Börse im Sinkflug Gewinnenttäuschungen im Dax in Sicht

Kurzfristig ist eine Stabilisierung im Dax möglich. Danach besteht ein Rückschlagrisiko bis 8000 Punkte und darunter. Der Rückgang des ifo-Geschäftsklimaindex deutet auf Gefahren für deutsche Aktien hin.

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In nur drei Wochen hat der Aktienindex Dax 1000 Punkte verloren. Quelle: REUTERS

Mit seinem Wochenstart bei 8700 Punkten ist die angespannte Marktsituation im Dax offensichtlich. Der Aktienmarkt hat es am Freitag nicht mehr geschafft, sein Niveau zu verteidigen. Dass sowohl Dax als auch Dow dabei vergangene Woche den Handel mit Tiefpunkten beendeten, war für die aktuelle Woche kein gutes Zeichen. Für die aktuelle Marktschwäche gibt es vor allem zwei Gründe:
Zum einen entwickelt sich die Konjunktur schwächer als erwartet. An sich ist das angesichts der Krisen in Russland sowie in der arabischen Welt kein Wunder. Dennoch werden die Unternehmen davon jetzt offensichtlich stärker erfasst, als ursprünglich erwartet. Entsprechend tief dürften die Einschnitte bei den anstehenden Daten zum dritten Quartal werden – und entsprechend zurückhaltend die Prognosen für den weiteren Jahresverlauf.

Besonders gut wird dies in der Entwicklung des ifo-Index sichtbar. Der Geschäftsklimaindex, der die Erwartungen von 7000 Unternehmen für die nächsten sechs Monate widerspiegelt, hat nach seinem Hoch vom Frühjahr nun nach unten gedreht. Nachhaltige Wendepunkte dieser Art (um mehr als drei bis vier Prozent gegen die vorher bestehende Richtung) hatten in den vergangenen Jahrzehnten ziemlich zuverlässig auch größere Dax-Bewegungen angezeigt. Nach knapp zwei Jahren Rückenwind vom ifo-Index droht damit eine längere Korrektur-Phase.

ifo-Index sende Verkaufssignal

Mit einem Stand von 104,7 Punkten liegt der ifo-Geschäftsklimaindex weit unter dem diesjährigen Top-Niveau (111,2 Punkte im Februar und im April). Das ist ein schlechtes Omen für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland und ein Warnsignal für den Dax. Der ifo-Geschäftsklimaindex spiegelt die Erwartungen wider, die 7000 Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, der Baubranche sowie des Groß- und Einzelhandels für die nächsten sechs Monate haben.

Mieses Klima für die Aktienkurse

In den vergangenen zwei Jahrzehnten kam es im langfristigen Verlauf des ifo-Index fünfmal zu einer Aufwärtswende, fünfmal drehte die Kurve nach unten. Eine Wende in der Grundrichtung vollzog sich immer dann, wenn der Index nach einem längeren Trend um mehr als drei bis vier Prozentpunkte in die andere Richtung ging. Je weiter ein solcher Dreh im wirtschaftlichen Überhitzungsbereich (deutlich über der neutralen Zone um 100) oder im Unterkühlungsbereich (deutlich unter 100) stattfand, umso stabiler erwies sich die neue Richtung.

Für Dax-Anleger gaben diese Wendepunkte (in der Grafik oben grün und rot markiert) wertvolle Hinweise. So entpuppten sich aus charttechnischer Sicht die nachhaltigen Drehungen nach oben als Kaufsignale für die Hausse-Phasen seit den Neunzigerjahren. Das jüngste Kaufsignal gab es Anfang vergangenen Jahres. Die Drehungen nach unten warnten 1998 vor dem Hedgefonds-Crash, 2001 vor der High-Tech-Baisse, 2007 vor der Finanzkrise und 2011 vor dem Konjunkturknick.

Aktuell hat der ifo-Index wiederum nach unten gedreht. Daran gemessen hat ist der Dax noch ziemlich stabil geblieben. Eine solche Verzögerung ist nicht ungewöhnlich. 2007 etwa, kurz vor der Finanzkrise, gab der ifo-Indikator ein Verkaufssignal – und erst 2008 krachte es dann auch richtig an den Börsen.

Gewinnprognosen werden unrealistisch

Das zweite Risiko für die Aktienmärkte: Bisher gab es einen Konsens über ein rund 20prozentiges Wachstum der Unternehmensgewinne in diesem Jahr und eines abermaligen, zweistelligen Wachstums 2015. Dafür aber ist eine wirtschaftlich starke Entwicklung notwendig, die nun ziemlich unwahrscheinlich geworden ist. Für die prognostizierten Gewinne der Dax-Unternehmen werden deshalb in den nächsten Wochen deutliche Rückstufungen wahrscheinlich.


Bisher liegen die Gewinnerwartungen für 2014 bezogen auf den Dax bei 716 Euro. (Bei dieser Prognose werden die erwarteten Nettogewinne der einzelnen Unternehmen so auf den Index umgerechnet, als wäre der Dax selbst ein Unternehmen.)
Bei 716 Euro Gewinn und aktuell 8800 Punkten im Index hätte der Dax eine 2014er-Bewertung von gut 12. Damit wäre der Dax nicht einmal überbewertet, die aktuelle Korrektur hätte also schon zu einer deutlichen Abkühlung beigetragen.

Wenn es nun aber im Zuge einer Wirtschaftsabschwächung im zweiten Halbjahr nur zu einer Stagnation im Vergleich zu den Werten von 2013 käme, würden insgesamt 670 Euro übrig bleiben. Eine Zwölffache Gewinnbewertung ergäbe dann ein faires Kursniveau um 8000 Punkte. Und sollte, wie es in Baisse-Phasen durchaus üblich ist, die Bewertung weiter schrumpfen, ergäbe eine zehnfache Bewertung ein Kursniveau um 7000 Punkte.

Fazit für den Dax

Mit dem deutlichen Unterschreiten der Zone 8900/9000 hat der Aktienmarkt zumindest eine größere Korrektur oder einen Abwärtstrend eingeleitet. Gewinne und Bewertung könnten einen Abschwung in den Bereich 8000 bis 7000 einleiten.

Kurzfristig ist nach 1000 Punkten Dax-Verlust in drei Wochen durchaus eine kleine Gegenbewegung möglich. Allerdings besteht das Risiko, dass diese Erholung von vielen Investoren zum Verkauf genutzt wird. Für nachhaltige breit angelegte Käufe am Aktienmarkt ist es immer noch zu früh.

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