Auch das Verhältnis aus dem aktuellen Wert des Dax und dem Vermögenswert (Buchwert), der Aktionären an ihren 30 Unternehmen zusteht, mahnt eher zur Vorsicht. Hier bezahlen Anleger zurzeit eine Prämie von 70 Prozent auf ihre Unternehmensanteile. Selbst wenn Investoren den bilanziellen Ansätzen der Unternehmen trauen, ist das ein saftiger Aufschlag.
Mit immer höheren Kursen im Dax verliert auch die Dividende an Glanz: Nur rund drei Prozent Rendite werfen Dax-Aktien noch ab. Wie teuer Aktien sind, zeigen auch die deutschen Nebenwerte: Papiere aus dem 30 Werte umfassenden TecDax kosten das 28-Fache des Gewinns der vergangenen vier Quartale sowie den 2,7-fachen Buchwert – und sie werfen nur 2,2 Prozent Dividendenrendite ab. Der MDax ist mit einem laufendem KGV von 26,3 und einem geschätzten KGV von 19,7, einem Buchwert von 2,3 und 2,8 Prozent Dividendenrendite ebenfalls kein Schnäppchen mehr.
Immerhin: Noch steigen die Gewinne global, gemessen am MSCI World-Index, der 6000 Aktien enthält, wenn auch langsamer als im Schnitt der letzten fünf Jahre. „Die Dynamik in den Schwellenländern und Europa hat sich 2013 abgeschwächt, nur die Gewinne in den USA und Japan haben sich noch verbessert“, sagt Roelli.
Investoren, die Geld anlegen müssen, kaufen wegen der schlecht verzinsten Alternativen auch Aktien, ohne auf die Bewertung zu achten. Der Börsenstart von Twitter mit einem Plus von bis zu 93 Prozent sei Vorbote eines „Umfelds für Blasenbildung“, das „Risiko eines Rückschlags steigt“, sagt Bernard von Vontobel. Positiv sei, dass die Inflation bei etwa einem Prozent verharre, die Notenbanken könnten bei der Niedrigzinspolitik bleiben. Angst vor fallenden Preisen, einer Deflation, die Unternehmensgewinne belasten könnte, hat Bernard nicht: „Wir sehen jetzt wahrscheinlich das Tief der Inflationsraten.“
Noch also spielt die Musik, und deshalb gibt es noch keinen Grund, das Parkett zu verlassen. „Die Notenbanken werden die Zinsen weiter unten und die Geldversorgung expansiv lassen“, meint Roelli, „das wird Großanleger weiter Aktien kaufen und Anleihen abbauen lassen.“ Roelli weiter: „Auch wenn Aktien, gemessen an früheren Niveaus, nicht mehr billig sind – gegenüber Zinspapieren sind sie es.“
Anleger sollten an ihren Aktien festhalten und dürfen sich auch auf das übliche Saisonmuster verlassen: Ohne politische Schocks dürften die Kurse bis Jahresende und vermutlich, mit dann frischem Geld, auch bis Februar steigen. Sollte sich bis dahin noch mehr Euphorie ausbreiten, sollten Gewinne gesichert werden, über Teilverkäufe oder eine Absicherungsstrategie.
Wer bei Aktien noch Nachholbedarf hat, sollte noch Chancen finden bei Papieren die ausschüttungsstark sind, wie etwa die des deutschen Personaldienstleistungssoftwareherstellers Atoss, von Imperial Tobacco oder von Südzucker. Pumpenbauer Pfeiffer Vacuum ist eine kleine Wette auf eine verbesserte Konjunktur im kommenden Jahr.
Alternativ können Anleger darauf setzen, dass die Hausse im „letzten Drittel noch mal die Stürmer wechselt“, wie Roelli erwartet. Titel aus den Branchen Energie, Rohstoffe und Technologie haben Nachholbedarf. Chancen bieten auch solide Finanzwerte wie die skandinavische Nordea.
Mut zum Risiko sollte sich auszahlen. „Wenn der Markt nach einer schweren Krise seine jahrzehntelange Durchschnittsbewertung wieder erreicht hat, ist in der Regel nicht gleich wieder Schluss; normalerweise schwingt das Pendel erst mal in die andere Richtung, und Aktien werden noch teurer“, sagt Scott von Barclays. Für seine angelsächsischen Kunden hat sich so viel Zuversicht ausgezahlt: Geschätzt rund 60 Prozent der Dax-Aktien, die seit 2009 rund 150 Prozent zulegten, sind in Händen von britischen und US-Investoren.