BMW, Daimler, Volkswagen Konzerne verlieren über 10 Milliarden Euro an Wert

Nach dem Vorwurf über Kartellabsprachen in der Automobilindustrie werfen die Anleger Aktien von Volkswagen, Daimler und BMW aus dem Depot. Folge: Die Konzerne verlieren seit Freitag massiv an Wert.

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VW Golf Produktion Wolfsburg Quelle: dpa

Ein historischer Tiefpunkt für Automobil-Unternehmen und deren Aktionäre: In weniger als zwei Handelstagen haben die drei Automobilaktien im Dax mehr als 11,4 Milliarden Euro an Wert verloren. Den größten Verlust gab es bei Volkswagen: Seit dem Handelsbeginn am Freitag bis Montagmittag haben die Vorzugsaktien 3,89 Milliarden Euro an Marktkapitalisierung verloren. Knapp dahinter mit minus 3,88 Milliarden Euro liegt die Daimler Aktie, gefolgt von den BMW-Titeln (minus 2,77 Milliarden Euro).

Der Wertverlust des Porsche-Konzerns mit rund 895 Millionen Euro ist dagegen vergleichsweise gering. Alle vier Aktien haben seit Freitag mehr als fünf Prozent nachgegeben. Allerdings sind die Verluste im Vergleich zur Dieselaffäre gering. Am Montag nach Bekanntwerden des Skandals im September 2015 hatte VW einen Bewertungsabschlag von 15 Milliarden Euro hinnehmen müssen.

Auch am heutigen Handelstag steht die Aktien aus Furcht vor Strafzahlungen in Milliardenhöhe unter Druck. Die Papiere von BMW, Daimler und Volkswagen verloren am Montag jeweils zwischen 3,7 und 2,8 Prozent und waren damit mit Abstand die größten Verlierer im Dax.

„Ich gehe davon aus, dass beim Automobilkartell, sollte ein solches gegeben sein, Beträge in Milliardenhöhe von den Autokonzernen eingefordert werden, also noch deutlich höhere Beträge als beim Lkw-Kartell von bisher 2,8 Milliarden Euro“, meint Christian Genzow, einer der führenden Experten für Fragen des Kartell-, Vertriebs- und Wettbewerbsrechts in der Automobilindustrie. Der Jurist der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner berät und vertritt seit über 30 Jahren die wichtigsten Händlerverbände der internationalen Kfz-Hersteller in Deutschland.

Medienberichten zufolge haben sich die drei Autokonzerne seit den 1990er-Jahren über die Technik ihrer Fahrzeuge, über Kosten, Zulieferer, Märkte und Strategien abgesprochen. Die EU-Kommission geht den Angaben zufolge entsprechenden Hinweisen nach. „Es scheint, als finden die schlechten Nachrichten über das schlechte Benehmen der Industrie kein Ende“, sagt Jürgen Pieper, Analyst beim Bankhaus Metzler.

Den Automobilherstellern drohen nicht nur Klagen seitens der Kunden, sondern möglicherweise auch durch ihre Anteilseigner. „Zu guter Letzt wird zu klären sein, inwieweit Aktionäre und Investoren durch die Kartellabsprachen geschädigt wurden“, meint Genzow.

„Die möglichen finanziellen Belastungen – Strafzahlungen, Schadensersatz etc. – lassen sich auf Basis der aktuell vorliegenden Informationen nicht abschätzen“, schreibt DZ-Bank-Analyst Michael Punzet in einem Kommentar. Die Aktien der Autohersteller seien zwar teilweise günstig, abhängig vom Nachrichtenfluss müsse in den kommenden Wochen aber mit kräftigen Kursausschlägen gerechnet werden.

Günstig bedeutet unter anderem: Alle drei Wertpapiere weisen – vor allem durch die Kursverluste – ein hohe Dividendenrendite auf. Die liegt bei den Volkswagen-Vorzugsaktien bei 2,52 Prozent, BMW weist 4,27 Prozent auf, Daimler sogar 5,56. Die Dividendenrendite ergibt sich aus der Division der Dividende durch den aktuellen Aktienkurs multipliziert mit 100. Sie gibt die Verzinsung des investierten Aktienkapitals je Aktie in Prozent an.

Deutsche Autohersteller setzen gesamte Branche unter Druck

Weil die drei Automobilaktien zusammen mit rund zehn Prozent im Dax gewichtet sind, fiel der Börsenindikator am heutigen Handelstag ebenfalls. Der Leitindex rutschte unter die Marke die Marke von 10.200 Punkten. Bereits am Freitag belasteten die drei Autotitel mit ihrem Minus den Dax, der letztlich um 1,7 Prozent auf 12.240 Punkte nachgab.

Schon seit Monaten hinkt die Kursentwicklung der drei Automobilaktien dem Dax hinterher. In den vergangenen zwölf Monaten legt der deutsche Leitindex um gut 20 Prozent zu, während die Anteilsscheine von Daimler in diesem Zeitraum noch nicht einmal um fünf Prozent gestiegen sind. BMW schaffte ein Plus von sieben Prozent. Die VW-Vorzüge legten nach dem großen Einbruch im Zuge der Abgasaffäre vor gut zwei Jahren in den vergangenen zwölf Monaten um 13 Prozent zu.

Doch nicht nur die Aktien von deutschen Herstellern kamen am heutigen Handelstag unter die Räder. Denn nach der Herabstufung durch die Analysten von HSBC haben viele Anleger am Montag Peugeot aus ihren Depots geworfen. Die Aktien fielen um 3,2 Prozent auf 17,85 Euro und zählten damit im französischen Standardwerte-Index zu den Schlusslichtern.

Der Aufsichtsrat von Volkswagen wird angesichts der Kartellvorwürfe am Mittwoch zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkommen. Derweil fordern Gewerkschafter, Politiker und Experten Aufklärung.

Zwar fielen auch Renault-Aktien zeitweise um über zwei Prozent, da wegen des Kartellverdachts gegen deutsche Autohersteller die gesamte Branche unter Druck stand. Doch hatten die HSBC-Analysten ihre Kaufempfehlung kassiert und sich auch skeptisch über Opel geäußert sowie ihre „Halten“-Empfehlung mit einem auf 20 von 24 Euro gesenkten Kursziel versehen.

Hinzu kommt: Viele Hersteller stehen bereits wegen der Abgasaffäre unter Druck. Und die Verbraucherzentrale dringt nun darauf, per Gesetz eine Musterklage möglich zu machen, damit mutmaßlich betrogene Kunden nicht einzeln vor Gericht gehen müssen, sondern sich zusammentun können.

Auch EU-Verbraucherschutzkommissarin Vera Jourova hat sich für eine Stärkung der Rechte von Käufern in Europa ausgesprochen. „Der VW-Skandal hat uns eine harte Lektion erteilt“, sagte Jourova der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Als Lehre daraus wolle sie die Möglichkeit europaweiter Sammelklagen einführen. „Ich will, dass die europäischen Verbraucher ihre Kräfte bündeln und ihre Klagen koordinieren können.“

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