Blackrock-Ökonom "Hoffentlich wird Europa von den USA mitgezogen"

Martin Lück vom US-Vermögensverwalter Blackrock glaubt nicht, dass ein Präsident Donald Trump der amerikanischen Wirtschaft schaden würde. Sorgen macht ihm eher die Entwicklung in Europa: Der Ökonom fürchtet, dass die europäische Idee durch die Wirtschaftskrise unter die Räder kommt. Für die EZB hat er dennoch lobende Worte übrig.

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Der Aufschwung in den USA könnte Europa mitziehen. Quelle: dpa Picture-Alliance

WirtschaftsWoche: Herr Lück, die Wirtschaft in Europa kommt kaum in Gang, obwohl die Europäische Zentralbank längst aus allen Rohren feuert. Stecken wir in einer Investitionsfalle, in der Unternehmen trotz niedriger Zinsen nicht mehr investieren?

Martin Lück: Ich würde sagen, wir stecken in einer Bilanzrezession. Viele Unternehmen in Europa sind hoch verschuldet und sehen derzeit keine Möglichkeiten, Geld sinnvoll zu investieren. Deswegen nehmen sie trotz niedriger Zinsen keine neuen Schulden auf und stecken, wenn sie es doch mal tun, das Geld statt in echte Investitionen lieber in Aktienrückkäufe. Auf Dauer ist das nicht der wahre Jakob, sie müssen investieren. Das werden sie aber erst dann wieder tun, wenn sie sehen, dass auch die Preise steigen. Im Moment können die Unternehmen nur mehr Umsatz erzielen, indem sie die Menge erhöhen. Die Preiskomponente muss dringend zurückkehren, damit das wirtschaftliche Schwungrad wieder in Fahrt kommt.

Ab dem kommenden Monat wird die EZB sogar Unternehmensanleihen kaufen, um Inflation zu erzeugen. Damit verzerrt die EZB den Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Einem Ökonomen wie Ihnen kann das nicht gefallen.

Martin Lück, Ökonom beim weltweit größten Vermögensverwalter Blackrock Quelle: PR

Sicher nicht, in diesem Punkt ist die EZB wohl übers Ziel hinaus geschossen. Mit den anderen Maßnahmen, also etwa der Ausweitung des Anleihekaufprogramms oder dem Senken des Leitzinses auf null, hätte sie vielleicht auch noch warten können. Aber die Grundsatzentscheidung, eine drohende Deflation zu bekämpfen, halte ich für absolut richtig.

Zur Person

Ein anderes Ziel der EZB-Geldpolitik war, den Euro zu schwächen. Das scheint lange funktioniert zu haben. Jüngst hat der Dollar aber gegenüber dem Euro verloren. Wie erklären Sie das?

Schon im Frühjahr 2014 haben die Märkte begonnen, die auseinander laufenden Geldpolitiken in den USA und Europa einzupreisen. Es hat über ein Jahr gedauert, in dem der Euro von 1,40 Dollar auf 1,05 Dollar gefallen ist. Seither pendelt der Euro im engen Band zwischen 1,05 und 1,15 Dollar. Ich denke, dass damit der Unterschied bei der Geldpolitik verdaut ist. Das sieht man auch daran, dass der Wechselkurs sich bei der Leitzins-Erhöhung der Fed im Dezember und auch der Senkung der EZB im März nicht mehr signifikant bewegt hat. Trotzdem erwarten viele in diesem Jahr noch die Parität zwischen Euro und Dollar. Ich halte das für unwahrscheinlich und sehe den Wechselkurs stabil oder gar Richtung 1,20 Dollar je Euro gehen.

Wird die amerikanische Zentralbank weitere Zinsschritte folgen lassen?

Die jüngsten Arbeitsmarktdaten waren stark, die Kerninflation liegt bei 2,2 Prozent, also sogar oberhalb des Fed-Ziels. Von dieser Warte aus hat die Fed hier alle Karten in der Hand, die Zinsen weiter zu erhöhen. Jedenfalls, wenn man auf die USA schaut. Sollte es natürlich weltwirtschaftliche Verwerfungen geben, kann sich das ändern. Aber im Moment rechne ich mit weiteren Zinsschritten nach oben.

Eine robuste Wirtschaft, ein leicht schwächerer US-Dollar: Ihre Erwartungen sprechen  eigentlich für ein Investment in amerikanische Aktien. Ende vergangenen Jahres haben Sie noch europäische zum Kauf empfohlen. Wie passt das zusammen?

