Börse Inside Broker-Branche rottet sich selbst aus

In den 80er-Jahren galt der Broker-Job als lukrativ und war heiß begehrt. Doch heutzutage ticken die Uhren anders. Längst haben Computer das Brokergeschäft übernommen. Nachwuchshändler suchen nach anderen Jobs.

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Eine Brokerin umgeben von Computerbildschirmen. In Zukunft dürfte der überwiegende Teil des Geschäfts von den Rechenmaschinen übernommen werden. Quelle: ap

Ins Broker-Geschäft einzusteigen wird immer schwerer. Die ersten Jahre bringen manchmal nur wenig ein. Der Rückgang der Gebühren und zahlreiche Einsparungen setzen der Branche zu und machen den Broker-Job immer unbeliebter.

Alex Freemon beispielsweise war nach seinem Uni-Abschluss so sehr entschlossen, Aktienhändler zu werden, dass er mit Kusshand das Angebot des amerikanischen Finanzdienstleisters Edward Jones & Co. annahm, als ein Verkäufer von Investmentfonds von Tür zu Tür zu tingeln.

Die Firma flog ihn nach St. Louis. Dort übte er mit einer Gruppe von anderen potenziell künftigen Brokern an einer Modell- Haustür, wie sie ihre Produkte erfolgsversprechend an den Mann bringen können. Nach der Schulung ging es zurück nach Atlanta, wo er für 10 Stunden am Tag die Wohnungen von möglichen Kunden abklapperte. Das alles tat er für rund 30.000 Dollar (23.000 Euro) pro Jahr, plus Provision.

Vor ein paar Monaten hat er den Job hingeschmissen. Damals realisiert er nach eigenen Worten, dass er sich wohl durch fünf schwere Jahre kämpfen muss, in denen er Absatzziele zu erfüllen hat, bevor er sich ernsthaft darauf konzentrieren kann, Kunden bei ihren Finanzplänen zu helfen.

“Das wird einem nicht bewusst, solange man nicht wirklich auf den Straßen unterwegs ist”, sagt der 23-Jährige, der jetzt als ein Analyst für ein Software-Unternehmen tätig ist. “Es ist nicht unmöglich. Aber es ist definitiv nicht aufrechtzuerhalten, von Tür zu Tür zu gehen, wenn Du nebenbei auch eine Familie oder andere Verpflichtungen hast.”

Ins Broker-Geschäft einzusteigen ist nicht einfach. Rückläufige Gebühren machen Kunden, die nur wenig Geld investieren wollen, weniger profitabel. Und Gesetze in den USA, die so genannte Kaltanrufe zum Tabu machen, verschlimmern die Lage. Vor diesem Hintergrund haben die großen Branchenvertreter Probleme dabei, die alternde Generation von Beratern - die über Jahr hinweg beim Einsammeln von Billionen von Dollar half und damit für einen konstanten Strom an Gewinnen sorgte - durch Nachwuchs zu ersetzen.

“Der einzige Weg, in den Job zu kommen, ist, wenn Dein Vater reich ist und er Country-Club-Freunde hat, die er zu Dir schicken kann. Oder wenn man selbst ein Psychopath ist, der 20 Stunden am Tag arbeiten kann”, sagt Vermögensverwalter Josh Brown von Fusion Analytics Investment Partners in New York in einem Interview mit Bloomberg News.


Menschen anzurufen ist nicht mehr effektiv

Aktienhändler haben jahrzehntelang den Amerikaner dabei geholfen, ihr Geld zu verwalten. Sie verdienten Provisionen, indem sie ihren Kunden Wertpapiere, Investmentfonds oder auch andere Produkte verkauften.

Der Marktanteil der größten klassischen Broker in den USA - Merrill Lynch, Morgan Stanley, Wells Fargo & Co. und UBS - ist seit 2007 von 49 Prozent auf zuletzt 42 Prozent gesunken, nicht zuletzt wegen der starken Konkurrenz von Discount-Brokern und unabhängigen Beratern. Das erklärt Analyst Sean Daly von der Beratungsfirma Cerulli Associates.

Zum Teil sind die Probleme wohl aber auch hausgemacht. Die Broker haben laut Daly seit der Finanzkrise an Trainingskosten gespart, um die Gewinne anzutreiben. Dadurch sei bei den größten Branchenvertretern das durchschnittliche Berater-Alter von 48 Jahre in 2009 auf 53 Jahre in 2012 gestiegen.

Morgan Stanley etwa hat 16.000 Broker und damit mehr als jede andere Firma im Land. Vergangenes Jahr wurde die Trainee-Klasse laut Finanzchefin Ruth Porat von 2.000 auf nur noch 1.250 verkleinert. Einer Unternehmenssprecherin zufolge ist die Klassengröße heuet noch immer ausreichend, um ausscheidende Mitarbeiter durch neue zu ersetzen.

Acht der zehn Broker, die in dem Buch “The Winner's Circle” aus dem Jahr 1992 portraitiert wurden, begannen ihre Karriere mit Kaltanrufen - also dem Versuch, Fremden über das Telefon Aktien und Bonds zu verkaufen.

“Man setzt sich hin, und beginnt, Nummern zu wählen. 200 Anrufe pro Tag”, bestätigt auch Chris Gardner. Er schlug sich am Anfang seiner Karriere durch ein Trainingsprogramm bei Dean Witter Reynolds, während er obdachlos war und einen Sohn aufzog. Seine Lebensgeschichte ist die Grundlage des Films “The Pursuit of Happyness” aus 2006. “Das ist nicht mehr effektiv. Heutzutage wird alles elektronisch gemacht.”

Broker von der Konkurrenz abzuwerben ist auch keine erfolgsversprechende Strategie, um ausscheidende Mitarbeiter zu ersetzen. Das meint Bob Patrick, 51, Ausbildungsdirektor bei Raymond James Financial. “Wir können nicht einfach weiter die Leute rotieren”, sagt er. “Wir alle werden älter. Wir rotten uns selbst aus.”

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