Börse in Athen wieder geöffnet Griechischer Börsencrash mit Ansage

An der Athener Börse wird wieder gehandelt. Zum Start ging es 22 Prozent bergab. Einen Monat lang war der griechische Aktienmarkt geschlossen, es gibt viel nachzuholen. Wer leidet und wer profitiert?

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Die Börse in Athen öffnet wieder nach fünf langen Wochen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Nach einem Monat Däumchendrehen können die Athener Börsenhändler demnächst endlich wieder Aktien handeln. Die Börse in Athen hat an diesem Montag den Handel wieder aufgenommen. Und wie erwartet ging es zunächst steil nach unten. Mit einem Minus von 22 Prozent beim Börsenindex Athex Composite ging es sogar etwas schneller abwärts als von Aktienhändlern zuvor erwartet. Viele hatten mit einem Kursrutsch zwischen 15 und 20 Prozent gerechnet.

Wie der Vorsitzende der Wertpapieraufsichtsbehörde des Landes, Konstantinos Botopoulos, am vergangenen Freitag verlauten ließ, sollte die Athener Börse am Montag wieder öffnen, nachdem es in der vergangenen Woche mehrfach Verzögerungen gegeben hatte. Allerdings stand am Freitag noch ein Dekret des Finanzministeriums zu den Details der Handelsregeln aus, dass inzwischen vorliegt. Händler warteten schon seit Wochen darauf, endlich wieder ihre Tätigkeit aufnehmen zu können.

Freier Börsenhandel nur für Ausländer

Die Europäische Zentralbank hatte der Wiedereröffnung des Aktienmarktes bereits Anfang der Woche zugestimmt. Da der Handel für Griechen aber eingeschränkt werden sollte, verspätete sich der Börsenstart. Hintergrund waren Probleme mit den IT-Systemen der Banken, die die Beschränkungen umsetzen müssen. Für ausländische Investoren sollen diese nicht gelten.

Achterbahn an der Athener Börse

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte die Vorschläge zur Wiedereröffnung des Handels akzeptiert, nachdem sie zuvor deutlich gemacht hatte, dass es ohne Handelsbeschränkungen für Griechen nicht ginge. Zunächst war noch die Rede davon, dass Griechen nur mit einem beschränkten Budget an der Börse handeln dürften, zuletzt sollten sie ganz vom Börsenhandel ausgeschlossen werden. Nun ist eine Regel in Kraft getreten, die Griechen nur dann den Börsenhandel erlaubt, wenn sie dafür Geld aus dem Ausland dafür zurücktransferieren oder mit Bargeld zahlen. Da Bargeld in Griechenland derzeit nur begrenzt verfügbar ist - 420 Euro dürfen Griechen pro Woche von ihren Konten abheben - dürfte diese Handelsbeschränkung das Handelsvolumen deutlich bremsen.

Die Börse wurde wie die Banken in Griechenland am 26. Juni geschlossen. Wenige Stunden später verkündete Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras das Referendum zu dem von den Gläubigern geforderten Reformprogramm. Damals mussten auch die hellenischen Banken schließen. Die Banken konnten jedoch nach einer dreiwöchigen Zwangspause bereits am 20. Juli wieder ihre Schalter öffnen, nachdem klar war, dass Griechenland über ein drittes Hilfspaket mit EU-Kommission verhandelt. Der Kapitalverkehr der Banken ist aber weiter beschränkt. Bis auf weiteres bleibt es noch bei der beschränkten Bargeldauszahlung und dem Verbot von Geldtransfers ins Ausland im Rahmen der Kapitalverkehrskontrollen.

Die Geldhäuser von Thessaloniki bis Kreta leiden schon seit Monaten unter starken Einlagenabflüssen, die Ankündigung eines Referendum beschleunigte den Bankrun. Verängstige Bankkunden hatten aus Sorge, das Land könnte aus dem Euro ausscheiden, in Scharen ihre Konten geräumt. Die Institute sind deshalb in hohem Maße auf sogenannte Notfall-Liquiditätshilfen ihrer Athener Notenbank angewiesen, die von der EZB genehmigt werden.

"Drittes Programm ist mehr als großzügig"
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Quelle: dpa
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Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel Quelle: dpa
Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras Quelle: dpa
Frankreichs Präsident François Hollande Quelle: REUTERS
Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Quelle: dpa

Festhalten, es geht steil abwärts

Die Wiedereröffnung des Börsenhandels war zwar mit Spannung erwartet worden, verlief jedoch nicht ohne Schwierigkeiten. Eigentlich stehen Kapitalverkehrskontrollen einem normalen Börsenbetrieb entgegen, bei dem Anlagegelder international zirkulieren. Nun bestimmen ausschließlich ausländische Akteure über die Kursbewegungen.

