Börse Broker müssen stempeln

Die goldenen Zeiten für Börsenhändler sind vorbei. Die Jobs für Trader sind rar und ihr Fachwissen ist in anderen Branchen nicht gefragt. Die Erfolgsverwöhnten warten auf Mitleid oder satteln wie Dirk Müller um.

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Filmstars: Michael Douglas in der Rolle von Gordon Gekko mit Shia LaBeouf als Jake Moore (rechts) im Film Wall Street. Quelle: dapd

Der Film "Wall Street" hat das Bild des Börsenhändlers geprägt: Gordon Gekko, gespielt von Michael Douglas, jongliert mit sehr viel Geld, steht auf der Suche nach dem großen Geschäft ständig unter Strom und wenn alles gutgeht, ist sein Kontostand von einem Moment auf den anderen explodiert.

Die Aussicht auf das große Geld gepaart mit ständigem Nervenkitzel - das hat für viele Trader auch hierzulande eine nicht unerhebliche Rolle bei der Berufswahl gespielt. Lange ging die Rechnung auf. Doch die Zeiten haben sich geändert.

Aktuell gibt es für immer weniger Händler Jobs. Viele der einst Erfolgsverwöhnten stehen am Scheideweg. "Es ist sehr viel schwieriger geworden, einen neuen Job zu finden als in den vergangenen Jahren", sagt ein Händler, der gerade auf der Suche ist. "Befristete Arbeitsverträge sind durchaus üblich geworden, und dann muss man sich vor potenziellen Arbeitgebern fast dafür rechtfertigen, dass man so oft gewechselt hat."

"Automatisierte Prozesse ersetzen zunehmend die Händler", konstatiert auch Frank Herkenhoff, Sprecher des Börsenbetreibers Deutsche Börse. Im hiesigen Aktienhandel zum Beispiel laufen inzwischen etwa 40 Prozent des Geschäfts komplett computergesteuert.

Dazu kommt, dass die Banken als Lehre aus der Finanzkrise nun deutlich strenger reguliert werden. Die Institute können an der Börse schlicht nicht mehr so wild zocken wie noch vor ein paar Jahren, also werden auch weniger Trader gebraucht. Während in den Jahren 2003 bis 2008 die Zahl der an der Deutschen Börse zugelassenen Aktienhändler um mehr als 40 Prozent auf knapp 5000 stieg, waren Anfang dieses Jahres nur noch rund 4.000 Händler gemeldet.


Üppige Gehälter, keine Perspektive

Die Entwicklung ist natürlich nicht vergleichbar etwa mit der Autoindustrie, wo Roboter in den Produktionshallen Scharen von Arbeitskräften ersetzten und einstige Beschäftigte dadurch in Existenznöte geraten. Börsianer, die ihren Job verlieren, dürften in der Regel ein finanzielles Polster haben. "Wer in den vergangenen 20, 30 Jahren gehandelt hat, der müsste eigentlich super verdient haben und immer noch gut ausgestattet sein", sagt ein Händler, der seit gut zehn Jahren dabei ist.

Börsianer sind ein üppiges Salär gewohnt. Basierend auf Gesprächen mit etlichen Händlern lässt sich für Börsianer mit wenig Erfahrung ein Grundgehalt zwischen 50.000 und 100.000 Euro pro Jahr schätzen - abhängig vom Haus, für das man arbeitet. Entscheidend sind aber die Boni und Provisionen, die das Jahresgehalt um ein vielfaches übersteigen können.

In den vergangenen Jahren hat sich allerdings bei den Gehältern einiges getan. "Der Job ist nach wie vor gut bezahlt, aber die Zeiten eines Gordon Gekko sind vorbei", betont Vanessa Müller-Raidt, die im Jahr 2000 auf dem Frankfurter Parkett ihr Debüt hatte. Wer erst kurz vor oder während der Finanzkrise eingestiegen ist, macht sich deshalb um seine beruflichen Perspektiven durchaus Gedanken.

Eine neue Stelle ist in der von der Finanzkrise gebeutelten Branche aber nicht so einfach zu finden. Vom angespannten Jobmarkt profitieren kleinere Broker. So sind zum Beispiel erst vor kurzem Händler der zusammengeschmolzenen und nach einem Eigentümerwechsel in Westend Brokers umbenannten Silvia Quandt ur Frankfurter KochBank gewechselt.

Auch die Münchener Acon Actienbank hat sich aus dem Pool bedient. Etliche Börsianer fassen branchennah neu Fuß. Der Chef der Investor-Relations-Abteilung des Mobilfunkanbieters Drillisch Oliver Keil zum Beispiel war früher Händler bei N.M. Fleischhacker, einem 2009 von der Baader Bank übernommenem Broker.


Schlechte Chancen am Arbeitsmarkt

Wegen der hohen Spezialisierung der Börsianer sind ihre beruflichen Perspektiven außerhalb der Finanzbranche aber begrenzt. Ein üblicher Weg zum Beruf des Händlers beginnt mit einer Ausbildung im Bankbereich. Für die offizielle Zulassung zum Handel muss der Bewerber dann einen einwöchigen Lehrgang bei der Deutschen Börse inklusive Prüfung absolvieren.