Inzwischen haben wir unsere Einschätzung überarbeitet und sind aus oben genannten Gründen zwischen amerikanischen und europäischen Aktien neutral.

Wer in Europa investiert, hat viele politische Risiken am Hals: In Ungarn und Polen sind Rechtspopulisten an der Macht, in Frankreich stehen sie kurz davor und in England droht die Abspaltung von der EU. Welche wirtschaftlichen Folgen hat das?

Der europäische Gedanke wird im Moment merklich geschwächt. Das sind nicht nur, aber auch für die Wirtschaft gar keine guten Nachrichten. Werden im Zuge dieser Entwicklung Handelsschranken wieder aufgebaut, schadet das der gesamten europäischen Wirtschaft, auch der deutschen. Europa könnte statt der Renationalisierung mit Strukturreformen auf die Krise reagieren und gestärkt daraus hervorgehen. Allerdings mache ich mir da im Moment wenig Hoffnung, zumal ein Brexit mit jedem Tag wahrscheinlicher wird.

"Trump sollte keine große Auswirkung auf die US-Konjunktur haben"

Auch in den USA greift ein Populist nach der Macht. Eine Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump ist kaum noch zu verhindern. Wie gefährlich ist Trump für die US-Konjunktur?

Ich denke, dass wir im Wahlkampf

zwei Phasen

sehen werden. Bis zur Ernennung zum Kandidaten sehen wir Trump, den Schreihals. Ist er aber offiziell nominiert oder gar Präsident, wird er Kreide fressen. Ich erwarte deshalb, dass ein eventueller Wahlkampf zwischen Clinton und Trump weit offener wäre als aktuell vermutet. Sollte Trump wirklich Präsident werden, könnte ihm im Kongress schnell ein Gegengewicht erwachsen, das seine Gefährlichkeit einschränkt. Hier verlassen sich die Amerikaner auf ihr System der Checks und Balances und sind entspannter als wir. Selbst ein Wahlsieg von Trump sollte daher keine großen Auswirkungen auf die US-Konjunktur haben.

Insgesamt erinnert die weltweite Lage in Politik und Wirtschaft an die „Great Depression“ der 30er-Jahre: Eine weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise und in der Folge ein Erstarken radikaler politischer Kräfte. Erleben wir ein fatales Déjà-Vu?

Ich denke, dass die internationale Politik sich heute ganz anders koordinieren kann beim Bekämpfen der Krise. Es gab damals keine EU, an den Völkerbund glaubte niemand. Insofern haben wir einen strukturellen Vorteil gegenüber damals und durch die Maßnahmen der Geldpolitik die schlimmsten Auswüchse abmildern können. Auf der anderen Seite sieht man gerade in Europa, wie schwer koordinierte Krisenbekämpfung ist. Europa kann durch die Krise unter die Räder kommen. Die europäische Integration, diese unglaubliche Erfolgsgeschichte, die erst unseren Frieden und Wohlstand ermöglicht hat, steht auf dem Spiel. Dass sie überlebt, wäre extrem wichtig.

