Khatib soll nach Aussage des Zeugen Manfred Haindl (Name geändert und der Redaktion bekannt) vor Gericht Drahtzieher der LetsBuyIt-Manipulation gewesen sein. Haindl, der sich selbst „Kapitalmarktberater“ nannte, saß einige Wochen in Untersuchungshaft, weil die Staatsanwaltschaft vermutet, dass er ein Mitglied der Bande um Frick gewesen sei. Fragen dazu beantwortete er nicht. Vor Gericht sagte der Anfang 30-Jährige mit den gegelten Haaren, er sei durch die Frankfurter Wertpapierhandelsbank Renell auf LetsBuyIt aufmerksam gemacht geworden. „Renell hat mich darauf angesprochen, ob es eine Empfehlung zu der Aktie geben kann“, so Haindl. Renell beteuert, dass die Bank „kein Interesse“ habe, „Wertpapieraufträge mit zweifelhaftem Hintergrund“ auszuführen. „Eine aktive Beteiligung unseres Unternehmens an Marktmanipulationen hat es nicht gegeben.“
Renell hat nicht nur die „neue“ LetsBuyIt – es gab schon einmal ein gleichnamiges Vorgängerunternehmen am Neuen Markt – an die Börse gebracht, sondern auch einen großen Teil der Aktien im berüchtigten First Quotation Board der Deutschen Börse. Im Jahr 2010, brüstete sich Renell in einer Präsentation, sei die Bank mit 65 Notierungen hier Marktführer gewesen. Das Board war der am wenigsten regulierte Bereich der Börse.
Verkäufe kurz vor der Werbeaktion
In Börsenkreisen heißt es, dass bei mindestens einem Drittel der Papiere im Board manipuliert worden ist. „Im First Quotation Board war ein großer Teil der Aktien, die an die Börse gebracht worden sind, eine Erfindung, um den Aktienkurs zu manipulieren und wertloses Papier teuer zu verkaufen“, sagt Oberstaatsanwalt Zmyj-Köbel. Ende 2012 schloss die Börse das Board, aufgrund von „massiven und häufigen Verdachtsfällen auf Marktmanipulation“. Recherchen belegen, dass Castro Khatib Kunde von Renell war und er der Bank kurz vor Fricks Werbeaktion für LetsBuyit Verkaufsaufträge für die Aktie erteilt hat. Unterlagen eines Bankinsiders zufolge hat Renell „umfangreiche Verkäufe“ von LetsBuyIt-Aktien ausgeführt. Die riefen im Sommer 2012 die Finanzaufsicht auf den Plan. Die BaFin wollte wissen, wann und für wen die Bank Aufträge abgewickelt habe. Abzuliefern seien Mails, Audiomitschnitte, Chatprotokolle, Verträge und Namen und Adressen von Auftraggebern.