BGH-Urteil gegen Deutsche Telekom Der Held der T-Aktionäre

Das Urteil gegen die Deutsche Telekom ist auch der späte Triumph des Mannheimer Gesellschaftsrechtlers Wolfgang Philipp. Er erklärt, warum ihn Kollegen „Trüffelschwein“ nennen und wie es für die Kläger weitergeht.

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Logo der Deutschen Telekom Quelle: REUTERS

Manch ein T-Aktionär der ersten Stunde kann sich noch gut an Wolfgang Philipp erinnern. Der Rechtsanwalt trat vor über zehn Jahren regelmäßig als einer der schärfsten Kritiker auf Hauptversammlungen der Deutschen Telekom ans Rednerpult und zerlegte die Telekom-Bilanzen in all ihre Einzelteile.

Beifallsstürme der T-Aktionäre gab es immer dann, wenn Philipp die viel zu teure Übernahme des US-Mobilfunker Voicestream zerpflückte. Das sei der wahre Grund für den Absturz der T-Aktie, schimpfte Philipp lauthals. Allein der Konzernvorstand mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Ron Sommer an die Spitze trage die Verantwortung dafür. „Der Vorstand hat den zu hohen Kaufpreis auf die Alt-Aktionäre abgewälzt.“ Die T-Aktionäre kürten ihn damals mit „Zugabe“-Rufen zum Star der Hauptversammlung.

Rechtsanwalt Wolfgang Philipp Quelle: Screenshot

Was heute kaum noch jemand weiß:  Der mittlerweile 81-jährige Philipp gehörte von Anfang an zum Kreis der Rechtsanwälte, die an der Seite der Kanzlei Tilp aus Tübingen für die Rechte der 17.000 geschädigten T-Aktionäre kämpften. Mehr noch. Ausgerechnet den jetzt vom Bundesgerichtshof (BGH) als schwerwiegend anerkannten Fehler im Verkaufsprospekt hatte Philipp ausgegraben und mit Hilfe von Anwalt Andreas Tilp in den Mammutprozess eingebracht.  Nur deshalb wird jetzt das größte Wirtschaftsverfahren in der Geschichte Deutschlands neu aufgerollt.

Die Kleinanleger können hoffen, zumindest einen Teil des Schadens in Höhe von rund 80 Millionen Euro von der Deutschen Telekom zurückzubekommen. Erst durch den Anruf der WirtschaftsWoche erfuhr Philipp von der plötzlichen Wendung im Telekom-Prozess.

WirtschaftsWoche: Herr Philipp, im Mammutprozess gegen die Deutsche Telekom sind die T-Aktionäre jahrelang mit ihren Schadenersatzansprüchen gescheitert. Jetzt gibt Ihnen ausgerechnet die höchste Instanz, der Bundesgerichtshof, in einem wichtigen Punkt recht. Haben Sie damit noch gerechnet?

Philipp: Man weiß nie, wie der Bundesgerichtshof entscheidet. Aber unser Argument hat der Bundesgerichtshof jetzt gelten lassen. Die Übertragung der Anteile der US-Gesellschaft Sprint ist im Wertpapierverkaufsprospekt der Telekom als Verkauf dargestellt worden, obwohl es sich um die Einbringung in eine Tochtergesellschaft handelt. Die Informationen darüber habe ich ausgegraben, als ich im Jahr 2008 Akten aus dem Handelsregister des Amtsgerichts Bonn beigezogen habe. Aus diesen Akten konnte man feststellen, dass eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom die Gesellschaftsanteile an Sprint nicht für rund zehn Milliarden Euro gekauft hatte, sondern dass sie als Einlage in diese Gesellschaft eingebracht worden waren. Dadurch wurde ein Gewinn von 8,2 Milliarden Euro konstruiert und den Aktionären ein hervorragender Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 1999 vorgelegt. Den Gewinn hat die Telekom in die Bilanz aufgenommen, indem man die Tochtergesellschaft aufgewertet hat. Nur so gab es einen glanzvollen Jahresabschluss mit einem Gewinn von knapp zehn Milliarden Euro. Das war die Basis für den dritten Börsengang im Jahr 2000, für den Erwerb der UMTS-Lizenzen und die Übernahme der US-Mobiltelefongesellschaft Voicestream.

Wie kam es, dass ausgerechnet Sie genau den Fehler im Börsenprospekt in den Prozess eingebracht haben, den der Bundesgerichtshof jetzt anerkennt?

Meine Kollegen nannten mich spaßeshalber damals das „Trüffelschwein“.

Wieso das?

Weil ich genau diesen Fehler gefunden habe. Das war eine Fundsache, mit der ich nicht gerechnet habe. Im Grunde purer Zufall. Ich habe jedenfalls nicht danach gesucht. Ich habe das in den Akten, die mich aus ganz anderen Gründen interessierten, gesehen und die dann gründlich durchgearbeitet. Als Gesellschaftsrechtler habe ich sofort begriffen, dass das die Fundsache schlechthin ist. Eine Einbringung in eine Tochtergesellschaft ist etwas ganz anderes als ein Verkauf. Ich habe das aber erst 2008 herausgefunden, als sich das Oberlandesgericht Frankfurt bereits mit dem Telekom-Verfahren beschäftigte.

Das heißt aber doch: All die Punkte wie die fehlerhafte Immobilienbewertung, mit denen der Telekom-Prozess startete, spielen jetzt überhaupt keine Rolle mehr.

Alle anderen Punkte hat der Bundesgerichtshof in der Tat zurückgewiesen. Insbesondere bei der Grundstücksbewertung, die ja in dem Verfahren eine besonders große Rolle gespielt hat,  ist der Bundesgerichtshof den ablehnenden Ausführungen des Oberlandesgerichts gefolgt.

Also ein später Ritterschlag für Ihre Arbeit?

Der Bundesgerichtshof sagt, dass die Angaben zur US-Gesellschaft Sprint eindeutig falsch sind. Die Aktionäre sind darüber getäuscht worden, dass ein Gewinn von über acht Milliarden Euro auch wieder verloren gehen kann. Das konnten die Aktionäre dem Prospekt nicht entnehmen. Wenn es wirklich ein Kaufpreis gewesen wäre, wäre das Geld ja endgültig bei der Telekom geblieben. Allerdings war ich am BGH-Verfahren nicht direkt beteiligt. Das hat die Kanzlei Tilp übernommen, mit der ich gut zusammengearbeitet habe. Ich vertrete ja nur sieben Kleinanleger. Ich wollte denen nicht das Prozessrisiko eines Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof aufbürden.

Wie tief muss man in die Bilanzen schauen, um solch einen Fehler zu finden?

Der Bundesgerichtshof hat gesagt, dass auch ein bilanzkundiger Leser diesen Fehler dem Börsenprospekt nicht entnehmen konnte.

Wie geht das Verfahren jetzt weiter?

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dann ist aber auch noch nichts entschieden. Die 17.000 Einzelprozesse müssen dann noch vom Landgericht Frankfurt entschieden werden. In dem Musterverfahren werden ja nur die Grundsatzfragen geklärt.

Können sich denn die T-Aktionäre Hoffnung auf Schadenersatz machen?

Die T-Aktionäre können sich Hoffnungen machen. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass sich das Oberlandesgericht noch einmal quer legt. Ob die 17.000 Einzelprozesse dann Erfolg haben, hängt von den ganz persönlichen Verhältnissen ab.

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