Sicher ist, dass nach einem Monat voller Wendungen und Verhandlungen sich die Einschätzungen zu griechischen Aktien gründlich geändert haben. Das muss der Markt zunächst einpreisen. Dementsprechend eröffnete die Börse mit einem Minus von 22 Prozent. Besonders stark stürzten wie erwartet die Bankaktien ab. Die vier größten Banken lagen allesamt 30 Prozent im Minus, die nicht als systemrelevante Bank geltende Bank of Cyprus verlor hingegen nur 15 Prozent. Auch der Börsenbetreiber selbst, Hellenic Exchanges, sowie die Aktie des Hafenbetreibers Piräus Port Authority verloren 30 Prozent.

Am letzten Handelstag vor der Schließung der Athener Börse notierte der Athex Composite bei 797 Punkten und damit gut 40 Prozent über dem Allzeittief vom Mai 2012 und knapp 88 Prozent unter dem Allzeithoch vom Herbst 2007. Nach der Zwangspause und dem Crash zur Wiederöffnung des Handels notiert der Index nun bei 623 Punkten.

Eine griechische Tragödie

Vor allem die griechischen Banktitel mussten zur Börseneröffnung deutlichen Abschlägen hinnehmen, da sich insgesamt ihr Zustand in dem börsenfreien Monat weiter verschlechtert hat. Vor allem die vier systemrelevanten Banken Griechenlands, also Piräeus Bank, Alpha Bank, Euro Bank und die Nationalbank von Griechenland (NBG) wurden an der Börse abgestraft. Weil die Bankenbranche für ein Fünftel des Athex-Volumens stehen, genügt allein das schon, um den Index auf Talfahrt zu schicken. Daneben sprach der griechische Bankenverband davon, dass die Griechen seit Dezember rund 40 Milliarden Euro von ihren Kontos geholt haben - Geld, dass den Banken auf der Einlagenseite nun fehlt.

Dementsprechend hart traf es die griechischen Banken an diesm Montag: Drei der fünf im heimischen Branchenindex notierten Aktien fielen um die täglich maximal möglichen 30 Prozent. Anschließend wurde der Handel mit diesen Papiere wieder ausgesetzt. "Es gibt noch nicht ausgeführte Verkaufsorders im Volumen von 100 Millionen Euro", sagte Anlageberater Theodore Mouratidis. Daher müsse für Dienstag mit einem weiteren Kursrutsch gerechnet werden, falls nicht einige Anleger die Gelegenheit zum Einstieg nutzten.

Einem exklusiven Reuters-Bericht von Anfang Juli zufolge stehen einige griechische Banken dennoch vor dem Aus. Insidern zufolge könnten von den vier großen Geldhäusern National Bank of Greece, Eurobank, Bank of Piraeus und Alpha Bank nur zwei übrig bleiben. Diese Insitute stehen zusammen mit Attica Bank für etwa ein Fünftel des gesamten Börsenwerts des Athener Aktienmarktes.

Auch Reedereien, Handelsunternehmen und alle stark von der griechischen Binnenkonjunktur abhängigen Unternehmen dürften nach Handelsauftakt weiter unter Druck geraten, zumal das angestrebte Reformprogramm weitere Sparauflagen für den Staat, Steuererhöhungen und neue Belastungen für die Bevölkerung mit sich bringt, die sich negativ auswirken. Die Prognosen erwarten mittlerweile ein neuerliches Schrumpfen der griechischen Wirtschaft um bis zu fünf Prozent.

Anleger, die nach den Kursrückgängen die zu Unrecht abgestraften Titel günstig kaufen wollen, werden aber Geduld brauchen. Die Athener Börse ist nämlich aus Sicht des Index-Anbieters MSCI bereits auf das Niveau eines Schwellenlandes abgerutscht, darüber hinaus droht eine weitere Abstufung. Damit wird der Markt für institutionelle Anleger wie Fondsgesellschaften, Vermögensverwaltungen oder Versicherer zunehmend problematisch, weil er zunehmend illiquide wird.

