Billiges Notenbank-Geld Die stärksten Dax-Aktien in der Geldflut

Verkehrte Welt: Die Nachrichten aus Konjunktur und Unternehmen werden schlechter, die Aktienkurse steigen, angetrieben von billigem Notenbank-Geld. Wie lange kann das gut gehen? Und welche Dax-Aktien haben nun noch Potenzial?

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Eisberg voraus? - Allen Bedenken zum Trotz nimmt die Frankfurter Börse Kurs auf neue Hochs Quelle: REUTERS

Die 19 schaffen wir nicht“, raunt Boris Ziganke seinem Chef zu. Der Börsenmakler von Scheich & Partner muss gleich den ersten Kurs für den Börsenneuling Talanx berechnen. Anleger haben die Versicherer-Aktie zu 18,30 Euro gezeichnet, jetzt hoffen alle auf einen Kurs über 19. Doch die Vorzeichen sind nicht gut; Talanx-Chef Herbert Haas hatte den Börsengang erst angekündigt, dann abgesagt und dann doch durchgezogen. Zu allem Überfluss eröffnet der Dax an diesem Morgen vor dem Einheits-Feiertag 50 Punkte im Minus.

Haas steht vor Zigankes Maklerschranke, umringt von Fotografen und Kamerateams, und wartet auf die erste Kursschätzung. Um 9.05 Uhr wagt Ziganke sie: „18,50 bis 19,20 Euro.“ Der Dax rauscht weiter nach unten. Ziganke telefoniert hektisch mit der Deutschen Bank, die den Börsengang an vorderster Stelle organisiert. Endlich, um 9.24 Uhr, verkündet er den ersten Kurs: 19,05 Euro.

Drei Aktientipps für alle Anleger
BASF - Die Chemie stimmt nochAm weltgrößten Chemiekonzern würde ein Einbruch des chinesischen Wirtschaftswachstums nicht spurlos vorübergehen. Doch langfristig würde BASF aus einer neuen Krise gestärkt hervorgehen und Marktanteile gewinnen: Die Bilanz ist solide, die Kosten sind im Griff, und bei fast allen Kunden kann BASF derzeit Preiserhöhungen durchsetzen. Quelle: ZB
Dank der Konzerntochter Wintershall (Öl- und Gasförderung) leiden die Ludwigshafener weniger unter steigenden Energiepreisen als andere Chemiekonzerne. Zudem ist die Aktie nicht teuer. Umsatz 2012 (in Mrd. €): 76,8 Kurs/ Stoppkurs (in €): 67,06/ 53,20 Börsenwert (in Mrd. €): 61,6 Dividendenrendite (in %): 3,7 KGV 2012/ 2013: 12,3/ 11,1 Chance/Risiko: 6/5 Quelle: Bloomberg, Stand: 4. Oktober 2012
SAP - Erfolge in der WolkeSAP hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: 2015 will der Konzern als erster Anbieter weltweit vollständig profitabel in der Cloud (Software flexibel im Netz mieten, statt sie zu kaufen und fest zu installieren) arbeiten. Cloud Computing ist eine Revolution, herkömmliche Softwareumgebungen werden nach und nach verschwinden. Quelle: dapd
SAP, dort groß geworden, hat die Herausforderung wider Erwarten gut angenommen. Die Produkte der Kurpfälzer sind inzwischen auch für kleinere Kunden aus Schwellenländern und Mittelstand attraktiv – lange ein Manko. Umsatz 2012 (in Mrd. €): 16,1 Kurs/ Stoppkurs (in €): 54,93/ 44,30 Börsenwert (in Mrd. €): 67,5 Dividendenrendite (in %): 1,4 KGV 2012/ 2013: 18,0/ 15,6 Chance/Risiko: 6/5 Stand: 4. Oktober 2012
Bayer - Die Apotheke vom RheinDie Aktie ist schon gut gelaufen, Skeptiker werden auf das deshalb gestiegene KGV und das respektable Kurs-Buchwert-Verhältnis von 2,6 verweisen. Doch Bayer hat in den vergangenen Jahren viele Probleme beseitigt oder verkleinert, die zuvor auf dem Kurs gelastet hatten, etwa die früher sehr schwache Pharma-Pipeline aufgefüllt. Quelle: dapd
Zudem expandiert Bayer stark im Pflanzenschutz und bei Saatgut, also in zwei sehr zukunftsträchtigen Branchen. Auch das stabile Geschäft mit Veterinärmedizin baut Bayer aus, etwa in den USA. Umsatz 2012 (in Mrd. €): 38,9 Kurs/ Stoppkurs (in €): 67,60/ 58,60 Börsenwert (in Mrd. €): 55,9 Dividendenrendite (in %): 2,4 KGV 2012/ 2013: 12,6/ 11,5 Chance/Risiko: 7/6 Stand: 4. Oktober 2012

Spürbare Erleichterung

Applaus. Die Deutsche Bank hat tatsächlich einen Kurs über 19 hinbekommen. Auf der großen Börsentafel dreht auch der Dax nun langsam ins Plus. „Talanx zieht den Dax“, witzelt Wolfram Schmitt, der für den Versicherer Investoren betreut. Das ist zu viel der Ehre; der Talanx-Kurs bröckelt wieder ab, aber die Erleichterung auf dem Frankfurter Parkett ist spürbar: Der erste große Börsengang des Jahres ist geglückt, und der deutsche Leitindex demonstriert in dieser goldenen Oktoberwoche erneut seine Stärke. Seit dem Tief von Anfang Juni stieg er von 6.000 auf 7.350 Punkte – ein Plus von fast 23 Prozent in nur vier Monaten.

Es scheint, als hätten die Anleger negative Signale ausgeblendet, die aus aller Welt an die Börse drängen:

  • Chinas Wachstum flaut ab. Jüngsten Daten zufolge wuchs die Wirtschaft zuletzt im Vergleich zum Vorjahr nur noch um sieben Prozent; in den kommenden Jahren könnte sich das Wachstum von früher acht bis elf auf drei bis sechs Prozent einbremsen, befürchten die Analysten der Société Générale. Für viele deutsche Konzerne ist China nicht der größte, aber der am schnellsten wachsende Markt. Nachlassende Dynamik könnte nicht ohne Folgen bleiben für Umsätze und Aktienkurse.
  • Europa ist von einer Lösung seiner Schuldenprobleme weit entfernt, Spanien und Italien schlittern immer tiefer in die Rezession. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis eines der beiden Länder dem Beispiel Irlands, Portugals und Griechenlands folgen wird und Hilfe aus dem ständigen Rettungsschirm der Euro-Zone (ESM) beantragen muss. Nach Schätzung der Ratingagentur Moody´s brauchen allein Spaniens marode Banken bis zu 105 Milliarden Euro aus den Rettungstöpfen. Griechenland hat sich derweil als das befürchtete Fass ohne Boden entpuppt; weder Schuldenschnitte noch Hilfszahlungen und harsche Sparprogramme haben bislang die Wende einleiten können.
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