Trump „jämmerlich unvorbereitet“ für Präsidentschaft
„Hillary Clinton will Amerikas Angela Merkel werden, und ihr wisst, was für eine Katastrophe diese massive Einwanderung für Deutschland und die Menschen Deutschlands ist“, sagte Trump Mitte August in einer außenpolitischen Rede in Youngstown (Ohio). „Die Kriminalität ist auf ein Niveau gestiegen, das niemand geglaubt hat, je zu sehen.“ Die USA hätten genug Probleme, ohne sich durch die ungezügelte Aufnahme syrischer Flüchtlinge weitere aufzubürden. Quelle: AP
„Jämmerlich unvorbereitet“, um die USA als Präsident führen zu können, ist Donald Trump nach Aussagen von US-Präsident Barack Obama. Auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus forderte Obama die Republikaner am Dienstag auf, Trump nicht mehr zu unterstützen. Dabei gehe es um mehr als unterschiedliche Ansichten politischer Natur, sagte Obama. Trotz des wachsenden Unmuts gegenüber Trump hat bisher kein Republikaner ihm seine Unterstützung entzogen. Obama sagte, republikanische Politiker hätten wiederholt feststellen müssen, dass Äußerungen Trumps inakzeptabel seien. „Warum unterstützen Sie ihn dann noch?“, fragte Obama. Quelle: dpa
„Belgien ist eine wunderschöne Stadt und ein herrlicher Ort - großartige Gebäude“, sagte Donald Trump in einer Rede und zeigte, wie es um seine geographischen Kenntnissen bestellt ist. „Ich war mal dort, vor vielen, vielen Jahren. Vor ein paar Monaten habe ich dann ein Statement abgegeben, nach dem Motto, Belgien ist ein elendes Loch. Dafür wurde ich dann schwer kritisiert, man hat gesagt, was für eine böse Sache - und dann hatten sie in Belgien dieses massive Problem.“ Quelle: dpa
US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat die Washington Post von künftigen Wahlkampfauftritten ausgeschlossen: Auf Facebook bezeichnete er das Blatt als "unehrlich und verlogen". Die Washington Post hatte erst kürzlich kritisch über den Milliardär berichtet. In den Augen von Trump sei die Berichterstattung "unglaublich fehlerhaft", deshalb habe er der Zeitung die Akkreditierung für seine Wahlkampfveranstaltungen entzogen.Der umstrittene republikanische Präsidentschaftsbewerber Trump ist ein Quereinsteiger und hat noch nie ein politisches Amt bekleidet. Im Wahlkampf macht er immer wieder mit skurrilen Aussprüchen auf sich aufmerksam. Quelle: AP
Donald Trump Quelle: REUTERS
Donald Trump Quelle: dpa
Trumps Knaller nach dem Sieg in den Vorwahlen von Nevada: „Wir haben bei den Evangelikalen gewonnen. Wir haben bei den Jungen gewonnen, wir haben bei den Alten gewonnen. Wir haben bei den gut Gebildeten gewonnen, wir haben bei den schlecht Gebildeten gewonnen. Ich liebe die schlecht Gebildeten.“ Quelle: REUTERS

Wo stehen wir beim Bekämpfen der Weltfinanzkrise?

An einem Punkt, an dem es eine große Diskrepanz zwischen Europa und den USA gibt. In Amerika stehen wir an der Schwelle zurück zur Normalität, hier sehe ich nach langen Jahren Licht am Ende des Tunnels. Europa ist noch nicht so weit. Hoffentlich wird Europa von den USA mitgezogen, ansonsten droht das japanische Schicksal. Die Japaner sind mit dem Versuch gescheitert, ihre wirtschaftlichen Probleme mit Geld- und Fiskalpolitik allein zu lösen, also ohne wirkliche Strukturreformen, und erleben als Konsequenz wirtschaftlichen Stillstand.

Ein Kernproblem unseres Wirtschaftssystems ist die Vermögensungleichheit: Das Vermögen und Einkommen konzentriert sich bei den Reichen, sie können aber weniger ihres Einkommens verkonsumieren und damit zurück in den Kreislauf geben. Gleichzeitig fällt die Mittelschicht ab und damit als zahlungskräftige Klientel aus.

Diese Feststellung ist richtig und ich beobachte das mit großer Sorge. In Deutschland haben wir uns entfernt vom Gedanken der sozialen Marktwirtschaft und stattdessen eine Spielart des angelsächsischen Kapitalismus etabliert. Gleichzeitig haben wir einige Bereiche des öffentlichen Sektors, etwa die Polizei oder viele Gemeindeeinrichtungen, kaputtgespart. Das ist schädlich für die Gesellschaft als Ganzes. Wenn die Entwicklung so weiter geht wie im Moment, haben wir vielleicht irgendwann auch eingezäunte und bewachte Stadtteile, damit die Reichen, die darin leben, sich vor den Armen schützen. Das will niemand.

In der Geschichte wurden die Unwuchten bei der Vermögensverteilung immer wieder durch fatale Krisen bereinigt. Nach dem zweiten Weltkrieg etwa hatten sehr viele Deutsche mehr oder weniger nichts, was gleichzeitig der Nährboden für den wirtschaftlichen Aufschwung in der Zeit danach war. Seit 2008 versuchen die Notenbanken aber mit aller Macht, eine Bereinigung bei den Vermögen zu verhindern. Können wir die Ungleichheit überhaupt ohne großen Knall verändern?

Ich denke, dass es gelingen kann, aber sehr schwer ist. Die erste Voraussetzung ist, dass wir Inflation erzeugen. Denn sie könnte wie oben beschrieben die Wirtschaft beleben und damit, etwa über stärker steigende Löhne, denen helfen, die in erster Linie von ihrer Arbeitskraft leben. Gleichzeitig entlastet sie Schuldner auf Kosten der Gläubiger, deren Vermögen sie entwertet. Insofern kann Inflation durchaus zur Umverteilung beitragen. Vor allem, wenn sie ergänzt wird durch ein effizienteres System der staatlichen Einnahmen und Ausgaben.

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