Dafür muss er nachweisen, dass er das deutsche Börsenrecht beherrscht, weiß, wie an der Börse Preise gebildet und Geschäfte abgewickelt werden. Er muss sich am Terminmarkt auskennen und das Handelssystem der Deutschen Börse beherrschen. Für die Finessen des Handwerks ist "Learning by Doing" angesagt. "Wir verfügen über Spezialwissen, das sonst in anderen Branchen nicht gefragt ist", sagt Vanessa Müller-Raidt.

Ganz gern versuchen arbeitslose Händler deshalb ihr Glück an der Börse auf eigene Rechnung. "Es gibt etliche ehemals fest angestellte Trader, die jetzt versuchen, das privat weiterzumachen", sagt ein inzwischen in Dubai arbeitender Händler.

Mit Blick auf den Geldbeutel ist ein Neustart in Steueroasen beliebt. "Es sind einige hier, aber keiner redet gern darüber. Niemand will sich in die Karten schauen lassen", sagt der Börsianer, der selbst weiter als Angestellter arbeitet. Vor dem Umzug an den persischen Golf war er rund fünf Jahre in Frankfurt bei einer mittelgroßen Privatbank, bei der es für ihn zum Schluss immer langweiliger geworden war.

Das Geschäft auf eigene Rechnung scheint für einige Trader ziemlich gut zu laufen. Ein Börsianer in Frankfurt sagt, dass teilweise ein gutes Geschäft pro Tag genüge, um auch hierzulande auf ein fünfstelliges Monatsgehalt zu kommen.


„So einfach ist das Geld nicht verdient"

Aber längst nicht für alle läuft es rund. "Auf eigene Faust zu handeln ist gar nicht so einfach", sagt ein Ex-Händler, der einige Beispiele kennt. Die Schwierigkeiten fingen schon damit an, dass man zuerst ein gewisses Kapital brauche, um überhaupt lukrativ handeln zu können. Und Verluste seien besonders schmerzhaft, wenn sich dadurch der private Geldbeutel leert. "So einfach ist das Geld nicht verdient, sonst würde es ja jeder machen und in seinem Garten arbeiten."

Andere Börsianer gehen ganz neue Wege. Vanessa Müller-Raidt gehört jetzt ein Kino in Kronberg im Taunus, etwa eine halbe Stunde entfernt von Frankfurt. Sie ist aus eigenem Antrieb ausgestiegen und hat sich einen Traum erfüllt, als im vergangenen Sommer das Kino zum Verkauf stand. Dafür hat sie einen sicheren Job gekündigt und ist ohne dicke Abfindung gegangen. "Der Abschied lief mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt sie.

Froh ist sie darüber, nicht mehr immer längere Handelsstunden vor dem Computer sitzen zu müssen. "Das ganze Geschäft ist so technik-lastig geworden, dass man als Händler fast nur noch wie ein Controller agieren kann", erinnert sie sich. "Zum Schluss ging es nur noch um Geschwindigkeit, man hatte kaum noch Entscheidungsspielraum."

Traurig stimmt sie der Abschied von den Kollegen. Auch das einst sichere Gehalt vermisst sie hin und wieder. Als eine "Gratwanderung zwischen Leidenschaft und Geld verdienen" beschreibt Müller-Raidt ihr neues Geschäft. "Aber die Lebensqualität ist natürlich gestiegen. Ich habe viel mehr Freude und Spaß."

Mit ihrem Sprung in eine völlig neue Welt ist Müller-Raidt nicht allein. Andere Ex-Händler betreiben zum Beispiel einen Weinversand oder Suppen-Bistros. Der deutschen Öffentlichkeit inzwischen als Juror in der TV-Sendung "Let's Dance" bekannt ist Joachim Llambi, der als Börsenmakler unter anderem für das Wertpapierhaus Concord auf dem Frankfurter Parkett aktiv war.


Dirk Müller hat es geschafft

Der wohl bekannteste Ex-Händler Deutschlands ist Dirk Müller alias "Mister Dax", der bei vielen Fotos von der Dax-Kurve im Handelssaal im Vordergrund zu sehen war. Er hat seine Popularität genutzt, um sich selbstständig zu machen.

Auf seiner Internetseite kommentiert er das Marktgeschehen, gibt Hintergrundinformationen und liefert Anlagestrategien. Das Abo kostet 9,90 Euro im Monat. Wie viele Kunden er hat, sagt Müller nicht. Glaubt man den hinter vorgehaltener Hand kursierenden Zahlen, sind es mehr als 5000. Müller hat es geschafft, sich erfolgreich zu vermarkten. Er ist oft gesehener Gast in Talkshows, hält Vorträge und wird auch von Politikern gern zu Rate gezogen.

Seinen alten Job als Händler vermisst er nicht. "Die Veränderungen am Parkett haben den Job so sehr verändert, dass es keinen Spaß mehr gemacht hat", sagt er und beklagt die Anonymität im Computerzeitalter. "Früher war es ein ethischer Handel nach hanseatischer Kaufmannsehre - mit dem, der mir gegenübersteht, will ich auch in ein paar Jahren noch Geschäfte machen. So etwas zählt nicht mehr."

Einige Börsianer trauern den alten Zeiten hinterher. Aber es gibt auch andere Einsichten: "Natürlich läuft es nicht mehr so bombig wie im Boomjahr 2000, und das werden wir wohl auch nie mehr erreichen", sagt ein Händler. "Aber im Vergleich mit anderen Branchen jammern wir auf sehr hohem Niveau."

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