Die Folgen eines „Grexits“
Das Nationalgetränk der Griechen droht für einen normalen Arbeiter zum unbezahlbaren Luxusgut zu werden: Ein Frappé, also eine Nescafé mit Milch, Eiswürfeln und einem Strohhalm kostete kurz vor der Einführung des Euro etwa 100 Drachmen. Das entsprach damals rund 30 Euro-Cent. Als die Griechenland-Krise ausbrach, vor etwa sieben Jahren, kostete ein Frappé bereits zwischen 2,50 und drei Euro. Quelle: dpa
Noch im Laufe des Aprils muss Griechenland zwei Staatsanleihen im Wert von 2,4 Milliarden Euro an seine Gläubiger zurückzahlen. Im Mai werden weitere 2,8 Milliarden Euro fällig, von Juni bis August muss Athen noch einmal mehr als zwölf Milliarden Euro an Schulden zurückzahlen. Woher das Geld kommen soll, ist völlig unklar. Quelle: dpa
Die sozialen Probleme sind groß, die Renten wurden gekürzt, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Regierung Tsipras plant deshalb Steuererleichterungen und die Wiedereinstellung von Beamten. Allein diese Maßnahmen werden im laufenden Jahr nach Berechnungen der griechischen Regierung mindestens zwölf Milliarden Euro zusätzlich kosten. Quelle: dpa
Schon seit Wochen ist von einem „Grexit“ die Rede, dem Austritt Griechenlands aus der Währungsunion, vielleicht sogar verbunden mit einem drastischen Schuldenschnitt. Hinter der öffentlichen Spekulation könnte Absicht stecken. Quelle: ap
Würde eine neu eingeführte Drachme gegenüber dem Euro abwerten, könnte sich die griechische Regierung nach und nach leichter entschulden. Ein Austritt der Griechen aus dem Euro böte auch noch andere Vorteile: So würde die griechische Export-Wirtschaft von einer Abwertung der Landeswährung profitieren. Quelle: dpa
Besonders teuer würde ein „Grexit“ für Menschen mit geringem Einkommen und den Mittelstand mit Sparguthaben auf  griechischen Bankkonten, während das Geld reicher Griechen im Ausland unangetastet bliebe. Quelle: dpa
Die Gläubiger werden so oder so auf Reformen beharren. Für Tsipras kommt es deshalb eigentlich nur darauf an, seinen eigenen Wählern gegenüber eine möglichst gute Figur in den Verhandlungen abzugeben. Das gilt allerdings auch für seine europäischen Partner auf der anderen Seite des Verhandlungstisches. Für alle Beteiligten ist es wichtig, dass eine Lösung der griechischen Haushaltsprobleme möglichst wenige Kollateralschaden verursacht. Quelle: dpa

Attraktiver für Anleger sind da Griechenlands Ertragsperlen, die einen Großteil ihrer Umsätze im Ausland erzielen oder generell kaum konjunkturabhängig sind. Ein Beispiel ist Coca-Cola Hellenic Bottling, ein Getränkeabfüller, der in 28 Länder liefert und nur sechs Prozent seiner Umsätze in Griechenland macht. Gegen den Trend konnte die Aktie am Montag nach Börseneröffnung sogar um mehr als zwei Prozent zulegen.

Auch Titan Cement, ein Baumaterialproduzent, erzielt nur 14 Prozent seiner Umsätze in Griechenland. Kraftwerksbauer Metka (minus 15 Prozent), Energieproduzent Motor Oil Hellas (minus acht Prozent) oder Schmuckhersteller Folli Follie (minus 15 Prozent, gegen Mittag dann 4,5 Prozent im Plus) sind ebenfalls weitgehend unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung in Griechenland. Auch Lotteriebetreiber Opap oder Spielwarenhersteller Jumbo haben sich während der Griechenland-Krise gut behauptet und sind einen Blick wert. Nach Handelsstart notierten Jumbo 15 Prozent im Minus, Opap verloren zunächst mehr als 21 Prozent.

Damit sich ein Investment in griechische Aktien lohnt, dürften Anleger jedoch Geduld benötigen. Denn noch sind alle griechischen Unternehmen durch die Kapitalverkehrskontrollen eingeschränkt. Marktkenner berichteten, dass die Umsätze der Unternehmen dadurch im vergangenen Monat um 20 bis 30 Prozent eingebrochen sind.

Der Kurssturz in Athen ließ die Anleger anderer Börsen weitgehend kalt. Dax und EuroStoxx50 legten unter anderem dank ermutigender Firmenbilanzen jeweils 0,3 Prozent zu. Der Euro kostete mit 1,0973 Dollar ungefähr so viel wie am Freitagabend.

Unterdessen kommen die Vorgespräche zwischen Griechenland und seinen internationalen Geldgebern über ein drittes Hilfspaket Insidern zufolge voran. Eine Einigung ist die Voraussetzung dafür, dass die Kapitalverkehrskontrollen aufgehoben und Banken, Unternehmen und eben auch die Börse wieder zum Regelbetrieb zurückkehren können. Bis es soweit ist, dürfte der Blick auf die Kurstafel der Athener Börse wohl weiterhin an eine griechische Tragödie erinnern.

Mit Material von Reuters.

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